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Waffen aus Nordrhein-Westfalen für die Welt

Waffen aus Nordrhein-Westfalen für die Welt

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Foto: Matthias Graben
Auch wenn Außenminister Guido Westerwelle die deutschen Rüstungsexporte verteidigt hat: Die Ausfuhren von Waffen in Krisenregionen stehen weiterhin in der Kritik. Zwei der Hauptlieferanten haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen.

Essen. 

Panzer für Saudi-Arabien, Fregatten für Algerien. Da Deutschland und seine Nato-Verbündeten ihre Verteidigungshaushalte langfristig kürzen, sieht sich die deutsche Rüstungsindustrie nach anderen Abnehmern um. ­Dabei gelangen Waffen „made in Germany“ auch in Krisenregionen.

Welche Rolle spielt Deutschland im weltweiten Waffenhandel?

Nach Angaben des Stockholmer Friedensinstituts Sipri ist Deutschland mit einem Marktanteil von neun Prozent drittgrößter Rüstungslieferant der Welt. Vorn liegen die USA (30 Prozent) und Russland (24 Prozent). Laut Rüstungsexportbericht 2011, den die Bundesregierung im November 2012 vorgestellt hat, sind Rüstungslieferungen im Wert von 10,8 Milliarden Euro genehmigt worden. Die Summe beinhaltet Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen. Darin ist das geplante Geschäft über 270 „Leopard 2“-Panzer mit Saudi-Arabien noch nicht enthalten. Die Ausfuhr von Kriegswaffen ist 2011 im Vergleich zum Vorjahr von 2,12 Milliarden Euro auf 1,28 Milliarden Euro gesunken. Unter den Begriff Kriegswaffen fallen: Panzer, Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und Maschinengewehre. Zu den restlichen Rüstungsgütern zählen andere militärisch verwendbare Güter: etwa Lkw, Funk- und Messtechnik.

Wer erteilt die Genehmigungen?

Der Bundessicherheitsrat. In dem geheim tagenden Gremium sitzen die Kanzlerin, der Kanzleramtschef, die Minister für Auswärtiges, Verteidigung, Wirtschaft, Finanzen, Justiz und Entwicklung. Es beruft sich bei seinen geheimen Entscheidungen auf das Grundgesetz, Kriegswaffenkontrollgesetz und Exportrichtlinien. Diese sind strenger als in anderen Ländern, zum Beispiel Frankreich. Waffen dürfen nicht in Krisenregionen geliefert werden, in denen sie den Konflikt verschärfen oder aufrechterhalten könnten – und auch nicht in ­Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden. Der Bundessicherheitsrat teilt seine Entscheidungen oft mehrere Monate später im ­Rüstungsexportbericht mit.

Wer sind die Empfänger?

58 Prozent der Einzelausfuhr­genehmigungen entfallen auf EU-, Nato- und Nato-gleichgestellte Länder, 42 Prozent auf Drittländer. Von den Top 20 der Empfängerländer liegen fünf in den sicherheitspolitisch sensiblen Regionen Nordafrika, Naher und Mittlerer Osten: Vereinigte Arabische Emirate (Rang 3), Irak (6), Algerien (8), Saudi-Arabien (12), Ägypten (18).

Welche Rüstungsgüter waren 2011 besonders gefragt?

Den größten Anteil haben Genehmigungen für Kettenfahrzeuge (1,5 Mrd. Euro), Munition (1,07 Mrd. Euro), „militärische Luftfahrzeuge und -technik“ (399,9 Mio. Euro). Dazu zählen Kampfflugzeuge und -hubschrauber, Triebwerke sowie unbemannte Drohnen zur Auf­klärung. Ein „Leopard 2“-Panzer kostet in der Anschaffung etwa drei Millionen Euro. In der Vergangenheit sind auch gebrauchte Exemplare für 250 000 Euro pro Stück verkauft worden – etwa an Chile.

Unter den Top 5 der deutschen Waffenschmieden befinden sich zwei in NRW: Rheinmetall in Düsseldorf und Thyssen-Krupp in Essen. Rheinmetall ist unter anderem mit der Münchener Firma Krauss-Maffei Wegmann an der Produktion der Panzer „Leopard 2“ und „Puma“ beteiligt. Thyssen-Krupp baut Schiffe für die Marine und den Export. Besonders beliebt sind U-Boote: Von der Klasse 214 haben Griechenland und die Türkei je sechs, Südkorea neun bestellt. Bei den Infanterie-Waffen gehört Heckler & Koch zu den Top 5 in der Welt – und steht in der Kritik. Gewehre des schwäbischen Herstellers tauchen immer wieder in Krisenregionen auf. Zuletzt sind G36 in den Händen der libyschen Armee Gaddafis und deutsche Gewehre in den Händen von afghanischen Taliban aufgetaucht.

Gibt es Kritik an den Geschäften?

Umstritten ist der geplante Deal über die Lieferung von 270 ­„Leopard 2“-Panzern nach Saudi-Arabien. Das Update „A7+“ eignet sich nach Angaben des Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken für den Einsatz in asymmetrischen Konflikten – also auch bei Volksaufständen. Er verfügt über einen verstärkten Schutz gegen Sprengfallen und ist mit einem Räumschild ausgelegt für den Einsatz in der Stadt. Während des arabischen Frühlings sind saudische Panzer nach Bahrain gerollt, um dort Aufstände niederzuschlagen.

2012 wurde bekannt, dass Thyssen-Krupp Marine Systems zwei Fregatten im Wert von 400 Millionen Euro für Algerien liefern wird. Dort ist auch Rheinmetall aktiv und will dort 1200 Transport­panzer „Fuchs“ bauen. Die Gesellschaft für Bedrohte Völker wirft der Bundesregierung vor, den „Rüstungswettlauf in Nordafrika zu schüren“ – und das im arabischen Frühling. Zumal im Nachbarland Mali Bürgerkrieg herrsche und die Panzer in falsche Hände geraten könnten.

Ferner wurde Kritik am U-Boot-Geschäft mit Israel laut. Drei Boote der „Dolphin“-Klasse hat Deutschland geliefert. Drei weitere aus dem Hause Thyssen-Krupp sollen bis 2017 folgen. Die Kosten pro Boot liegen bei rund 225 Millionen Euro für die ersten drei und bis zu 600 Millionen für die anderen. Diese können Atomwaffen tragen und abfeuern. Angesichts der Auseinandersetzung mit dem Iran befürchten Kritiker, dass deutsche Waffen zur Eskalation in der Region beitragen könnten.

Wie viele Menschen arbeiten in der Rüstungsindustrie?

Laut eines Gutachtens des Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR waren im Jahr 2011 etwa 98 000 Mitarbeiter direkt in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie beschäftigt. Indirekt würden 220 000 Arbeitsplätze – zum Beispiel in Zuliefererbetrieben – vom Rüstungssektor abhängen. Auftraggeber der Studie war der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.