Veröffentlicht inPolitik

16 Amish-Männer wegen Bartraubs zu Haftstrafen verurteilt

16 Amish-Männer wegen Bartraubs zu Haftstrafen verurteilt

dpa_1484900080D59450.jpg
Haareschneiden als Hassverbrechen: Finale im US-Prozess um Amisch Foto: dpa
Ende eines spektakulären Prozesses in den USA: 16 Amish-Männer müssen ins Gefängnis. Sie wurden verurteilt, weil sie anderen Männern ihres Volkes die Bärte abgeschnitten haben. Ihr Anführer, der 67-jährige Sam Mullet, muss für 15 Jahre hinter Gitter. Er wollte sich mit der Tat an seinen Widersachern rächen.

Washington/Cleveland. 

Wegen religiös motiviertem Bart-Raub müssen 16 Angehörige des Amish-Volkes im US-Bundesstaat Ohio ins Gefängnis. Sam Mullet, Anführer der Gruppe, erhielt mit 15 Jahren die höchste Strafe. Das geringste Strafmaß ist ein Jahr. Mit entsprechenden Urteilen ging am Freitagmittag in Cleveland ein spektakulärer Prozess zu Ende, der seit Monaten weltweites Interesse auslöst und ein Schlaglicht auf interne Machtkämpfe der christlichen Glaubensgemeinschaft wirft. Richter Daniel Polster warf den Angeklagten vor, den Grundsatz der Religionsfreiheit „mit Füßen getreten“ zu haben. Staatsanwältin Bridget Brennan bezeichnet das Urteil als „richtig und notwendig.“

Bereits im vergangenen Herbst hatte eine Jury am Bezirksgericht in Cleveland die Angeklagten, darunter sechs Frauen, eines „Hass-Verbrechens“ (hate crime) für schuldig befunden. Freeman Burkholder Linda und Emanuel Schrock, die Millers und die Mullets, sie hatten im Herbst 2011 in einer Nacht- und Nebelaktion acht Glaubensbrüdern und -schwestern brutal Bärte und Haare abgeschnitten und sie dabei zum Teil erheblich verletzt – als Strafe für fehlende Folgsamkeit und lasche Religionsausübung. Danach machten sie Fotos von den Opfern und brüsteten sich damit in ihrer Gemeinschaft. Die Wunden sind inzwischen vernarbt, die Demütigung bleibt. Der Bart steht bei den Amishen für den tiefen Glauben an Gott. Männer dürfen ihn nach der Heirat nicht mehr stutzen.

Mullet soll Frauen zum Sex gezwungen haben, „um ihnen den Teufel auszutreiben“

[kein Linktext vorhanden]Inspiriert war die bis dahin beispiellose Tat von Sam Mullet. Der 67-Jährige hat nach FBI-Erkenntnissen nie verwunden, dass er vor Jahren mit Gesinnungsgenossen innerhalb der Amish-Community wegen seiner Radikalität emmigrieren und seinen „eigenen Clan“ aufmachen musste. Seither führt der dürre Mann im abgeschiedenen Bergholz/Ohio im Rang eines Bischofs eine Amish-Siedlung mit 120 Mitgliedern, in der er bis zu seiner Verhaftung laut Polizei wie ein Sekten-Guru waltete.

Nach eidesstattlichen Zeugenaussagen zwang Mullet, durch Landverpachtungen an Gas-Unternehmen zum Multimillionär geworden, verheiratete Amish-Frauen zum Sex, um ihnen „den Teufel auszutreiben“. Darunter war auch seine Schwiegertochter. Mullet hat 18 Kinder. Amish-Männer, die ihn belangen wollten, sperrte er tagelang in Hühnerkäfigen ein.

Mullet billigte die Strafaktion als recht und billig

Mullet hatte zunächst über seine Anwälte jede Beteiligung an der Tat abstreiten lassen. Gegenüber dem Fernsehsender CNN nannte er die Strafaktion gleichwohl recht und billig. Mullet hatte laut Gericht Beweismittel (eine Tüte mit den abgeschnittenen Bärten und Haarbüscheln) vernichtet und die Bundespolizei FBI in Vernehmungen belogen. Er ist, so Staatsanwältin Brennan, „der entscheidende Anstifter der Tat, die Angst in die Herzen der ganzen Amis-Gemeinschaft jagen sollte“.

Obwohl die Amishen das herkömmliche Rechtssystem in Amerika meiden und Streitigkeiten unter sich regeln, bekam das Gericht in den vergangenen Monaten Dutzende Briefe, in denen eine möglichst lange Haftstrafe für Mullet gefordert wurde. Vor dem Gerichtsgebäude sagte ein Amisher dem Reporter der Zeitung „The Plain Dealer“: „Wir haben Angst, dass uns dieser Despot sonst weiter schikaniert.“

„Ich werde nie wieder Bärte abschneiden.“

Kurz vor der von Dutzenden Amishen verfolgten Urteilsverkündung nahm Mullet alle Schuld auf sich und rief Richter Polster auf, alle anderen Angeklagten im Gegenzug frei zu lassen. Drei seiner ebenfalls angeklagten Söhne warben indes dafür, ihren Vater unbehelligt zu lassen. Unter Tränen erklärte Lester Mullet: „Geben Sie mir seine Strafe. Es tut mir leid. Ich werde nie wieder Bärte abschneiden.“ Mit Rücksichtnahme auf die Familiensituation der Angeklagten reduzierte Richter Polster in einigen Fällen das Strafmaß. Das Spektrum: 1 Jahr, 2 Jahre, 5 Jahre, 7 Jahre und 15 Jahre. 50 Kinder sind von den Urteilen betroffen