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SPD-Chef Sigmar Gabriel ist im Revier auf der Suche nach Verbündeten

Sigmar Gabriel ist im Revier auf der Suche nach Verbündeten

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DEU Deutschland Nordrhein Westfalen Gelsenkirchen 05 03 2016 Gelsenkirchener Gespräche der Nor
Sigmar Gabriel sucht bei der NRW-SPD Verbündete für seinen „Solidarpakt für Deutschland“. SPD-Chef: Union falle Kanzlerin Merkel in den Rücken.

Gelsenkirchen. 

Im „Maschinenraum der Sozialdemokratie“, mitten im Revier, sucht Sigmar Gabriel Verbündete für seinen „Solidarpakt für Deutschland“. Bei den Gelsenkirchener Gesprächen der NRW-SPD erneuert der SPD-Chef im Angriffsmodus seine Forderung, die Einheimischen bei der Finanzierung der Einwanderer nicht zu vergessen. Die 200 Funktionäre im Pott geben Gabriel dankbar Rückendeckung. Die Genossen sind verunsichert: Nicht nur im armen Gelsenkirchen wächst die Sorge von Bürgern, wegen der hohen Flüchtlingskosten selbst zu kurz zu kommen.

Eine Woche vor den heiklen Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt betont Gabriel die Rolle der SPD als Partei der kleinen Leute. Seit Wochen stolpern die Genossen von einem Umfragetief ins nächste. Bei dem befürchteten Desaster am 13.März könnte es auch für den SPD-Chef eng werden. NRW-Bauminister Michael Groschek warnt seine Partei ahnungsvoll vor dem üblichen Spiel „wir gegen uns selbst“ und wirbt dafür, dass Gabriel auch am 14.März in Amt und Würden bleibt.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fehlte

Jedes Jahr treffen sich die Mandats- und Funktionsträger der NRW-SPD in Bund, Land, Europa und Kommunen zum Austausch in Gelsenkirchen. Eigentlich sollte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in diesem Jahr mit Gabriel diskutieren. Aber Kraft, sicher kein Mitglied des Gabriel-Fanclubs, laboriert an einer Lungenentzündung. Auf den Fluren wird angstvoll über den Gesundheitszustand der Regierungschefin diskutiert: Wie lange ist sie noch krank? Ist es der Stress? SPD-Fraktionschef Norbert Römer, der für die NRW-Chefin eilig eingesprungen ist, rät Kraft: „Nimm Dir Zeit. Kurier Dich aus.“

Dem Parteichef sagt Römer mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 die Unterstützung des Landesverbandes für einen gemeinsamen „Deutschland-Plan“ zu. Gabriel nutzt die Gelegenheit zu einer vollen Breitseite auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der gefährde mit seiner einseitigen Fokussierung auf das goldene Kalb „Schwarze Null“ den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Gabriels Sozialplan hingegen sieht milliardenschwere Ausgaben zur Entlastung der Kommunen, die Anhebung von Mini-Renten, mehr Wohnungsbau, Schulen, Kitas und Lehrer vor. Angesichts der langen Wunschliste legt Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski mutig nach und verlangt noch obendrauf einen Ausbau des sozialen Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose.

Gabriel: Union falle Kanzlerin Merkel in den Rücken

Einmal im Wahlkampfmodus wirft Gabriel der Union vor, der eigenen Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage in den Rücken zu fallen. „Ich überlege, ob ich Angela Merkel einen Aufnahmeantrag schicke“, juxt der SPD-Chef. Dem CSU-Chef Horst Seehofer kreidet er an, Deutschland mit seiner Ungarn-Reise geschadet zu haben.

Gabriel, dessen Bundespartei im 24-Prozent-Turm eingemauert scheint, dringt auf einen sozialdemokratischen Aufbruch. Die Bundestagswahl 2017 soll auch eine Abstimmung über die künftige Rente werden. Er könne es nicht ertragen, wenn das Rentenniveau ab 2030 auf 41 Prozent absinken.

Blick der SPD auf die AfD

Mit Argusaugen beobachten die Genossen das Erstarken der rechten AfD. Eine „rassistische, menschenfeindliche“ Partei, nennt Römer die Rechtspopulisten mit den derzeit hohen Umfragewerten. In NRW ist die SPD auf 31 Prozent abgestürzt, während die AfD auf zehn Prozent kletterte. Römer und Gabriel warnen Teile der Union davor, aus Angst weiter nach rechts zu rücken und Schlagbäume hochzuziehen. Stattdessen sollten Integrations- und Investitionsprogramme aufgelegt werden. „Es geht darum, Sozialneid zu verhindern“, nennt Gabriel sein Konzept.

In Gelsenkirchen wird das Problem der NRW-SPD deutlich. Während einzelne Lokalpolitiker wie in Essen-Karnap eine Überforderung durch Flüchtlinge fürchten, geht anderen wie dem Hagener SPD-Bundestagsabgeordneten Renè Röspel schon das Asylpaket II zu weit.

Römer: „Deutschland steht am Scheideweg“

Die Funktionärsriege in Gelsenkirchen beschließt zum Abschluss der traditionellen Tagung ein Sofortprogramm für Integration. Darin verlangt die SPD, dass der Bund die Mittel für die Integration und Versorgung der Flüchtlinge kräftig aufstockt. „Deutschland steht am Scheideweg“, sagt Norbert Römer. Mit dem milliardenschweren Deutschland-Plan will die SPD wieder in die Offensive kommen. Dafür müsste Finanzminister Schäuble aber erst noch zustimmen.