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So gehen andere EU-Länder mit einem Burka-Verbot um

So gehen andere EU-Länder mit einem Burka-Verbot um

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imago64717432h~ddbc0821-66b1-4b60-bea7-919fda910d8b.jpg Foto: imago/Paulo Amorim
Einige Unions-Politiker fordern vehement ein Burka-Verbot. Andere EU-Länder haben die Vollverschleierung untersagt. Ein Überblick.

Berlin. 

Wegen der Diskussion um ein Verschleierungsverbot muslimscher Frauen liegen sich Befürworter und Gegner seit Jahren immer wieder über Kreuz. Die Debatte spaltete schon mehrmals die deutsche Politik. Derzeit fordert die Union ein Verbot. Die Unionsinnenminister wollen diese Woche die „Berliner Erklärung“ verabschieden, die ein Verbot beinhaltet.

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahr 2014 darf theoretisch jedes europäische Land ein solches Gesetz einführen. Was spricht in Deutschland dafür, was dagegen? Und wie gehen die anderen EU-Länder mit der Streitfrage um? Ein Überblick.

Situation in Deutschland

In Deutschland hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Jahr 2012 ein Gutachten veröffentlicht, laut dem ein generelles Burka-Verbot verfassungswidrig wäre. Es verstoße gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes. „Ein Verbot kommt nur im Einzelfall als Ergebnis einer Abwägung mit kollidierenden Verfassungsgütern in Betracht“, heißt es darin. Auch andere Experten kommen zu dem Schluss: Bei Staatsdienern oder in Schulen seien Verbote möglich, ansonsten widerspricht ein Verbot „der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Strafrechts“, wie zum Beispiel der Rechtsexperte Bijan Fateh-Moghadam von der Universität Münster feststellt. Seine Befürchtung: Verschleierungsverbote führten zu einer Art „Zwangssäkularisierung“, die die Religionsfreiheit untergraben würde. Kritiker eines Verbots heben zudem hervor, dass die Burka in Deutschland praktisch fast nie zu sehen ist. Bei SPD und Grünen trifft das Verbot auf Widerwillen. Der Grüne Jürgen Trittin wirft der Union beispielsweise vor, Feindbilder zu stärken.

Frankreich: Erstes Verbot in der EU

Als erstes europäisches Land hat Frankreich im April 2011 das Tragen von Vollschleiern in der Öffentlichkeit verboten. Dazu gehören die Burka und der Niqab. Bei Verstößen droht Frauen eine Geldstrafe von bis zu 150 Euro. Zudem können Frauen, die gegen das Verbot verstoßen, zum Besuch eines Kurses in Staatsbürgerkunde verurteilt werden. Nach offiziellen Zahlen tragen in Frankreich weniger als 2000 Frauen eine Vollverschleierung. In den fünf Jahren des Burka-Verbots hat die Polizei insgesamt um die 1500 Knöllchen fürs Burka-Tragen ausgestellt. Das Gesetz wurde unter der damaligen Regierung von Staatspräsident Nicolas Sarkozy in die Nationalversammlung eingebracht. Die Parlamentarier stimmten mit überwältigender Mehrheit für das Verbot: Mit 336 Ja-Stimmen und nur einer einzigen Gegenstimme.

Belgien: Gefängnis als Sanktion

In Belgien gilt ein Verbot seit Juli 2011. Beinahe wäre es das erste europäische Land geworden, dass die Vollverschleierung aus der Öffentlichkeit verbannt. Allein der Sturz der damaligen Regierung verhinderte ein entsprechendes Gesetz im Jahr 2010. Wer dort sein Gesicht im öffentlichen Leben so verhüllt, dass er nicht mehr zu identifizieren ist, muss mit Strafen zwischen 15 und 150 Euro oder bis zu sieben Tagen Gefängnis rechnen. Nach dem Verbot reichten mehrere Muslima Klagen beim belgischen Verfassungsgericht ein. Das Gericht urteilte jedoch: Die Religionsfreiheit sei nicht absolut. Das Verschleierungsverbot diene der öffentlichen Sicherheit, der Gleichheit zwischen Mann und Frau und dem gesellschaftlichen Zusammenleben.

Niederlande: Bei Verstoß sollen 400 Euro Strafe drohen

Die niederländische Regierung will Burkas und ähnliche Kleider im staatlichen Bereich verbieten. An Schulen, in staatlichen Gebäuden, im öffentlichen Verkehr und in Krankenhäusern solle keine gesichtsbedeckende Kleidung mehr getragen werden dürfen, entschied die Regierung am vergangenen Freitag in Den Haag. Bei einem Verstoß soll eine Geldstrafe von 400 Euro drohen. Das Verbot diene der Sicherheit und einer guten Kommunikation mit den Bürgern, erklärte die Regierung. Nach dem Gesetzesvorschlag sollen Burkas und gesichtsverhüllende Schleier auf der Straße erlaubt bleiben. Das Verbot schränke die Religionsfreiheit nicht ein, sagte Innenminister Roland Plasterk. „In Schulen muss man einander in die Augen sehen können.“ Wann das Gesetz in Kraft tritt, ist unsicher. Zunächst müssen beide Kammern des Parlaments zustimmen.

Schweiz: Verbot im Ferienkanton Tessin

Seit Juli 2016 gilt auch im Schweizer Ferienkanton Tessin ein Verbot. Bei einem kantonalen Referendum hatte 2013 eine Mehrheit der Tessiner Bevölkerung für das Verschleierungsverbot gestimmt. Die Bußgelder in dem Kanton sind exorbitant hoch: Frauen müssen mit einem Bußgeld von 10.000 Franken rechnen, umgerechnet etwa 9200 Euro. „Wenn man den arabischen Touristen gut erklärt, dass die Autorität des Kantons – das Parlament – dies beschlossen habe, wird das Verhüllungsverbot gut befolgt“, sagte der Polizeichef und Vize-Präsident der Stadt Lugano, Michele Bertini, der Zeitung „Blick“. Die Region ist bei gut betuchten Touristen aus arabischen Ländern populär. Laut Bertini gab es seit Anfang Juli sechs Fälle, in denen Polizisten verschleierte Frauen angehalten haben. Sie seien mit einem Flugblatt in arabischer Sprache über die Vorschriften informiert worden. (mit dpa)