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Röttgen ist 100 Tage nach dem Aus immer noch abgetaucht

Röttgen ist 100 Tage nach dem Aus immer noch abgetaucht

100 Tage nach seiner Entlassung ist es still geworden um den einstigen Hoffnungsträger und Ex-Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Er scheint abgetaucht zu sein. Zu seinen künftigen Projekten äußert er sich auf Anfrage nicht.

Berlin. 

Norbert Röttgen schweigt. Der frühere Umweltminister gilt als redegewandt, seine Schachtelsätze sind berüchtigt. Doch 100 Tage nach seiner Entlassung durch Bundespräsident Joachim Gauck ist es still geworden um den Politiker, der lange Zeit neben Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Kronprinz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) galt.

Der einstige Hoffnungsträger hat sich zurückgezogen und steht für Presseanfragen nicht zur Verfügung. Seitdem widmet sich der 47-jährige Jurist kaum wahrnehmbar seinen Pflichten als einfacher Abgeordneter im Bundestag, wo er stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist.

Seit dem Aus trat Röttgen nur einmal öffentlich auf

Es hätte kaum schlechter laufen können für Röttgen in den letzten Monaten. Erst der Absturz seiner CDU bei der NRW-Wahl, den er als Spitzenkandidat maßgeblich zu verantworten hatte, der freiwillige Rückzug vom Landesvorsitz und dann der Rauswurf aus dem Kabinett.

Da half es wenig, dass Gauck dem viel gescholtenen Röttgen bei der kurzen Entlassungszeremonie noch ein paar warme Worte mit auf den Weg gab. Früher als andere habe er erkannt, dass es Zeit sei für die Energiewende, würdigte Gauck die Verdienste des früheren Ministers.

Nur einmal noch ist Röttgen seitdem öffentlich in Erscheinung getreten, beim Landesparteitag der NRW-CDU in Krefeld, bei der Wahl seines Nachfolgers. Er verteidigte die Kampagne und räumte zugleich Fehler ein, die sowohl den Wahlkampf als auch das Ergebnis belastet hätten. Welche das aus seiner Sicht waren, sagte er nicht.

Norbert Röttgen ist an der eigenen Strategie gescheitert

Der Jurist steht im Ruf, ein schneller Denker zu sein, sein Intellekt ist unbestritten. Dennoch ist Röttgen an seiner eigenen Strategie gescheitert. Mit dem Vorsitz des größten CDU-Landesverbands wollte er sich die Unterstützung für womöglich höhere Aufgaben sichern. Selbstverständlich werde er die Partei bei der nächsten Landtagswahl als Spitzenkandidat anführen, versicherte er bei seiner Kür gerade einmal eineinhalb Jahre vor der Wahl. Offensichtlich vernachlässigt hatte Röttgen aber das Risiko, dass der nächste Wahlkampf schneller kommen würde als gedacht.

Bis zum Tag der Landtagsauflösung in Nordrhein-Westfalen ging es stetig nach oben für Röttgen, der am 2. Juli 1965 in Meckenheim bei Bonn geboren wurde. 1982 trat er der CDU bei, war zwischen 1992 und 1996 Landesvorsitzender der Jungen Union in NRW und von 2000 bis 2002 Vize der nordrhein-westfälischen Landesgruppe im Bundestag. 2002 wurde er rechtspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion. Von 2005 bis 2009 war er Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Nach der Bundestagswahl wurde er Bundesumweltminister, seit 2010 ist Röttgen zudem stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender.

Röttgen verstolperte den Wahlkampfstart

Doch in nur zwei Monaten hat Röttgen das Erreichte verspielt. Den Wahlkampfstart in Nordrhein-Westfalen verstolperte er, weil er sich nicht festlegen wollte, ob er auch im Fall einer Wahlniederlage in Düsseldorf bleiben würde. Geradezu verheerend verlief jedoch die letzte Woche.

Mit seiner Äußerung, bei der NRW-Wahl gehe es auch um den Euro-Kurs der Kanzlerin, brachte Röttgen die Kritiker gegen sich auf. Und dann verhedderte er sich im ZDF auch noch in seinen eigenen Schachtelsätzen. „Bedauerlicherweise entscheidet nicht allein die CDU darüber, sondern die Wähler entscheiden darüber“, sagte er. „Darüber“ bezog sich darauf, ob er Ministerpräsident werden würde.

Norbert Röttgen schweigt beharrlich

Seine Zeit als Minister war ein einziges Auf und Ab. Zog er bei der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke zunächst den Kürzeren, konnte er wenige Monate später seine Vorstellungen durchsetzen: Als Reaktion auf die Katastrophe von Fukushima besiegelte die Regierung den Atomausstieg und damit auch die Energiewende – Röttgens großes Projekt. Doch nur zwei Tage vor der NRW-Wahl folgte die letzte Schlappe: Der Bundesrat stoppte die Pläne des Bundesumweltministers zur Kürzung der Solarförderung, auch CDU-geführte Länder stimmten gegen ihn. Am Ende war er für die Kanzlerin nicht mehr zu halten.

Welche Projekte verfolgt Röttgen?

Seitdem ist Röttgen abgetaucht. Die meiste Zeit verbringt er in Nordrhein-Westfalen. Hin und wieder macht er einen Abstecher nach Berlin. Ob er nach der Sommerpause die Vollmitgliedschaft im Auswärtigen Ausschuss anstrebt, welche Projekte er verfolgt, was er sich vorgenommen hat, ob er sich noch einmal öffentlich äußern wird – zu all diesen Fragen schweigt er beharrlich. „Herr Röttgen möchte dazu keine Stellung beziehen“, teilt sein Bundestagsbüro auf Anfrage mit. (dapd)