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Radikale Islamisten bringen Unruhe an die Uni Bochum

Radikale Islamisten bringen Unruhe an die Uni Bochum

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Foto: Ingo Otto
Mit Kopftuch, Schleier, Kaftan und Bart in den Hörsaal: Ein SPD-Politiker warnt, die Islamwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum ziehe Extremisten an, der Studiengang sei von Salafisten „überlaufen“. Die Uni weist das zurück, ein Professor berichtet aber von Problemen und Spannungen unter Studierenden.

Bochum. 

„Islamische Prophetengeschichte“, „Verfassung, Politik und Religion in den arabischen Ländern“ oder auch „Die islamische Lehre von den Engeln“ – so lauten die Titel der Veranstaltungen in diesem Semester. Etwa 500 Studierende haben sich am Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaften an der Ruhr-Uni Bochum eingeschrieben. Unter ihnen sind manche, die Kopftuch tragen, einen weißen Kaftan, Bart und Gebetsmütze, eine Studentin sitzt gar vollständig verschleiert im Seminar.

Kann es sein, dass dieser Studiengang zu einem Anziehungspunkt radikaler Islamisten und Salafisten in NRW geworden ist? Für den Bochumer SPD-Landtagsabgeordneten Serdar Yüksel sieht es so aus: Die Zahl der radikalen Islamisten in Bochum und an der Ruhr-Uni steige besorgniserregend. „In den letzten Jahren gewinnt dieser Studiengang eine besondere Anziehungskraft auf das salafistische Milieu“, warnt Yüksel. Man müsse die Entwicklung sehr genau beobachten.

Gebetsraum geschlossen

Bochum. Immer wieder Bochum. Nicht nur, dass einer der Helfer der Todespiloten vom 11. September 2001 einige Jahre hier lebte. Auch Sami A., nach Angaben des Verfassungsschutzes eine entscheidende Figur in der deutschen Islamistenszene, wohnt seit Jahren hier. Er soll direkten Kontakt zu Osama bin Laden gehabt haben, gar Mitglied seiner Leibgarde gewesen sein und im Ruhrgebiet junge Muslime für den „Heiligen Krieg“ gesucht haben.

Im Herbst 2012 wurde der Gebetsraum der Hochschule Bochum geschlossen. Die FH liegt nur einen Steinwurf von der Uni entfernt. Die Polizei hatte im Zuge von Ermittlungen zu Sami A. festgestellt, dass sich in dem abseits gelegenen Raum regelmäßig „hochschulfremde Personen“ trafen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes hat sich die Zahl der Salafisten in NRW 2012 auf rund 1000 verdoppelt. Etwa 100 gelten als „gewaltbereite Dschihadisten“. Hochburgen seien Bonn, Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Solingen – und Bochum.

Mobbing unter Studentinnen

Wird nun die Ruhr-Uni zu einem Zentrum für radikale Islamisten? „Das ist Unfug“, sagt Prof. Stefan Reichmuth, Direktor am Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaft der Uni. Der Behauptung des Politikers, er habe sich selbst ein Bild von den Zuständen an der Uni gemacht und einzelne Veranstaltungen besucht, widerspricht der Professor energisch. Yüksel habe „definitiv nicht“ Seminare oder Vorlesungen besucht. Er hält dessen Alarmrufe daher für „völlig überzogen“. Unter den 500 Studierenden seien maximal zehn bis 20 Salafisten, „wenn überhaupt“.

Sicher, das sei nicht immer unproblematisch, räumt Reichmuth ein. In der Studentenschaft gebe es zuweilen ein „gehöriges Tauziehen“ zwischen den verschiedenen Gruppen um die Deutungshoheit zu einem Thema. Dann fielen Äußerungen wie „Arabische Regime sind nur deshalb nicht so erfolgreich, weil sie nicht den wahren Islam vertreten“, berichtet etwa Jonathan Kriener, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl.

„Zieh dich mal richtig an!“

Daraus könne man schon auf eine bestimmte politische Einstellung schließen. Das führe zuweilen zu Spannungen, auch zu Mobbing unter Frauen: „Zieh dich mal richtig an! Trage einen Schleier!“ In solchen Fällen müssten die Lehrkräfte eingreifen, so Reichmuth.

„Wir wollen die Leute ernst nehmen und zu einer fairen und kritischen Auseinandersetzung bringen. Das ist unser pädagogischer Anspruch“, sagt der Professor. Ohnehin würden es radikale Gläubige oft nicht lange bei diesem anspruchsvollen Studium und der nötigen offenen, differenzierten und rationalen Auseinandersetzung mit dem Islam aushalten. „Diese Leute schaffen den Abschluss selten. Mit ein paar islamischen Sprüchen ist es nicht getan. Daher docken Extremisten ungern bei uns an.“