Veröffentlicht inPolitik

Probleme verteuern den Digitalfunk der Polizei erheblich

Probleme verteuern den Digitalfunk der Polizei erheblich

Titel-Digitalfunk-2.jpg
Foto: Roland Weihrauch/dpa
Ende 2014 soll nun endlich der Digitalfunk bei Polizei und Feuerwehr eingeführt werden. Doch noch stören Regen, Wald und Beton den Empfang. Das System, das jetzt schon als veraltet gilt, droht teurer zu werden – und sich weiter zu verspäten.

Essen. 

Ein Jahr vor dem Ende 2014 geplanten bundesweiten Start des abhörsicheren Digitalfunks von Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften wachsen die Zweifel an Technik und Finanzierung. Drei Rechnungshöfe, darunter der in NRW, erwarten erhebliche Kostensteigerungen des bis zu acht Milliarden Euro teuren Projekts. In Bayern droht eine eine Verdoppelung der Kosten auf 1,1 Milliarden Euro. Die Prüfer in NRW mahnen, für nötige Nachbesserungen seien „keine belastbaren Kostenschätzungen“ da. Zudem können für die Polizei große Bauwerke zu Funkloch-Fallen werden.

Auch für das größte Bundesland ist es ein Mammutprogramm. 80.000 Funkgeräte sind auszutauschen, 26.000 Fahrzeuge umzurüsten, rund 160.000 Polizisten, Feuerwehrleute und Retter in NRW für den Digitalfunk zu schulen. Ähnlich bereiten sich die 15 anderen Bundesländer vor. Am Ende soll der Umbau auf die Hochtechnologie „schnellere und verlässlichere Hilfe im Notfall“ möglich machen.

Kein Rauschen, kein Knacken. Auch sonst herrschte Stille

Robert Orth ist Landtagsabgeordneter der FDP. Der Anwalt sucht in seiner Stadt gern den Kontakt zur Praxis. 2012 war er mit einer Polizeistreife auf der Düsseldorfer Kirmes. Zehntausende bevölkerten den Rummel. Plötzlich fühlte sich der Trupp ziemlich alleine. Es lag am mitgeführten Digitalfunk. Er soll dank einer besseren Sprachqualität Schluss machen mit dem „Rauschen und Knacken“ der Analog-Geräte. Aber jetzt knackte und rauschte er nicht nur nicht. Er blieb stumm. Er hatte „die Menschenmassen nicht vertragen“. Orth fragt, ob das die sicherheitstechnische Zukunft sein kann und darf. „Es ist inzwischen eine alte Technik, Geräte wie vor 15 Jahren. Ein Grundproblem“, sagt er. „Vielleicht brauchen wir einen Digitalfunk 2.0“.

Bundesweit läuft, nach der nur mühsam vorangekommenen Installation von 3800 der insgesamt nötigen 4500 Basisstationen, die letzte Testwelle. Die Erfahrungen sind gemischt. In Lübeck scheiterte der „erweiterte Probebetrieb“ in diesem April nach drei Wochen, als die Polizei wegen Digitalversagens auf herkömmlichen Betrieb umschalten musste. Dauerregen machte einen anderen norddeutschen Einsatz sprachlos. In Frankfurt kehrte die Feuerwehr schnell zum guten alten Funkgerät zurück. In Dortmund klappte der Probebetrieb im Stadtgebiet reibungslos – und versagte im Wald bei Hohensyburg. Anders als auf dem Düsseldorfer Kirmesplatz meldete jetzt die Polizei in Crange: „Keine Probleme“.

Der Digitalfunk war fürs WM-Jahr 2006 angekündigt

Das Auf und Ab gehört zur Leidensgeschichte des Digitalfunks im HighTech-Land Deutschland. Horst Müller kann sie erzählen. Der Funk- und Technikexperte der Gewerkschaft der Polizei (GdP) erinnert an die vielen Zusagen, die den Sicherheitsbehörden der Republik seit zwei Jahrzehnten gemacht werden: Erst sollte die bundesweite Einführung bis zur Fußball-WM 2006 klappen, dann bis 2010, dann 2012 und jetzt eben bis Ende 2014. 16 EU-Länder haben in dieser Zeit die moderne Technik eingeführt.

InfoOrth ahnt, dass NRW auch den Termin Ende 2014 nicht schaffen könnte. „Die Zeit ist nicht zu halten. Viele Leitstellen, die Notrufe annehmen, sollen erst 2016 angeschlossen werden.“ So mutmaßt es der Landesrechnungshof. Rechnungshöfe in Bayern und Baden-Württemberg misstrauen dem Superprojekt genau so. Ihre Reports nehmen die Bemühungen ihrer Innenministers in rüdem Ton auseinander: Im „Blindflug“ werde der Digitalfunk eingeführt, so die Bayern.

Der Test im Ruhrgebiet war erfolgreich

Die Regierung in Düsseldorf ist optimistischer. Der Sprecher des Innenministeriums, Wolfgang Beus: Ende 2014 „funkt NRW digital“. Alle Wachen und Leitstellen würden rechtzeitig ausgestattet, 396 kommunale Feuerwehren und 96 Werksfeuerwehren rüsteten um. „Die Nutzer von Polizei und Feuerwehr loben die Sicherheit und die deutliche Qualitätssteigerung bei der Sprachübertragung“, sagt Beus. Tests im Ruhrgebiet, im Rheinland, in Westfalen und am Niederrhein waren laut Beus überzeugend. „Das Netz ist überall stabil“, sagt er. Im Hochsauerland würden Probeläufe 2014 abgeschlossen. Für U-Bahnhöfe und Tunnel verspricht die Regierung „Anpassungen“. Das Analognetz bleibt bis Ende 2015 in Betrieb. Zur Sicherheit.

Reicht das? Dass die technische Auslegung in NRW qualitativ etwas besser ist als in anderen Bundesländern, bestätigt Gewerkschafter Müller. Er verweist aber auf die entscheidende Schwachstelle des gesamten deutschen Digitalfunk-Plans. Sie entstand, als die Länderinnenminister 2004 bei den Finanzkollegen nur die Billig-Lösung durchsetzten, passend GAN-0 genannt.

Beton und bedämpfte Fenster stören den Funk

Klartext zu GAN-0 steht in den Papieren der Bundesanstalt mit dem komplizierten Namen BDBOS: „Die Güte dieser Grundversorgung wird nicht mit der aus dem Mobilfunk gewohnten Versorgung vergleichbar sein.“ Viele Gebäude könnten nur von außen und nur zum Teil mit dem neuen Funk versorgt werden. Und: Alle verbindungsschwachen Bauten für den Digitalfunk fit zu machen – das sei „technisch schwer realisierbar und wirtschaftlich nicht sinnvoll“. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste werden digitale Funkgeräte, anders als den heutigen Analogfunk, in vielen Bahnhöfen, Schulen, Stadien, Tunneln und Einkaufszentren ohne aufwendige Nachrüstung nicht nutzen können. Stahlbeton und bedämpfte Fenster stoppen digitale Signale. Gerade diese Orte sind oft Einsatz-Schwerpunkte.

In Polizeikreisen wird kolportiert, wie dann der Arbeitsalltag aussehen könnte. Der Beamte, der bei der Geiselnahme in einer Schule eine lebenswichtige Meldung durchgeben muss, läuft dafür raus zum Einsatzwagen. Oder, schneller, nimmt das private Handy.