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National Express: Kein guter Auftakt für die Privatbahn

National Express: Kein guter Auftakt für die Privatbahn

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Foto: imago/Rüdiger Wölk
Zugausfälle, Verspätungen und überfüllte Waggons. Der künftige RRX-Betreiber hat auf seinen ersten beiden NRW-Linien mit Problemen zu kämpfen.

Essen. 

Seit Mitte Dezember sind NRW-Bahnfahrer als erste Fahrgäste im regionalen deutschen Schienenverkehr „very british unterwegs“. Und eigentlich wollte National Express, das einst aus einem staatlichen Busunternehmen hervorgegangene, seit 1992 börsennotierte Unternehmen mit Sitz im mittelenglischen Birmingham, beweisen, dass man es besser kann als die notorisch unpünktliche Deutsche Bahn. Doch schon in den ersten Wochen nach der Jungfernfahrt der neuen blau-weißen Züge auf den Linien RE 7 und RB 48 zeigt sich: Der Auftakt geriet zum klassischen Fehlstart. Privat vor Staat – das ist nicht automatisch die bessere Lösung.

Vielfältige Gründe

Zugausfälle, Verspätungen und überfüllte Waggons: Beim Fahrgastverband Pro Bahn stapelten sich schnell die Kundenbeschwerden. „Ein Teil der Startschwierigkeiten war ja erwartbar“, sagt Lothar Ebbers. Doch die Mängel gehen laut dem Pro-Bahn-Sprecher über die üblichen Kinderkrankheiten hin­aus. Die Gründe sind vielfältig. Bei den Talent-2-

Zügen von Bombardier, die National Express auf beiden Strecken einsetzt, gelten in Fachkreisen besonders die Türöffnungssysteme als störanfällig. Manchen der 80 neu eingestellten Zugführer fehlt schlicht die Streckenroutine. „Da fährt man dann schon mal etwas langsamer in den Bahnhof ein“, sagt Lothar Ebbers.

Besonders zugesetzt hat den Briten aber die Sprayer-Szene. Die 35 überwiegend weiß lackierten National-Express-Züge waren offenbar geradezu eine Einladung für selbst ernannte Graffiti-Künstler. Das Problem: Die Sprayer besprühten offenbar auch die Frontscheiben der Triebwagen. Inzwischen hat National Express nach eigenen Bekunden für Abhilfe gesorgt. Jetzt bewacht ein Sicherheitsdienst die nachts abgestellten Züge. „Seitdem ist kein Zug mehr besprüht worden“, sagte Unternehmenssprecher Daniel Prüfer auf Nachfrage dieser Redaktion. Überhaupt laufe der Betrieb inzwischen „ziemlich entspannt“, so Prüfer. Zusätzlich sei das Personal in den Leitständen aufgestockt worden. Prüfer: „Seit Ende letzter Woche fahren wir einen stabilen Fahrplan.“

Probelauf für den Rhein-Ruhr-Express

National Express hat freilich kaum eine andere Wahl, als den Rhein-Münsterland Express (RE 7) von Rheine über Hamm, Hagen und Wuppertal nach Krefeld sowie die Rhein-Wupper-Bahn (RB 48) von Wuppertal über Köln nach Bonn stabil aufs Gleis zu setzen. Die beiden Linien sind gewissermaßen der Probelauf für ein weitaus größeres Vorhaben. Mitte 2015 erhielt National Express zusammen mit Abellio den Zuschlag für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) zwischen Dortmund und Köln. Der schnelle Zug soll ab 2019 den Schienenverkehr im größten deutschen Ballungsraum revolutionieren und im 15-Minuten-Takt die Rhein-Ruhr-Region verbinden. Mit jährlich 15 Millionen Zugkilometern gilt er als größtes Nahverkehrsprojekt Europas.

Nicht nur aus Sicht von Pro Bahn steht National Express daher unter besonderer Beobachtung. Auch die beteiligten NRW-Verkehrsverbände verfolgen die Entwicklung bei RE 7 und RB 48 mit Argusaugen. „Wir schauen schon genau hin“, sagte Uli Beele, Sprecher des Nahverkehrsverbandes Westfalen-Lippe (NWL), der bei der Vergabe der Strecken federführend war. Der RRX sei eine „Hausnummer“. Beele: „Ein sehr bedeutendes Projekt.“

Lothar Ebbers von Pro Bahn hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Der RE 7 sei schon vor Übernahme durch die Briten eine der verspätungsanfälligsten Strecken in NRW gewesen. Dass private Bahnbetreiber Erfolg haben können, beweist zudem Abellio (unter anderem RE 16, RB 40). Im NWL-Qualitäts-Ranking 2014 gewann die Tochter der niederländischen Staatsbahn alle drei gewerteten Kriterien: Pünktlichkeit, Leistungserfüllung und Fahrzeugzustand.