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Zu wenig geplant – Milliarden fließen am Revier vorbei

Zu wenig geplant – Milliarden fließen am Revier vorbei

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Eine Baustelle in Duisburg. Archiv-Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool Foto: Stephan Eickershoff
Von insgesamt 2,7 Milliarden Euro gehen die größten Posten nach Bayern und Baden-Württemberg. Das staugeplagte Ruhrgebiet geht komplett leer aus.

Düsseldorf/Berlin. 

2,7 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung für den Bau neuer Straßen und Brücken zur Verfügung, aber von dieser riesigen Summe fließt nur ein winziger Teil in das bevölkerungs- und verkehrsreichste Bundesland NRW. Das staugeplagte Ruhrgebiet geht bei der Verteilung der Straßenbau-Milliarden sogar komplett leer aus.

Oliver Wittke, Chef der CDU Ruhr und Bundestagsabgeordneter aus Gelsenkirchen, wirft der rot-grünen Landesregierung schwere Versäumnisse vor: „Wer keine neuen Verkehrswege mehr plant, der darf sich nicht wundern, wenn er kein Geld für den Straßenbau bekommt“, sagte der Politiker unserer Redaktion. Konsequenz laut Wittke: „Jetzt regnet’s Brei, und NRW fehlen die Löffel.“

Der größte Posten geht nach Bayern. Der Freistaat erhält 621 Millionen Euro. Es folgen Baden-Württemberg (537 Millionen Euro) und Hessen (390 Millionen Euro). NRW muss sich mit 128 Millionen Euro begnügen.

Dort werden sechs eher kleine Projekte gefördert – Ortsumfahrungen, zum Beispiel in Beckum, Hürth, Wassenberg und Vettweiß. Hamburg hingegen darf sich auf die Realisierung eines Großprojektes freuen: den achtstreifigen Ausbau der A 7 für 181 Millionen Euro.

„Eine Präferenz nach Bundesländern gibt es nicht“

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat eine einfache Begründung für die ungleiche Verteilung der Ausgaben. „Eine Präferenz nach Bundesländern gibt es nicht“, versichert er, „wenn keine baureifen Projekte vorhanden sind, ist nicht mehr möglich.“ Das gilt laut Dobrindt auch für NRW. Dort gebe es keine baureifen Projekte mehr.

Anderswo hätten die Landesregierungen anscheinend besser gearbeitet und Planungen auch ohne finanzielle Zusagen schon einmal bis zur Realisierungsfähigkeit vorangetrieben. So klingt es zumindest beim zuständigen Minister. In manchen Ländern sieht es noch schlechter aus. Berlin, Bremen und das Saarland fehlen ganz auf der Liste der Bauprojekte.

Das NRW-Verkehrsministerium rechnete gestern vor, dass das Land sehr wohl auf diversen Förderlisten des Bundes stehe. Gerade an Rhein und Ruhr sei aber der Erhalt der bestehenden Straßen und Brücken viel wichtiger als der nun vom Bund geförderte Neubau. Nordrhein-Westfalen werde zum Beispiel „in hohem Maße“ vom Brückenmodernisierungsprogramm des Bundes profitieren.

Bayern und Baden-Württemberg profitieren am meisten 

Bayern und Baden-Württemberg erhalten vom Bund mit Abstand am meisten Geld für den Erhalt und Neubau von Straßen. NRW profitiert von den Baufrei­gaben durch den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dagegen nur in vergleichsweise ­geringem Umfang.

2,7 Milliarden Euro stellt die ­Bundesregierung insgesamt zur Verfügung. „Wir sehen heute ein Zeichen für einen Modernisierungsschub“, sagt Dobrindt. Mit einem weiter anwachsenden Etat für den Straßenbau will die Bundesregierung den Verfall der Wege stoppen und Lücken im Netz schließen. Bis 2018 soll der Etat dafür von derzeit 10,5 Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro steigen.

„Durchschaubares Manöver im Sommerloch“

Neu ist diese Ankündigung nicht. Die Opposition wirft Dobrindt vor, dass er damit nur seine Schlappe bei der Einführung der Pkw-Maut verdecken wolle. „Das Investitionsprogramm ist ein durchschaubares Manöver im Sommerloch“, stellt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, fest.

Kritisch sehen die Grünen insbesondere die Verteilung der Mittel. Denn der Löwenanteil wird mit 2,2 Milliarden Euro für den Neubau von Straßen sowie Lückenschlüsse ausgegeben. Nur 500 Millionen Euro stellt Berlin für den Erhalt bereit.

„Ein Ergebnis schlechter Verkehrspolitik“

Dass NRW von den 2,7 Milliarden Euro nur 128 Millionen bekommt, ist nach Einschätzung des CDU- Politikers Oliver Wittke ein Ergebnis schlechter Verkehrspolitik. „Damit werden die Versäumnisse der rot-grünen Landesregierung offenbar: die Planungsvorräte von NRW ­sinken auf Null, da alle baureifen Projekte realisiert werden.

Hätte der Landesverkehrsminister seine Hausaufgaben gemacht, könnten jetzt eine Vielzahl dringend benötigter Neu- und Ausbauten realisiert werden“, sagte Wittke dieser Zeitung. NRW habe schlicht aufs Planen von Straßen verzichtet. Bayern hingegen habe Pläne für den Straßenbau im Umfang von zwei Milliarden Euro in der Schublade.

Ausgerechnet das bevölkerungsreichste Bundesland NRW gehe deshalb nun fast leer aus. Mit den jetzt zugesagten Mitteln können in NRW nur sechs von bundesweit 72 Projekten gestartet werden. Bayern kann mit 13 Projekten mehr als doppelt so viele finanzieren. Das Investitionspaket des Bundes ist für Lückenschlüsse, dringende Neubauprojekte und Modernisierung maroder Straßen und Brücken vorgesehen.

Voran­treiben will Berlin auch ­Öffentlich Private Partnerschaften. Dabei sollen Autobahnteilstücke privat gebaut werden. Elf Projekte sind in Planung, darunter auch der 400 Millionen Euro teure sechsstreifige Ausbau der Autobahn ­zwischen Köln und Moers.