Veröffentlicht inPolitik

Warum der Berliner Vorstoß für einen Coffeeshop in Rauch aufgeht

Keine Staatsdröhnung – Berliner Coffeeshop-Plan verraucht

Linke fordern Cannabis-Clubs--656x240.jpg
Foto: dpa
Das Kreuzberger Bezirksparlament will den Cannabishandel legalisieren. Allerdings gibt es rechtlich keinerlei Grundlagen für solch ein Projekt – und es ist auch nicht absehbar, dass sich das unter der neuen Regierung ändert. Eine Übersicht zum Stand der Dinge im Dauerstreit um die Legalisierung von Haschisch.

Essen. 

Die Meldung klang so, als ob in Berlin bereits vollgedröhnte Realität ist, was eigentlich erst als Plan bekannt gegeben wurde: Die Bezirksregierung Kreuzberg möchte den bundesweit ersten Coffeeshop eröffnen – ein staatlich überwachtes Geschäft also, in dem Cannabis-Produkte legal verkauft werden. Das kennt man aus Holland, hierzulande wäre ein solches Projekt schlicht eine Sensation.

Hintergrund des Vorstoßes, der von der grünen Mehrheit des Bezirksparlaments und der ebenfalls grünen Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann getragen wird: In einem Stadtteil-Park hat der Drogenhandel solche Ausmaße angenommen, dass er nach Ansicht der Beteiligten nur noch durch außergewöhnliche Methoden in den Griff zu bekommen ist. Die Alternativen: nächtliche Vollsperrung des Parks – oder eben …. der Coffeeshop. Die Argumente Herrmanns: Die „Prohibitionspolitik“ der vergangenen Jahre sei gescheitert, eine punktuelle Legalisierung des Handels grabe den illegalen Dealern das finanzielle Wasser ab. Die Szene werde entkriminalisiert. Und das sei deutlich preiswerter als die polizeiliche Verfolgung der Kiffer und Dealer.

Projekt im süßlichen Nebel

Die Argumente der Legalize-it-Bewegung kennt man. Und der Berliner Vorstoß hat bundesweit die Debatte über Sinn und Unsinn der Drogenpolitik wieder angestoßen. Das Coffee-Shop-Projekt würde sicherlich auch Nachahmer finden, wenn es diesen einen entscheidenden Haken nicht gäbe: Das Vorhaben bewegt sich juristisch im süßlichen Nebel. Kurz: Es existiert derzeit keine rechtliche Grundlage für eine Umsetzung. Der Handel mit Drogen in Deutschland ist verboten – und das kann auch nicht von einer Berliner Bezirkregierung per Akklamation ausgehebelt werden. Das Weitere regelt das Betäubungsmittelgesetz. Tatsächlich beruft sich die Bezirksregierung auf eine Ausnahmeklausel. In § 3 des BtMG heißt es: „Eine Erlaubnis für … Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen.“

Beantragt werden muss eine solche Ausnahmeregelung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) . Dort gibt man sich bedeckt, was die Causa Berlin-Kreuzberg betrifft: Der Antrag liege noch nicht vor – damit sei eine Bewertung der Genehmigungschancen nicht möglich, heißt es.

Die Entscheidung wäre zu politisch für ein Bundesinstitut 

Wobei auch klar ist: Das Thema ist hochpolitisch. Ob in Deutschland Drogenhandel legalisiert wird, ist keine Frage, die auf Antrag von einer Behörde entschieden wird. Letztlich ist es der Dienstherr des BfArM, der hier das letzte Wort sprechen wird: Der/die Gesundheitsminister/in.

Die Politik ist – nur unter Schmerzen – zu solchen Ausnahmeregelungen bereit: 2009 genehmigte der Bundestag nach jahrelanger, quälender Grundsatzdebatte die staatlich beaufsichtigte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige. Dahinter stand das Ziel, den Betroffenen eine Rückkehr in ein „normales“ Leben zu ermöglichen – ohne Beschaffungskriminalität und die gesundheitlichen Gefahren, die der Umgang mit illegalen Drogen mit sich bringt. Tatsächlich sind die Erfahrungen in den sieben Pilotstädten durchaus positiv. Auch in der Schweiz – Vorreiter des Projekts – sind die Ziele der legalisierten Heroinabgabe fast durchweg erreicht worden.

Auch die Abgabe von Cannabis ist unter Umständen durchaus legal: Die Verabreichung der Droge kann medizinisch verordnet werden – zur Schmerztherapie in der Onkologie beispielsweise. Auch dies geschieht über das BfArM, das entsprechende Anträge genehmigt. Die Abgabe wird dann über Apotheken geregelt, die Droge stammt zumeist aus kontrolliertem Anbau in den Niederlanden. Derzeit sind es etwa150 Menschen, die über eine solche medizinisch indizierte Ausnahmeregelung legal Cannabis-Produkte beziehen dürfen.

Zuletzt scheiterte Schleswig-Holstein

Beide Freigaben betreffen also einen eng umrissenen Personenkreis. Auf Granit bissen allerdings bisher alle Befürworter einer generell freien Abgabe „weicher“ Drogen. Den letzten ernsthaften Vorstoß in diese Richtung hatte zuletzt Schleswig-Holstein unternommen: Auf Initiative der Länder-Gesundheitsminister sollte dort in einem groß angelegten Modellversuch der Verkauf kleiner Mengen Cannabis an Erwachsende in Apotheken erlaubt werden. Das Projekt sollte zudem wissenschaftlich begleitet werden und untersuchen, wie sich diese veränderte Drogenpolitik auf Suchtverhalten und Drogenhandel auswirkt.

Den entsprechenden Antrag nach §3 des BtMG lehnte der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer 1997 jedoch rundweg ab. Und auch der/die kommende Gesundheitsminister/in dürfte kaum anders agieren: Weder in der SPD, noch in der Union gibt es die Bereitschaft, ernsthaft über eine Legalisierung zu debattieren.

Berliner Experiment schwer zu begründen

Zudem dürfte es schwierig werden, das Berliner Experiment sinnhaft zu begründen: Für eine wissenschaftliche Untersuchung ist es offenbar nicht breit genug angelegt aber andererseits der Personenkreis der Konsumenten zu wenig begrenzt. Und für eine echte Entlastung des Viertels vom illegalen Drogenhandel ist es zu kurz gedacht: Sollte es bei dem einen Coffeeshop bleiben, darf man sich die Pilgerströme vorstellen. Also müsste auch dieser Versuch in die Fläche gehen – was Berlin als Party-Hauptstadt sicher noch mehr Renomee bringen dürfte – aber erst mal chancenlos ist.

Vielleicht widmet sich die Politik daher zuerst einmal dem Phänomen, dass ein Kiffer, der in Frankfurt völlig legal mit 10 Gramm Haschisch in den Zug steigt, am Münchner Bahnhof verhaftet werden kann. Die föderal schwankenden Grenzen, welche Menge an Haschisch als Eigenbedarf noch akzeptabel ist, sorgen für permanente Rechtsunsicherheit, die – im Gegensatz zum Coffeeshop – rasch lösbar sein sollte.