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Landesregierung vor zweitem Flüchtlingsgipfel unter Druck

Landesregierung vor zweitem Flüchtlingsgipfel unter Druck

Vor dem zweiten Spitzentreffen in NRW steigen die Zahlen der Asylbewerber massiv an. Und die Zusagen vom ersten Gipfel sind noch nicht umgesetzt.

Düsseldorf. 

NRW kann die stark steigenden Flüchtlingszahlen kaum bewältigen. In den ersten drei Monaten 2015 wurden 21.825 Flüchtlinge aufgenommen – 172 Prozent mehr als im ersten Quartal des Vorjahres. Die Folge: Bereits nach 14 Tagen müssen Asylbewerber aus überfüllten Erstaufnahmeinrichtungen des Landes auf die Kommunen verteilt werden. Oft fehlt gar die Zeit zum Registrieren und zur medizinischen Untersuchung der Flüchtlinge.

Vor dem zweiten NRW-Flüchtlingsgipfel am Mittwoch in Düsseldorf ist die Lage gespannt. Zwar sinkt die Zahl der Flüchtlinge aus den Balkanländern, weil diese Staaten zuletzt als sichere Herkunftsländer eingestuft wurden und Anträge bei einer Anerkennungsquote gegen null schneller abgelehnt werden können. Dennoch rechnet NRW mit einem Anstieg der Erstanträge von Asylbewerbern 2015 auf mindestens 60.000. In zentralen Landeseinrichtungen stehen aber nur 7900 Plätze bereit. Dazu kommen 2133 Notfallplätze.

Viele unbearbeitete Asylanträge

Ein Ärgernis: Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stapelten sich Ende Januar fast 180.000 unbearbeitete Asylanträge für ganz Deutschland. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt immer noch 5,6 Monate. Ende Dezember hatte die Landesregierung in einem Erlass sogar noch eine weitere Einzelfallprüfung für ablehnte Antragsteller verfügt, um Familien bei einer Abschiebung nicht zu trennen. Dagegen hatten 15 Revier-Oberbürgermeister scharf protestiert und gefordert, dass die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in ihre Heimatländer „nicht unnötig auf dem Verordnungswege“ erschwert wird. 2014 wurde jeder vierte der 128.000 bearbeiteten Asylanträge genehmigt.

Der CDU-Flüchtlingsexperte André Kuper kritisiert, dass das Land bisher nicht einmal die Zusagen vom ersten Flüchtlingsgipfel vor einem halben Jahr in Essen erfüllt habe. So seien von den zugesicherten neuen 44 Stellen in der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg erst 28 besetzt, das Beschwerdemanagement sei ebenso wenig umgesetzt wie die zugesagten Hilfen für Flüchtlingskinder. Kuper bemängelt, dass zum 16. März mehr als 1150 Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht geröntgt und 1740 nicht einmal registriert waren.

Länder und Kommunen verlangen Kostenübernahme

Zudem sorgt die Praxis, dass Gemeinden die Kosten für die Versorgung und Unterbringung von rund 36 000 geduldeten Flüchtlingen, die aus familiären und gesundheitlichen Gründen vorläufig nicht abgeschoben werden, allein tragen müssen, in Städten für massiven Ärger. Länder und Kommunen verlangen eine Übernahme der Kosten durch den Bund.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat inzwischen signalisiert, dass der Bund künftig für die Unterbringung von Flüchtlingen zahlen will, um Kommunen zu entlasten. Sozialminister Guntram Schneider (SPD) hatte die bisher zugesagten Bundeshilfen von jeweils 500 Millionen Euro für dieses und das nächste als nicht ausreichend kritisiert.

Bis zu drei Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen

Auf dem zweiten NRW-Flüchtlingsgipfel wollen Vertreter von Städten, Kirchen, Politik, Wohlfahrtsverbänden sowie Flüchtlings-Organisationen in der Düsseldorfer Staatskanzlei weitere Maßnahmen zur Unterbringung der Flüchtlinge beraten. CDU und FDP verlangen, dass Flüchtlinge – wie rechtlich möglich – bis zu drei Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und Asylanträge in dieser Zeit bearbeitet werden. Dann würden nur die Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt, die einen berechtigten Asylgrund nachweisen konnten.

Unternehmen, die Flüchtlinge beschäftigen oder ausbilden wollen, hätten dann auch mehr Planungssicherheit, dass die neuen Mitarbeiter nicht von Abschiebung bedroht sind. Seit einiger Zeit können Asylsuchende und Geduldete bereits nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen – nicht erst wie vorher nach einem Jahr. Industrie und Handwerk sehen in den oft qualifizierten Fachkräften eine bislang ungenutzte „stille Reserve“.