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Ja zu Kraftwerk Datteln setzt Rot-Grün unter Druck

Ja zu Kraftwerk Datteln setzt Rot-Grün unter Druck

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Foto: Joachim Kleine-Büning
Der Eon-Konzern darf auf den Weiterbau des umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln IV hoffen.

Essen/Düsseldorf. 

Der Eon-Konzern darf auf den Weiterbau des umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln IV hoffen. Die Verbandsversammlung des Ruhrgebiets beschloss am Freitag mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP, beim Land ein Zielabweichungsverfahren zu beantragen. Damit könnten schwere Planungsfehler beim Kraftwerksbau nachträglich ausgeglichen werden. Grüne und Linke stimmten dagegen.

Mit der Entscheidung des Ruhrparlaments gerät die rot-grüne Landesregierung unter Zugzwang. Die Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) muss nun entscheiden, ob der Kraftwerksstandort nachträglich legalisiert und die Verfeuerung von Importkohle genehmigt werden kann.

Die Koalitionspartner verfolgen dabei unterschiedliche Interessen. Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) forderte „zeitnahe Entscheidungen“, die den Betrieb von Datteln IV ermöglichen. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen warb dagegen für ein juristisch „korrektes Verfahren“ ohne Vorfestlegungen: „Die Landespolitik entscheidet nicht, ob Datteln IV in Betrieb geht oder nicht“, sagte Priggen dieser Zeitung. Neue Anwohnerklagen seien wahrscheinlich. Der ursprüngliche Bebauungsplan für das Eon-Kraftwerk war 2009 vom Oberverwaltungsgericht Münster gekippt worden. Bemängelt wurde vor allem, dass der Kraftwerksstandort gar nicht als solcher im Landesentwicklungsplan vorgesehen war. Dies soll nun planungsrechtlich korrigiert werden.

Die Fronten waren schon vor der Abstimmung gestern im RVR-Ruhrparlament klar: CDU, SPD und FDP wollen den Kraftwerksneubau in Datteln nicht ausbremsen. Grüne und Linke haben erhebliche Vorbehalte. Keine Überraschung also bei der Abstimmung gestern in Essen. Aber jeder im Saal wusste natürlich, welche Sprengkraft Datteln IV hat. Und darum waren die Revier-Politiker am Ende froh, das heiße Eisen an die Landesregierung weitergeben zu können. „Jetzt ist das endlich vom Tisch“, hieß es.

Die Landesregierung ist nun in der Pflicht, sich zu einigen

Etwa 30 Demonstranten aus einem „Aktionsbündnis gegen Datteln IV“ hatten den Abgeordneten am Morgen einen rauen Empfang bereitet. Ihre Botschaft: „Nicht die Hände schmutzig machen!“ „Die Politiker machen sich zu willfährigen Erfüllungsgehilfen des Energieriesen Eon“, wetterte Dirk Jansen, BUND-Geschäftsführer.

Thomas Eiskirch, Wirtschafts-Experte der SPD im Landtag, sprach indes im Ruhrparlament aus, was auch CDU, FDP und die DGB-Gewerkschaften glauben: „Das ist ein guter Tag für den Industrie- und Energiestandort NRW.“ Moderne und effiziente Kraftwerke seien besser als „alte Möhren“. Eiskirch hofft auf zügige Prüfung durch die Staatskanzlei und sogar auf ein Ende des Verfahrens „noch in diesem Jahr“. Grüne und Linke lehnen Datteln IV ab.

Für die rot-grüne Landesregierung ist mit dem Beschluss vom Freitag eine dreijährige Phase des Abwartens aus sicherer Distanz beendet. Bislang konnten SPD und Grüne ihre total widersprüchlichen Haltungen zu „Datteln IV“ hinter zwei Sätzen verbergen: „Die Landesregierung baut keine Kraftwerke und reißt auch keine ab. Am Ende entscheiden die Gerichte.“

Nun aber muss sich Staatskanzlei-Chef Franz-Josef Lersch-Mense (SPD) über den RVR-Antrag auf „Zielabweichung“ von der Landesplanung beugen. Er muss sich vorstellen, dass der Standort des fast fertigen Milliardenprojekts noch eine grüne Wiese wäre und prüfen, ob in der raumordnerischen Abwägung mit dem übrigen Gleichgewicht aus Industrie, Wohnen und Umwelt dort ausnahmsweise eines der größten Kraftwerke Europas vertretbar wäre. Eines, das nicht einmal die Vorgabe der Verfeuerung von heimischer Kohle erfüllt. Also alles zurück auf Anfang.

Neue Klagen gelten als sicher

Anschließend muss Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihr Kabinett mit so unterschiedlichen Akteuren wie Umweltminister Johannes Remmel (Datteln-Gegner, Grüne) und Wirtschaftsressortchef Garrelt Duin (Datteln-Befürworter, SPD) auf eine Linie einstimmen. Kraft will das wirtschaftliche Symbolprojekt zwar nicht ohne Not sterben lassen, vermeidet aber jedes lautstarke Bekenntnis, das sie persönlich mit der verkorksten Geschichte dieses Kraftwerks identifizieren oder das Koalitionsklima trüben könnten.

„Die rechtlichen Hürden durch die Entscheidungen der Gerichte sind sehr hoch. Auch deshalb gilt für alle weiteren Schritte der Grundsatz Sorgfalt vor Schnelligkeit“, sagt Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen. Die SPD dagegen will Klarheit über den zweiten Planungsanlauf bis spätestens Ende des Jahres, die Opposition sogar noch vor der Bundestagswahl. „Das rot-grüne Versteckspiel hinter Gerichtsurteilen muss nun zwangsläufig ein Ende haben“, forderte CDU-Wirtschaftspolitiker Thomas Kufen.

Der politische Druck und die juristische Herausforderung sind für die Landesregierung groß. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte 2009 beim Baustopp den rechtlich nicht abgesicherten Kraftwerkstandort, nicht eingehaltene Umweltschutzbestimmungen und einen zu geringen Abstand zur Wohnbebauung moniert. Neue Klagen gelten als sicher.