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Oberhausener Schule zeigt, wie Inklusion gelingen kann

Oberhausener Schule zeigt, wie Inklusion gelingen kann

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Lehrer und Sonderpädagogen unterrichten gemeinsam: An der Oberhausener Anne-Frank-Realschule ist die Integration von Förderschülern ein Erfolg.

Oberhausen. 

Wuseliges Durchein­ander in der Klasse 6 d an einem Mittwochmorgen – bis die Lehrerin wortlos auf ein grünes Schild an der Tafel zeigt. Die Kinder stehen unter lautem Gemurmel auf. Plötzlich wird es ruhiger, als sie auf das zweite, gelbe Schild zeigt. Ihre Hand landet schließlich auf dem dritten, roten Schild. Es wird mucksmäuschenstill. Dann erschallt es wie aus einem Munde: „Guten Morgen, Frau Eichholz, guten Morgen Frau Thum.“

Melanie Thum ist die Sonderpädagogin in dieser inklusiven Klasse. Sie gehört zu den tatkräftigen Unterstützern des inklusiven Un­terrichts. Gemeint ist der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülern.

Pro Schüler mit Förderbedarf ist ein Zuschlag von 0,1 Lehrerstellen vorgesehen. In der Praxis sieht das so aus: „Etwa 60 Prozent des inklusiven Unterrichts können wir in einer Doppelbesetzung anbieten“, sagt Schuldirektorin Ursula Niemann. Einige Kinder haben zusätzliche Integrationshelfer, so wie etwa der sehbehinderte Filippo Cerasuoli, an ihrer Seite, die ihnen dabei helfen, den Schulalltag zu bewältigen. Diese bilden zusammen mit den Sonderpädagogen – als „Helferlein“ der Inklusion – das Grundgerüst des gemeinsamen Unterrichts.

Förderschüler nicht zu unterscheiden

Wer hat Lernschwächen, eine geistige Behinderung oder einen emotionalen Förderbedarf?

Mit einem schweifenden Blick durch die sechste Klasse der Oberhausener Anne-Frank-Realschule bleibt die Frage an diesem Morgen zunächst unbeantwortet. „Die vier Förderschüler lassen sich nicht von den Regelschülern unterscheiden“, verrät Niemann.

Die Klassenlehrerin liest die Fabel von dem Hasen vor, der im Wettrennen gegen eine Schildkröte antritt. Anschließend müssen die Schüler einen Tagebucheintrag aus Sicht einer der beiden Kontrahenten schreiben.

Sonderpädagogin ist für alle da

„Die Fragen zu der Geschichte sind offen gehalten“, sagt Niemann, so könne jeder Schüler unterschiedlich differenziert seine Antworten dazu aufschreiben. Im Englischunterricht könnten Förderschüler selbst in der achten Klasse noch problemlos folgen. In Mathe drifte das Leistungsspektrum schon früher auseinander.

In der Klasse 6 d geht Sonderpädagogin Melanie Thum von einem Schüler zum nächsten und hilft. Nicht nur die Förderschüler profitieren von ihr. „Sie ist für alle da. Hier sind die Kinder auch nicht separiert, sondern bunt gemischt“, erklärt die Schulleiterin. Freundschaften entstünden so querbeet.

Im Klassenraum schreiben alle konzentriert ihre Tagebuch-Notizen. Nur einer weigert sich. Weder lautstark noch offensichtlich – der Schüler schreibt einfach nichts. „Emotional und sozial auffällige Kinder zu integrieren ist schwer, weil sie sich oft nicht gemeinschaftsfördernd verhalten“, so Niemann.

„Inklusion finktioniert hier“

Ihre Schule sei mit fünf Sonderpädagogen, mit denen der Doppelunterricht gestaltet wird, zwar relativ gut aufgestellt, aber es fehlt ihr der Fachmann mit dem Förderschwerpunkt auf emotionaler und sozialer Entwicklung. Trotz dieses Mangels könne man über die Hälfte des inklusiven Unterrichts mit Inklusionshelfern, sprich Sonderpädagogen, gestalten.

Die Tagebucheinträge sind nun geschrieben, die Kinder tragen ihre Eindrücke von dem ungleichen Wettkampf zwischen Hase und Schildkröte vor. Genau wie die anderen Kinder arbeiten auch die För­derschüler emsig daran, die Fragen zu der Fabel zu beantworten. Das Schreiben fällt ihnen leicht.

„Es gibt Kinder, aus denen wir hier ganz viel rauskitzeln, was man in der Förderschule nicht erreichen kann. Die Sonderpädagogen sind erstaunt, was die Kinder hier lernen“, sagt Niemann.

Von den rund 450 Schülern der 5. bis 8. Klasse gehen derzeit 24 mit inklusivem Hintergrund auf die Oberhausener Realschule. Das bisherige Fazit von Niemann: Die Inklusion funktioniert hier. Aber ganz ohne Förderschulen wird es nicht gehen. „Manche Kinder sind an Förderschulen besser aufgehoben“. Auch gebe es noch nicht viele Schulen, die den inklusiven Unterricht bereits in der 9. oder 10. Klasse erprobt hätten.