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NRW-Regierung sieht in Zuwanderung eine Erfolgsgeschichte

NRW-Regierung sieht in Zuwanderung eine Erfolgsgeschichte

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Foto: WAZ FotoPool
Der neue NRW-Staatssekretär für Integration, Thorsten Klute, sagt, er wolle das Probleme der Armutsflüchtlinge in den Großstädten des Landes nicht leugnen. Ja, es gebe einen „Arbeiterstrich“. Im Interview betont der SPD-Politiker aber mehr Chancen als Risiken.

Düsseldorf. 

Die CSU hat die Debatte über die Armutszuwanderung mit der Formel „Wer betrügt, der fliegt“ deutlich zugespitzt. Ist das wirklich nur eine künstliche Aufregung, wenn man auf die Probleme in Städten wie Duisburg und Dortmund blickt?

Klute: Ich rate zur Besonnenheit, weil in der Zuwanderung mehr Chancen als Risiken stecken. Vieles wird mit Blick auf die Europawahl zu populistisch betrachtet. Vielleicht wird das in einigen Monaten gelassener diskutiert.

Aber die Probleme in einigen Städten sind doch da?

Klute: Die Probleme der Integration bildungsferner Gruppen vor allem in einigen Großstädten sind nicht zu leugnen und müssen mit praktischer Hilfe von EU, Bund und Land gelöst werden. NRW hat als Soforthilfe 7,5 Millionen Euro zur besseren Integration bewilligt.

Brauchen die betroffenen Städte nicht erheblich mehr finanzielle Hilfen?

Klute: Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht vor, dass Städte mit hoher Armutszuwanderung stärker unterstützt werden. Ich erwarte, dass die von Armutszuwanderung besonders betroffenen Kommunen erheblich entlastet werden. Gegen die Überbelegung von Wohnraum wird das Bauministerium einschreiten und eine Mindestgröße von neun Quadratmetern Fläche für jeden Erwachsenen festschreiben, damit Kommunen gegen unseriöse Vermieter vorgehen können.

Berichte vom „Arbeiterstrich“ im Ruchgebiet

Konkret – wie lässt sich die schwierige Gruppe der Roma integrieren?

Klute: Wir sollten die Diskussion möglichst abseits der ethnischen Zugehörigkeit der Zuwanderer führen. Schulbildung und die Qualifikation für den Arbeitsmarkt sind ganz wichtige Projekte. Hier ist NRW mit Integrationsstellen an Schulen vor allem in den besonders betroffenen Stadtteilen und mit Integrationslotsen aktiv.

Trifft es zu, dass es in einigen NRW-Städten einen „Arbeiterstrich“ gibt?

Klute: Dem Ministerium liegen Berichte über einen „Arbeiterstrich“ in einzelnen Städten vor allem im Ruhrgebiet vor. Es scheint so zu sein, dass in anderen Regionen mehr qualifizierte Zuwanderung stattfindet, während in Nordrhein-Westfalen viele gering Qualifizierte zuwandern.

Wie lässt sich der Sozialmissbrauch eindämmen?

Klute: Die geltende Rechtslage sieht vor, dass EU-Bürger, die einreisen, ohne eine Arbeit anzutreten, grundsätzlich keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Der Europäische Gerichtshof wird nun Klarheit schaffen, ob diese Regelung weiter gilt. Ich rate zum Abwarten und sehe keinen Handlungsbedarf, vor einem Urteil politisch tätig zu werden.

Eine Erfolgsgeschichte

Rechnen Sie mit einer Verschärfung der Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien durch die seit 1. Januar geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit?

Klute: Es werden auch in Zukunft Menschen zuwandern. Wer Armutszuwanderung wirklich bekämpfen will, muss die Not in den Herkunftsländern beseitigen. Wir müssen uns fragen, warum in diesen Ländern vorhandene EU-Mittel zur Armutsbekämpfung nicht vollständig abgerufen werden. Hier ist die EU gefragt. Ich werde deshalb nach Brüssel fahren und Gespräche führen. Zudem möchte ich mir in den Herkunftsländern ein Bild von der Situation vor Ort machen.

Was erwarten Sie von der Staatssekretärsrunde im Bund?

Klute: Von der Staatssekretärsrunde, auf die sich Merkel und Gabriel verständigt haben, erwarte ich eine Versachlichung der Diskussion. Alle Befürchtungen über Zuwanderungswellen, die es vor der ersten EU-Osterweiterung 2004 gegeben hat, als unter anderen Polen und die Slowakei beigetreten sind, sind nicht eingetreten. Vielmehr war die Zuwanderung eine Erfolgsgeschichte. Deutschland braucht in den kommenden Jahren Zuwanderung. Vor einem Rückfall in die ideologischen Grabenkämpfe der 90er-Jahre kann ich nur warnen.