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Diebe stehlen tausende Patientenakten aus Klinik-Kellern

Diebe stehlen tausende Patientenakten aus Klinik-Kellern

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Blick in den Aktenschrank im Rathaus der Stadt Duisburg Foto: Christiane Dase (Symbolbild)
Schon mehrfach haben Diebe Patientenakten aus insolventen Krankenhäusern gestohlen. NRW-Behörden beobachten das mit Sorge, können aber wenig tun.

Düsseldorf. 

Zahlreiche Krankenhäuser in Deutschland sind pleite und haben dicht gemacht. Fast jede sechste Klinik ist von einem Konkurs bedroht. Das wirft ein bisher unbekanntes Problem auf: Zehntausende von Patientenakten mit sensiblen persönlichen Gesundheitsdaten lagern schon heute in den Kellern von insolvent gegangenen, geschlossenen Kliniken. Sie sind teilweise nur schwach gesichert und waren auch schon den Raubzügen von Einbrechern ausgesetzt.

Unter Landes- und Kommunalpolitikern in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen und Hessen wächst nach mehreren Einbrüchen die Unruhe. Denn es gibt keine gesetzliche Regelung, wie mit diesen Unterlagen umzugehen ist. Das Düsseldorfer Gesundheitsministerium drängt jetzt auf eine schnelle bundeseinheitliche Gesetzgebung, wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Landtags-CDU hervorgeht. Allerdings sind schon vier Gespräche ohne Ergebnis geblieben.

Brachiale Gewalt bei Einbruch in Meschede

Wie schon zweimal zuvor knackten Einbrecher erst wieder in diesem Juni den Aufbewahrungsraum der Patientenakten in der seit sechs Jahren leer stehenden Veramed-Klinik im sauerländischen Meschede. Sie gingen dabei „mit brachialer Gewalt“ vor, wie die Polizei sagte. In dem Krankenhaus werden alleine 3000 bis 4000 Akten früherer Patienten aufbewahrt. Bei der Entdeckung des Einbruchs lagen die Akten verstreut im Raum. Ob Unterlagen gestohlen wurden, ist kaum nachzuvollziehen.

Auch rund 170 Regalmeter Patientenakten einer vor drei Jahren geschlossenen Klinik im niedersächsischen Uslar bei Northeim waren inzwischen das Ziel von Einbrechern. Wie in Meschede ist die Aufregung in der Stadt seither groß. Uslars Bürgermeister wie auch der Landrat des Hochsauerlandkreises haben inzwischen versucht, Maßnahmen zur „Gefahrenabwehr“ zu ergreifen und die Akten zu retten. „Sowohl die Räumlichkeiten der Veramed-Klinik sowie die Patientenakten sind inzwischen durch den Hochsauerlandkreis wieder gesichert worden“, versichert das NRW-Gesundheitsministerium.

Sicherung der Akten ist aufwändig und teuer

Doch das tun die lokalen Behörden auf eigenes Risiko. Rechtlich und praktisch sind den Politikern die Hände gebunden. Die Akten gehören ihnen nicht. Stehen die Ex-Kliniken wie an diesen beiden Orten unter Insolvenzrecht, ist ausschließlich der Insolvenzverwalter zuständig. Eine Sicherung des umfangreichen Datenbestandes ist aber teuer und kostet je nach Umfang des Archivs hunderttausende Euro – Geld, das der Insolvenzverwalter nicht aus der übrig gebliebenen finanziellen Substanz zahlen darf oder auch, weil gar keine Substanz mehr da ist.

Auf drängende Fragen des Landes Brandenburg, das ebenfalls mit solchen Fällen konfrontiert ist, bestätigte inzwischen die Deutsche Krankenhausgesellschaft in einer rechtlichen Stellungnahme, dass Patienten in der Regel noch über 30 Jahre Anrecht auf Schutz ihrer Daten haben. „Bei der Schließung eines Krankenhauses werden die gesetzlich vorgesehen Aufbewahrungsfristen nicht unterbrochen“, dies gelte auch bei Insolvenzen. Notfalls könnten Geschädigte den alten Betreiber der Klinik oder auch verantwortliche Ärzte auf Schadenersatz verklagen.

Notfalls über den Bundesrat

Das Düsseldorfer Gesundheitsministerium ärgert sich über das vorläufige Scheitern seines Vorstoßes in Berlin. Es sieht auch die verstreichende Zeit „kritisch“: „Das Bundesministerium für Gesundheit sieht keinen Handlungsbedarf zur Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung“. Eine „praktische bundesweite Relevanz“ des Themas nehme jedoch zu, heißt es in NRW. Man versuche, Länder-Konsens zu erzielen und notfalls über den Bundesrat ein Gesetz durchzubringen.