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Die Anwälte Stahl, Sturm und Heer verteidigen Beate Zschäpe

Die Anwälte Stahl, Sturm und Heer verteidigen Beate Zschäpe

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Foto: Jacob Studnar/WAZFotoPool
Am kommenden Mittwoch beginnt der Prozess um die mutmaßliche Rechtsterroristin, die mit verantwortlich sein soll für den Mord an neun Migranten. Für ihre Anwälte steht die Anklage allerdings auf „tönernen Füßen“. Es gebe keine Beweise für die Hypothese, Zschäpe sei gleichwertiges Mitglied des NSU und in die mörderischen Planungen eingeweiht gewesen.

München. 

Sie verstehen sich sichtlich gut. So gut, dass sie im Münchener Restaurant Orlando sogar die gleichen Spaghetti bestellen: „Dreimal Aglio Olio. Aber schön scharf, mit viel Knoblauch!“ Es ist zehn Uhr abends geworden, bis sie endlich zum Essen kommen und parallel noch ein Interview führen müssen. Die Tage von Wolfgang Stahl, Anja Sturm und Wolfgang Heer sind tatsächlich lang und prall gefüllt mit Arbeit. Die drei Rechtsanwälte vertreten Beate Zschäpe, die einzige Überlebende der Terror-Truppe NSU.

Und so martialisch wie ihre Namen klingen, Stahl, Sturm und Heer, so energisch und eloquent stürzen sie sich auch in diesen Prozess, den sie für einen der „bedeutendsten der deutschen Nachkriegsgeschichte“ halten. „Ein extrem spannendes Mandat!“, sagt Anja Sturm, die Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt. Wie ihre Kollegen reist sie künftig jeden Montag von Berlin nach München, um Zschäpe zu verteidigen. 85 Prozesstage hat das Oberlandesgericht angesetzt. Bislang, muss man wohl betonen. Immer dienstags, mittwochs und donnerstags. „Wir werden unser halbes Leben hier verbringen. Dabei gibt es natürlich auch noch andere Mandate!“, sagt Wolfgang Heer.

Ein Mammut-Prozess

Es wird ein Mammut-Prozess werden. Einer, der international so kritisch beobachtet wird wie kaum einer zuvor. Wie geht das deutsche Gericht mit der mutmaßlichen Rechtsterroristin um, mit jener Frau, die laut Anklage mitverantwortlich sein soll für den Tod von acht türkischen und einem griechischen Migranten sowie einer jungen deutschen Polizistin?

Die Anklage hat ein genaues Bild von ihr, der 38-Jährigen, die zusammen mit ihren Lebenspartnern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund lebte und 14 Jahre lang Deutschland von rechts terrorisiert haben soll. Zehn Morde, zwei Nagelbombenanschläge und 15 Raubüberfälle werden dem Trio vorgeworfen. Beate Zschäpe freilich soll nicht selbst getötet haben, sondern laut Anklage an den Planungen beteiligt gewesen sein. Vor allem aber soll sie den Männern eine bürgerliche Fassade, einen „sicheren Rückzugsraum“ geboten ha­ben.

Gleichwertiges Mitglied der NSU?

„Niemand behauptet, dass sie selbst getötet hat. Aber es mutet doch merkwürdig an, wenn das Krümmen des Zeigefingers an ei­ner Pistole durch Böhnhardt und Mundlos gleichgesetzt wird mit dem, was Frau Zschäpe gemacht haben soll, nämlich den beiden ei­nen Rückzugsraum zu schaffen“, sagt Wolfgang Heer. Für ihn wie seine zwei Kollegen steht die Anklage gegen Zschäpe auf „tönernen Füßen“. Es gebe schlicht keine Beweise für die Grundhypothese, Zschäpe sei gleichwertiges Mitglied des NSU und in die mörderischen Planungen eingeweiht gewesen.

Wie sie selbst ihre Mandantin sehen, darüber wollen die Anwälte nichts sagen. Schließlich haben sie auch ihr angeraten zu schweigen. Vor den Ermittlern und vor Gericht. Umso lieber sprechen sie über die Beweise, die die Generalbundesanwaltschaft gegen Zschäpe anführt. So soll diese sich ganz in der Nähe des Tatortes aufgehalten haben, als am 9. Juni 2005 Halit Yozgat erschossen wurde, der 21-jährige türkische Betreiber eines Nürnberger Internetcafés.

„Ein unglaublicher Druck“

„Es gibt eine Zeugin, die Beate Zschäpe in einem nahen Edeka-Markt erkannt haben will. Allerdings nicht sofort. Direkt nach der Tat wurde sie zweimal vernommen. Aber erst 2012 sagt sie den Ermittlern, Zschäpe habe vor ihr an der Kasse gestanden. Da war das Foto unserer Mandantin täglich in den Medien zu sehen“, so Heer.

„Die Anklage ist das Ergebnis von Ermittlungen, auf denen ein unglaublicher Druck lastete“, sagt Anja Sturm mit Hinweis auf eine „Vielzahl von Kommunikationspannen“ zwischen den Behörden, die in Laufe der Zeit bekannt wurden. Sturm hat erst im August ihr Mandat als dritte Pflichtverteidigerin Zschäpes übernommen, „weil zwei Anwälte mit der großen Zahl der Delikte und den Aktenbergen von rund 500.000 Seiten überfordert wären“.

Erfahrene Strafrechtler

Wie ihre beiden Kollegen gilt die 42-Jährige als erfahrene Strafrechtlerin, in Mordfällen wie in Wirtschaftsverfahren. „Es ist meine Stärke, einen guten Draht zu Menschen herstellen zu können“, sagt Anja Sturm. Zschäpe, die zurzeit in der JVA München-Stadelheim einsitzt, werde von ihnen regelmäßig besucht, man telefoniere und maile häufig miteinander. Man habe ein „vertrauensvolles Verhältnis“ aufgebaut.

Zwölf Uhr, das Bett im nahen Münchener Hotel lockt. Dort wollte man keine Interviews, keine Fotos, nicht den guten Namen mit dem Terror in Verbindung gebracht sehen. Wolfgang Stahl spürt manchmal Ressentiments im eigenen Bekanntenkreis, ein waberndes „Bist Du Dir dafür nicht zu schade?“. „Aber“, sagt er, „die kennen die Akten nicht. Das ist das Ergebnis immenser Vorverurteilung.“