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Pogo und Pilstrinker – Skurrile Spaß- und Splitterparteien

Pogo und Pilstrinker – Skurrile Spaß- und Splitterparteien

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Wolfgang Wendland in Bochum Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services
Bernd Lucke tritt aus der AfD aus und kokettiert mit der Neugründung einer Partei. Ein Streifzug durch die Polit-Landschaft abseits der Arrivierten.

Essen. 

Am Freitag tritt Bernd Lucke aus der AfD aus – jener Partei, die er 2013 mitbegründet hat und die ihn beim jüngsten Parteitag in Essen vom Hof jagte. Nun sinniert der 52-Jährige Volkswirt offenbar über die Gründung einer neuen Partei. Für uns Anlass, einmal die teils skurrile deutsche Polit-Landschaft abseits der etablierten Volksparteien zu beleuchten. Hier einige ausgewählte „Alternativen für Deutschland“, die es einst gab oder heute noch gibt.

Deutsche Biertrinker-Union (DBU)

Die Deutsche Biertrinker-Union gründete sich 1990 im letzten Jahr des Bestehens der DDR in Rostock und gilt als erste deutsche „Spaßpartei“. Im Ernst: Bei den ersten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern brachte es die DBU auf 0,6 Prozent und damit ein Mandat in Rostock. Ihre Bedeutung ist zwar gering, ihre Ziele dafür umso hehrer: Das erste Wahlprogramm versprach vollen Einsatz für die Einhaltung des deutschen Reinheitsgebotes, für staatlich subventionierte Bierpreise und – die Aufhebung der Sperrstunde.

Die gab es bis vor zehn Jahren nicht nur in Großbritannien, in Sachsen-Anhalt etwa wurde die landesweite Sperrstunde erst zu Beginn dieses Jahres abgeschafft. In Nordrhein-Westfalen galt sie bis 2001. Der jüngste Facebook-Eintrag der DBU datiert vom 31. Dezember 2014. Die Botschaft: in der Silvesternacht bitte lieber Bier als Sekt trinken.

PRO DM (Partei Pro Deutsche Mitte – Initiative Pro D-Mark)

Weniger spaßig ging es bei PRO DM zu. Im Jahr 1998 von Verleger Bolko Hoffmann gegründet, schrieb sich die als rechtspopulistisch geltende Partei Pro Deutsche Mitte den Kampf gegen die Einführung des Euros auf die Fahnen. 2003 schloss sich ihr der ehemalige Hamburger Innensenator Ronald Schill, zu zweifelhaftem Ruhm gelangt als „Richter Gnadenlos“ und Big-Brother-Haus-Bewohner, an. Fernseh-Satiriker Oliver Kalkofe parodierte seinerzeit einen Wahlwerbespot mit Hoffmann in der Hauptrolle: „Wir sind die letzte Chance, den doofen Euro kaputtzumachen. Wir von Pro Ostmark sind nicht mehr zu retten, die D-Mark vielleicht schon.“ Die D-Mark war genauso wenig zu retten wie die Partei selbst: Nach dem Tode Bolko Hoffmanns im Jahr 2007 löste sie sich auf.

APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands)

Der „Anwalt des Pöbels und der Schmarotzer“ ist beinahe gänzlich von der politischen Bühne Deutschlands verschwunden, darf aber hier auf keinen Fall fehlen. 1981 durch die Hannoveraner Studenten „Zewa“ und „Kotze“ aus der Taufe gehoben und in den Folgejahren mehrmals neugegründet, lehnen die Parteimitglieder, die „Kamernossen“, den deutschen Nationalstaat ab. Die „Neugliederung Deutschland“ mittels der „Balkanisierung“ in „Pogo-Zonen“ steht auf der Agenda, ebenso wie das Recht auf Arbeitslosigkeit bei vollem Lohnausgleich. Da auch „Nazis, Gewalttäter, Schwerkriminelle und sonstige Psychopathen ein Anrecht auf ein erfülltes und glückliches Leben“ haben, empfehlen die Parteiführer als Alternative zu herkömmlichen Gefängnissen die Einrichtung von abgeschotteten „Gewalterlebnisparks“. Das Parteiorgan „Armes Deutschland“ führt tiefer in die Materie ein.

Aufsehen erregte die APPD im Bundestagswahljahr 2005, als der WDR durch deren Wahlwerbespot „die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer gefährdet“ sah. Erst eine deutlich entschärfte Fassung wurde ausgestrahlt. Kanzlerkandidat war damals im Übrigen Wolfgang „Wölfi“ Wendland, Frontmann der Wattenscheider Punk-Band „Die Kassierer“ und aktuell Kandidat für den Posten des Bochumer Oberbürgermeisters. Vor der Bundestagswahl 2009 verneinte der Bundesauswahlausschuss die Parteieigenschaft der APPD, sie durfte seitdem nicht wieder antreten.

Deutsche Bank und Commerzbank wollen den Kommunisten kündigen 

Deutsche Fortschrittspartei (DFP)

Wenn der Name Programm ist: Als echter Fortschritt für Deutschland lässt sich zweifellos die Gründung der ersten Programm-Partei im Jahr 1861 bezeichnen. Das Jahr also, in dem unter Reichskanzler Otto von Bismarck der Verfassungskonflikt schwelt, der Engländer Thomas Sutton die Spiegelreflexkamera erfindet, Russland seine Bauern befreit und Abraham Lincoln zum US-Präsidenten gewählt wird, während sein Land in den Bürgerkrieg schlittert. Bis 1871 leitete der linksliberale Wilhelm Loewe das Zentralwahlkomittee der DFP.

Das Gründungsprogramm scheint zeitlos: Dort ist die Forderung nach unabhängigen Richtern und Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften ebenso verankert wie die nach Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und Abschaffung der Abhängigkeit der Staatsanwaltschaft von der Regierung. Letzteres ist bis heute nicht geschehen. Den Höhepunkt ihrer politischen Bedeutsamkeit erlebte die DFP bei der Reichtagswahl 1881, als sie im ersten Wahlgang auf 12,7 Prozent der Stimmen kam. 1881 fusionierte die DFP mit der Liberalen Vereinigung zur Deutschen Freisinnigen Partei.

MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands)

Die linksextreme MLPD ging 1982 in Bochum aus dem Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands hervor und hat sich wie zu erwarten dem „Sturz der kapitalistischen Herrschaft und dem Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung“ verschrieben, wie es im Parteiprogramm heißt. Die Idee, dass „Frauen systematisch in alle Bereiche der gesellschaftlichen Produktion und Verwaltung einbezogen werden“ müssen, kommt an: 43 Prozent der bundesweit etwa 1800 Mitglieder sind nach Angaben der Partei weiblich.

Von sich reden machte die MLPD, als sie 2010 gegen die Deutsche Bank vor Gericht zog. Das größte Kreditinstitut Deutschlands hatte versucht, der radikalen Partei Spendenkonten zu kündigen. Erst kurz vor der Hauptverhandlung lenkte der Banken-Riese ein. Die Commerzbank hatte schon ein Jahr zuvor versucht, dem MLPD-Vorsitzenden Stefan Engel und seiner Lebensgefährtin die Privatkonten zu kündigen. Auch diese Sache fand den Weg vor den Richter – ebenfalls zu Gunsten der kommunistischen Kleinpartei, deren Vermögen sich damals nach eigenen Aussagen auf stolze 15 Millionen Euro belief.

Die PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative)

Sie darf in dieser Auswahl nicht fehlen: Die PARTEI, gegründet im Jahr 2004 von den Redakteuren des Satire-Magazins „Titanic“ und unter ihrem heutigen Vorsitzenden Martin Sonneborn seit 2014 mit Sitz im Europa-Parlament. Sonneborn versucht seitdem, die Partei-Position „Ja zu Europa, Nein zu Europa“ durchzusetzen und schildert in seinem „Bericht aus Brüssel“ in regelmäßigen Abständen seine ganz persönlichen Eindrücke. Wie lange noch, darüber lässt der Journalist seine Wähler im Dunkeln: „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich für die komplette Legislaturperiode von fünf Jahren für diesen – gut dotierten – Irrsinn zur Verfügung stehe.“