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Der Terror der letzten Kriegswochen

Der Terror der letzten Kriegswochen

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Westfalenpost Lokalred. Hagen Kleinrensing Foto: Michael Kleinrensing
Erschießungen im Dortmunder Rombergpark, Todesmärsche und rücksichtslose Vernichtung. In der Kriegsendphase entstand ein Klima, das zu einer Brutalisierung breiter Bevölkerungsschichten beitrug.

Ruhrgebiet. 

Von Norden und Süden näherten sich die US-Truppen, vom Himmel hagelte es Bomben, und so desolat die Lage der Menschen auch war, der Terror des NS-Regimes kannte selbst in dieser Situation kein Erbarmen. Im April ‘45 befahl der Reichsführer SS, Heinrich Himmler: „Jedes Dorf und jede Stadt werden mit allen Mitteln verteidigt und gehalten“. Wer dagegen verstieß, solle „Ehre und Leben“ verlieren.

Ob es die vom Rheinland ins Ruhrgebiet flüchtenden ausländischen Arbeitskräfte waren, KZ-Insassen in den Außenlagern im Ruhrgebiet, Soldaten ohne Papiere oder Menschen, die in der Not der letzten Kriegswochen ihre Meinung sagten, sie alle durften erschossen werden.

Standgerichte verurteilten zum Tode

Noch am 7. April, wenige Tage vor der Befreiung Essens, wurden im Stadtteil Borbeck ein 17- und ein 21-jähriger Soldat von einem Nachbarn als Deserteure denunziert und festgenommen. Ein Standgericht verurteilte die beiden zum Tode.

In Oberhausen hatten Bewohner einer nahe der Autobahn gelegenen Siedlung am 26. März weiße Fahnen gehisst, um den alliierten Truppen zu zeigen, dass keine Soldaten mehr im Gebiet waren. Angehörige des Volkssturms nahmen in einem Bunker sechs Männer fest. Sie prügelten und traten die Festgenommenen, brachten zumindest zwei von ihnen zum Gefechtsstand der Polizei. SS-Obergruppenführer Karl Gutenberger ließ zwei von ihnen noch am selben Tag erschießen.

Walter Model gab die Linie vor

Parallel dazu fanden die Todesmärsche statt, bei denen KZ-Häftlinge aus den Außenlagern auf Fußmärschen Richtung Bergen-Belsen und Buchenwald getrieben wurden. 2000 sollen es allein aus Essen und Bochum gewesen sein. Getötet wurden inhaftierte NS-Gegner wie ausländische Zwangsarbeiter. Im Dortmunder Rombergpark, in der Bittermark und anderen Orten der Stadt erschoss die Gestapo zwischen dem 7. März und 9. April mehr als 250 Menschen. Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, Walter Model, aber auch der südwestfälische Gauleiter Albert Hoffmann waren informiert, hatten die Linie vorgegeben.

„In der Kriegsendphase entstand ein Klima, das zu einer Brutalisierung und Radikalisierung breiter Bevölkerungsschichten beitrug, in den Reihen . . . der Gestapo und der Sicherheitspolizei aber zu einer rücksichtslosen Vernichtungspraxis“, so der Hagener Historiker Ralf Blank.

Hoffmann plante seine Flucht

Gauleiter Albert Hoffmann propagierte den Kampf bis zum Letzten, ließ noch Ruhrbrücken sprengen, bereitete gleichzeitig seine Flucht vor. „Im Oktober wird Hoffmann in Hameln als Landarbeiter von der Feldpolizei festgenommen!“, so Ralf Blank. Und auch Walter Model, der sich später das Leben nahm, strickte noch an der Legende, er habe mit Rüstungsminister Albert Speer den Nero-Befehl Hitlers, die Zerstörung auch des Ruhrgebiets sabotiert.