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Das Ruhrgebiet als Nährboden rechtsextremer Gewalttäter

Das Ruhrgebiet als Nährboden rechtsextremer Gewalttäter

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Das Schweigen von Zwickau
Staatsschützer warnen vor neuen Formen rechtsextremistischer Gewalt. Es müsse auch mit Einzeltätern oder Kleinstgruppen gerechnet werden, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden.

Wiesbaden. 

Ein Jahr nach dem Auffliegen der Mordtaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) versuchen rechtsextreme Gruppierungen sich neu aufzustellen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundesanwaltschaft schauen besonders besorgt nach Nordrhein-Westfalen. Sie fürchten, dass im Ruhrgebiet unter dem Deckmantel einer neuen Partei ein neuer „Nährboden“ für fremdenfeindliche Gewalt entsteht.

In Visier der Staatsschützer: Die im Mai in Dortmund gegründete „Die Rechte“ des Rechtsextremen Christian Worch, der ein führender Vertreter der Gruppe der gewaltbereiten „Autonomen Nationalisten“ ist. Worch hat die Partei nach dem Verbot der „Kameradschaft Nationaler Widerstand Dortmund“ und der „Kameradschaft Hamm“ durch NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ins Leben gerufen.

Entwicklung bei den Autonomen Nationalisten „besorgniserregend“

„Die Entwicklung bei den Autonomen Nationalisten ist besorgniserregend“, sagte Generalbundesanwalt Harald Range auf der Jahrestagung des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden. Sie würden versuchen, Ermittlungen des Generalbundesanwalts zu umgehen, der bei organisierten Gruppen zuständig ist. Range zitierte den ihm vorliegenden Bericht eines Aussteigers aus der Szene. Danach „gibt es in der Gruppe klare Hierarchien. Nach außen aber soll alles ungeordnet sein“. Range mutmaßt: „Die straffe Hierarchie darf für die Polizei nicht erkennbar sein“.

Der Generalbundesanwalt glaubt, dass die heutige Organisation der Sicherheitsbehörden in Deutschland mit den neuen terroristischen Herausforderungen von Rechts nicht Schritt halten kann. Der Gesetzgeber müsse handeln. So sei es der Bundesanwaltschaft durch die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes untersagt, bei einem klar ausländerfeindlichen Brandanschlag wie auf das „Asia-Haus“ in Sachsen-Anhalt, wo Kinder nur knapp davongekommen seien, zu ermitteln. Der Vorfall sei laut BGH „nicht bedeutend“ und habe „wenig Medienecho“ hervorgerufen. Range: „Das zwingt uns zu großer Zurückhaltung“.

Gewalttätiger Rechtsextremismus nimmt zu

Dabei nimmt der gewalttätige Rechtsextremismus zu. Nach dem Ende der „Zwickauer Zelle“ und der Mordanklage gegen die verbliebene Verdächtige Beate Zschäpe hält auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) weitere rechtsextreme Terroranschläge für möglich. „Wir müssen das in Betracht ziehen“. Eine inzwischen 6000 Köpfe starke neonazistische Szene, die Ausstattung der Extremisten mit Waffen und Sprengstoff und eine feststellbare zunehmende Radikalisierung deuteten darauf hin.

BKA-Chef Jörg Ziercke sieht das so: Von den jährlich 17 000 rechtsextremen Strafttaten seien 800 Gewaltdelikte, und „täglich zwei bis drei Gewalttaten“ der rechtsextremen Szene seien nicht hinnehmbar. In diesem Jahr habe es schon fünf versuchte Tötungsdelikte mit rechtem Hintergrund gegeben, sagte er – so viel wie im ganzen letzten Jahr.

Türkische Gemeinde ist „sehr verunsichert und besorgt“

Der türkische Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karsioglu, hat auf der Wiesbadener Tagung in einem bewegenden Vortrag die Gefühle der türkischen Gemeinschaft in Deutschland geschildert und zu mehr Toleranz aufgerufen. Er habe bei Gesprächen auf Veranstaltungen, in den Wohnvierteln und in Moscheen erfahren, dass die Türken nach der Mordserie der NSU, bei der zwischen 2000 und 2007 acht Türken starben, „sehr verunsichert und besorgt“ seien über „das schreckliche Ausmaß der Bedrohung in Deutschland“. Sie verspürten mehr Traurigkeit als Wut. Die türkische Gemeinschaft in Deutschland wolle hier bleiben. Aber: Ein „transparenter und zügiger Abschluss der Untersuchungen“ sei „von größter Bedeutung“.