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Brötchen, Spinat, Apfelsaft– alles kommt aus China

Brötchen, Spinat, Apfelsaft – alles kommt aus China

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Foto: Reuters/David Gray
Immer mehr Lebensmittel aus China werden in Deutschland konsumiert. Nach der Brechdurchfall-Epidemie – ausgelöst durch chinesische Erdbeeren – wird verstärkt auf die Hygiene und Qualität der Produkte geguckt. Ein Ende der Lebensmittelimporte aus Fernost ist nicht in Sicht.

Peking/Essen. 

Nach der Brechdurchfall-Epidemie, die durch chinesische Erdbeeren in Ostdeutschland ausgelöst worden war, beginnt eine Debatte über die Lebensmittelsicherheit in der Volksrepublik. Denn gerade in China werden nahezu wöchentlich Qualitätsskandale bekannt. Die Folge: Die meisten Chinesen trauen den Produkten aus ihrem eigenen Land nicht mehr. Wer es sich in Städten wie Peking und Schanghai leisten kann, kauft in Geschäften mit Milch und Joghurt aus dem Ausland.

Die Qualitätsprobleme wiegen umso schwerer, als Lebensmittel aus China allmählich den deutschen Markt überschwemmen. Nicht nur tiefgefrorene und gezuckerte Erdbeeren für Marmelade kommen zum größten Teil aus China, sondern auch das Gros von Apfelsaftkonzentrat, das hierzulande verarbeitet wird, sowie im vergangenen Jahr
282 Millionen Teigrohlinge, die in Deutschland von Bäckerketten zu Brötchen aufgebacken wurden. Aber auch Dosenmandarinen, Knoblauchknollen und Blattspinat in Supermärkten stammen zum großen Teil aus der Volksrepublik.

China setzt oft noch auf problematischen Jauchedünger

Der aktuelle Norovirus-Befall der Erdbeeren ist zwar kein spezifisches Problem Chinas. Obst und Gemüse aus der Volksrepublik seien aber wegen des Einsatzes von Jauche-Dünger anfälliger als Produkte aus EU-Anbau. Nach Einschätzung des Landwirtschaftsexperten Liu Xiaojing handelt es sich bei den chinesischen Obstbauern meist um kleine Betriebe, die sich keine hochwertigen Düngemittel leisten können und deshalb weiter auf Fäkalien setzen.

Der chinesischen Führung sind die Probleme durchaus bewusst. Sie hat bereits strengere Lebensmittelverordnungen erlassen, die sich mit denen in den EU-Ländern durchaus messen können. Es hapert allerdings an der Umsetzung.

Derzeit gehen die EU-Behörden, die die Brechdurchfall-Epidemie in Ostdeutschland untersuchen, nach WAZ-Informationen einer heißen Spur nach: Danach könnten die Noroviren über einen infizierten Mitarbeiter in das Waschwasser und damit in die Erdbeeren gelangt sein. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt kündigte am Mittwoch Vorermittlungen gegen die Cateringfirma Sodexo an, ob es Hinweise „in Richtung Körperverletzung“ gebe. Sodexo hatte die mit Noroviren belasteten chinesischen Erdbeeren zu Kompott verarbeitet. Über 11.000 Schüler waren daran erkrankt.

China auf deutschen Tellern 

Doch nicht nur die Rohstoffe für „deutsche“ Erdbeermarmelade stammen aus China. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2011 in 34 Nahrungsmittelbereichen Importe: Darunter 862 Tonnen Milchprodukte, 1647 Tonnen Reiserzeugnisse oder 10 277 Tonnen frisches Gemüse. Butter, Käse oder Weizen- und Gerstekörner werden hingegen nicht mehr eingeführt. Welche Mengen importiert werden, zeigt das Beispiel der Brötchen-Rohlinge.

2011 wurden etwas mehr als 18.071 Tonnen „Backwaren und andere Zubereitungen aus Getreide“ aus China nach Deutschland importiert. Gemeint sind damit gefrorene Teiglinge, die eine Selbstbedienungsbäckerei nur noch aufbacken muss, um Brötchen und Brot zu erhalten. Mit der Menge lassen sich gut 282 Millionen Brötchen backen. Ein Teigling wiegt anfangs gut 65 Gramm. Nach dem Backen bringt das Brötchen dann 52 Gramm auf die Waage.

282 Millionen Brötchen, das ist so viel wie 916 normal große Bäckereien in einem Jahr produzieren. Zum Vergleich: Die zwei Groß-Bäckereien in Borken und Ungarn, die zur Sprockhöveler Selbstbedienungskette Mr. Baker gehören, produzieren täglich gut eine Million Brötchen. Mit den Liefermengen aus China ließe sich also fast der Jahresbedarf einer großen Brötchenkette decken.

Wo die China-Rohlinge landen – beim Discounter, beim SB-Bäcker oder an Tankstellen – ist unklar. Das Essener SB-Franchiseunternehmen Back König etwa betont, e in Deutschland und bei einem französischen Hersteller einzukaufen. Backwerk erklärt, man habe ausnahmslos deutsche, schweizerische und österreichische Rohwaren für Brot und Brötchen im Programm. Statt über Teig aus China verfüge man über feste Lieferanten aus den Regionen, in denen man selbst vertreten ist. „Aber es gibt andere, die ordern über internationale Händler“, fügt Dirk Richards, von der BackWerk Service GmbH, an. Doch auch Discounter wie Lidl oder Netto erklären, ihre Backautomaten-Ware komme aus deutschen Landen.

Wer die chinesischen Teigrohlinge kauft, weiß Frank Köster, Geschäftsführer der Bäcker-Innung Rhein-Ruhr, auch nicht: „Das wird niemand zugeben, weil der Imageverlust doch sehr groß ist.“ Die Bäckerei von nebenan wäre mit den beschriebenen Liefermengen überfordert, sagt Köster. Deren Kühlkapazitäten reichten nicht aus. Sie hätten also nichts davon, dass China Brot-Rohstoffe günstig liefert.

Deutsches Brötchen kostet 35 Cent

Mancherorts wird gemunkelt, ein chinesischer Teigrohling koste sogar nur zwei Cent. In Deutschland könnte man damit nicht einmal die Back-Materialien für ein Brötchen kaufen, denn die kosten drei Cent. Laut Alice Thiel-Sonnen, Ernährungsexpertin des Südwest-Rundfunks, kostet ein in China produzierter Tiefkühl-Brötchenrohling 15 Cent statt 35 Cent, wenn ein deutscher Bäcker knetet.

Ein Ende der Lebensmittelimporte aus Fernost ist nicht in Sicht. Als Lieferant von Apfelsaftkonzentrat ist China auf dem deutschen Markt bereits führend. Aber auch 137.000 Tonnen Fleisch und Fisch, Dosenmandarinen, Knoblauch oder Blattspinat sind hierzulande nicht mehr wegzudenken.