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Universitäten im Ruhrgebiet trotzen Ansturm der Studenten

Universitäten im Ruhrgebiet trotzen Ansturm der Studenten

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Foto: Tim Schulz
Der doppelte Abijahrgang drängt in dieser Woche mit 111.000 Erstsemestern an die Universitäten in NRW. Abgesehen vom üblichen Chaos zum Semesterstart haben die Hochschulen im Ruhrgebiet den Ansturm bislang gut verkraftet. Nur in Düsseldorf gab es bei der Begrüßung der „Erstis“ eine Panne.

Essen. 

Dienstagmorgen, 10.15 Uhr: Begrüßung der Juristen an der Ruhr-Uni Bochum. Der Hörsaal ist heillos überfüllt. Einige Studenten haben sich neben den Sitzreihen auf den Treppen niedergelassen, andere stehen leicht genervt in der letzten Reihe. „Der Hörsaal hat 800 Plätze und hier dürften heute eigentlich nur 600 Studenten anwesend sein“, wundert sich der Dozent.

„Aber Treppensitzen gehört ja zum Studium dazu“, scherzt er. Als die Gesichter einiger Studenten zu entgleisen drohen, beschwichtigt der Prof: „Keine Sorge, es ist nur heute so voll, sie werden ab nächster Woche wie geplant in zwei Grundkursen zu je 300 Studenten unterrichtet.“

Also alles halb so schlimm. Besonders in der ersten Semesterwoche gehören überfüllte Hörsäle an vielen Unis zum Alltag. Erst nach und nach werden die Veranstaltungen leerer.

Ruhr-Uni knackt die 40.000er Marke

Dennoch ist die Zahl der Erstsemester in diesem Jahr ein Rekord für die Ruhr-Uni. 5400 „Erstis“ haben in dieser Woche ihr Studium in Bochum begonnen – rund 800 mehr als im vergangenen Jahr. Die Gesamtzahl der Studierenden ist von 38.700 auf 40.500 gestiegen. Wegen des großen Andrangs wurden die Neulinge am Montag erstmals nicht offiziell im Audimax der Uni begrüßt, sondern unter freiem Himmel.

Seit Ende 2010 bereitet sich die Ruhr-Uni auf den Ansturm des doppelten Abiturjahrgangs vor. Die Projektgruppe „rub 2013“ erstellte unter anderem Konzepte zur Belegung der Hörsäle, zum studentischen Wohnen und zum Pendelverkehr zur Uni.

Mehrere Gebäude wurden angemietet, um Platz für die zusätzlichen Studenten zu schaffen. Beispielsweise das ehemalige Kirchenforum, das zum Universitätsforum („Ufo“) umgebaut wurde und mit 17 Seminarräumen Platz für mehr als 1200 Studenten bietet.

Unterrichtsgebäude in der Bochumer Innenstadt eingeweiht

Auch in der Innenstadt werden neue Gebäude für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Am Montag wurde der neue Standort der Ruhr-Universität eröffnet. Das Gebäude mit dem Namen „Blue Square“ bietet Platz für 270 Studenten. Hinzu kommt das „Bochumer Fenster“ in der ehemaligen Stadtbadgalerie mit 795 Plätzen.

2350 zusätzliche Plätze wurden in den neuen Räumlichkeiten geschaffen. Zudem wurden die Vorlesungszeiten verlängert. Start ist nun teilweise schon um 7.45 Uhr, damit der Lehrbetrieb zu entzerrt wird. Eine wiedereröffnete Mensa auf dem Campus soll den Studenten zwischen den Kursen mehr Platz und Auswahlmöglichkeiten bieten.

Ob diese Maßnahmen den neuen Anforderungen gerecht werden, wird sich erst im Laufe des Semesters zeigen. „Wir gehen davon aus, dass wir mit den Räumen hinkommen werden“, ist Jens Wylkop, Sprecher der Ruhr-Universität, zuversichtlich.

Pendelverkehr zur Uni überlastet

Problematisch könnte es beim Verkehr werden. Traditionell ist die Campus Linie U35 gerade zu den Stoßzeiten vor den Vorlesungen sehr voll. In den ersten beiden Tagen des neuen Semesters soll es jedoch noch schlimmer als sonst gewesen sein. „Ich bin in vier Bahnen nacheinander nicht mehr reingekommen, weil sie so überfüllt waren“, berichtet eine Studentin.

Bereits im vergangenen Wintersemester haben die Bochumer Verkehrsbetriebe die Taktung erhöht, die Bahnen fahren nun alle drei bis sechs Minuten – mehr ist nicht möglich. „Die U35 hat ihre maximale Auslastung erreicht“, sagt Uni-Sprecher Jens Wylkop. Das Problem will die Uni unter anderem mit mobilen Fahrradstationen lösen.

Kein Wohnraumproblem durch den doppelten Abijahrgang

In Sachen Wohnraum für Studenten sei die Lage in Bochum etwas entspannter als in klassischen Studentenstädten wie Münster, sagt Tim Köhler, Vorsitzender der Studierendenvertretung Asta an der Ruhr-Universität: „Viele Studis suchen zwar noch eine Bleibe, aber bei uns stehen die Leute nicht Schlange und fragen nach Wohnheimplätzen.“ Wohnraum in Uni-Nähe sei an einer Campus-Uni traditionell knapp, das Problem gebe es aber nicht erst durch den doppelten Abijahrgang.

Abseits des üblichen Chaos zum Semesterstart zeigt man sich seitens der Uni mit dem Start ins Wintersemester zufrieden. Das erwartete Schreckensszenario durch den doppelten Abiturjahrgang sei bislang ausgeblieben, so Jens Wylkop. Auch der Asta-Vorsitzende Köhler zieht ein positives erstes Fazit: „Die Uni hat sich gut vorbereitet, in manchen Bereichen wird man in einigen Wochen aber eventuell noch etwas nachbessern müssen.“

Studentenrekord an der Technischen Universität Dortmund 

Rund 30.000 Studenten sind für das Wintersemester an der Technischen Universtität Dortmund eingeschrieben – mehr als je zuvor. 5400 von ihnen sind waschechte Erstsemester. Die Neulinge wurden am Montagmorgen im Signal-Iduna-Park von Rektorin Ursula Gather offiziell begrüßt.

Dass die „Erstis“ in den kommenden Tage und Wochen stärker als sonst die Hörsäle stürmen, befürchtet man bei der Studentenvertretung Asta jedoch nicht. Auch weil die Uni vorgesorgt hat: Auf einer Grünflache am Campus Nord hat die TU ein Hörsaalzelt errichtet, das Platz für 600 Studenten bietet. „Das Zelt stand schon im vergangenen Jahr am gleichen Ort und wurde nach zwei bis drei Monaten wieder abgebaut, als der anfängliche Ansturm auf die Vorlesungen nachließ“, erinnert sich der Vorsitzende des Asta, Marc Hövermann.

Sicherheitspersonal und Hörsaalzelte

Die TU errichtet jedoch nicht nur Zelte, sondern strebt dauerhafte Lösungen an. Bereits zum vergangenen Wintersemester wurde ein neues Unterrichtsgebäude mit elf Seminarräumen und einem 500 Quadratmeter großen Hörsaal gebaut.

Um eine mögliche Überbelegung der großen Hörsäle zu vermeiden, will die TU gegebenenfalls auf vorhandenes Sicherheitspersonal zurückgreifen. Die Mitarbeiter sollen in den ersten zwei bis drei Vorlesungswochen für einen „geordneten Wechsel zwischen den Vorlesungen sorgen“, sagt Marc Hövermann.

Es wurde jedoch keine Security extra zum Semesterstart eingestellt, sagt Angelika Mikus von der TU: „Wir haben seit jeher Personal, das für den Betrieb und die Infrastruktur auf dem Campus verantwortlich ist. Diese Beschäftigten sorgen auch für die Sicherheit der Studierenden, werden aber selbstverständlich nicht vor den Hörsälen patroullieren.“

Wohnraum für Studenten nicht wesentlich knapper als sonst

Nicht nur der Andrang auf die Hörsäle ist an Unis zum Semesterbeginn traditionell groß. Auch die Bearbeitung von Bafög-Anträgen kann sich schon mal verzögern. Ob es an der TU Dortmund dazu kommen wird, könne man derzeit noch nicht abschätzen, sagt Marc Hövermann: „Anträge von Erstsemestern dauern zwar immer etwas länger, aber bisher sind uns keine Klagen bekannt. Die Studenten können ja erst seit Anfang Oktober Bafög-Anträge stellen.“

Auch in Sachen Wohnraum scheint sich die Lage durch vielen Erstsemester nicht verschärft zu haben. Generell sieht der Asta keine größeren Probleme bei der Wohnungssuche. „Man findet in jeder Preisklasse noch etwas. Zum ersten Mal seit Jahren müssen die Studenten allerdings wieder intensiver suchen“, fasst Asta-Vorsitzender Hövermann zusammen.

Etwas anders sieht die Situation in den Studentenwohnheimen aus. Für einen Platz im Wohnheim tragen sich die Studenten in Wartelisten ein, diese seien aber nicht länger als sonst, sagt Hövermann: „Man muss mit bis zu sechs Monaten Wartezeit rechnen, das ist aber im üblichen Rahmen.“

An der TU Dortmund ist zum Semesterstart trotz des doppelten Abiturjahrgangs also alles wie immer. „Abseits der üblichen Probleme – Erstsemester, die ihren Hörsaal nicht finden – ist uns nichts ungewöhnliches bekannt. Bisher ist alles im grünen Bereich“, fasst Hövermann die Sicht des Asta zusammen.

Ansturm der Studenten an der Uni Duisburg-Essen bleibt aus 

An der Uni Duisburg-Essen hält sich der Ansturm durch den doppelten Abiturjahrgang in Grenzen. Insgesamt 7300 Erstsemester-Plätze waren an den beiden Campi in Essen und Duisburg eingerichtet worden. 2500 davon wurden extra für den doppelten Abiturjahrgang geschaffen.

Man werde in diesem Jahr aber voraussichtlich nicht den Ansturm an Studierenden haben, mit dem man rechnen musste, so Uni-Sprecherin Beate Kostka: „Genaue Zahlen haben wir noch nicht. Das wird sich erst in den kommenden Wochen herausstellen, wenn die Einschreibungen abgeschlossen sind.“

Vorlesungen in Kinosälen – nicht zum ersten Mal

Auch in diesem Jahr nutzt die Uni in Essen wieder acht Kinosäle im Cinemaxx als Unterrichtsräume. Auch im UCI in Duisburg wird dieses Jahr erstmals eine Veranstaltung stattfinden. Jedoch nur bis Anfang 2014, wie Kostka betont: „Dann ist das neue Hörsaalzentrum auf dem Duisburger Campus mit rund 1000 Sitzplätzen fertig.“ Auf dem Essener Campus soll das Pendant mit ebenfalls 1000 Plätzen im Sommer 2014 eingeweiht werden.

Zehn Millionen Euro hat die Universität Duisburg-Essen aus dem Hochschulpakt II zur Vorbereitung auf den doppelten Abiturjahrgang erhalten. Von dem Geld wurden die 2500 zusätzlichen Erstsemesterplätze geschaffen, unter anderem wurden 30 neue Professoren mit rund 300 wissenschaftlichen Mitarbeitern eingestellt.

Bafög-Anträge brauchen längern – Asta unzufrieden

Beim Asta ist man dennoch nicht zufrieden. „Jetzt wo weniger Studenten kommen, als erwartet, sollte es doch eigentlich besser laufen“, sagt Daniel Lucas, Asta-Referent für Hochschulpolitik und führt ein Beispiel von Dienstagmorgen an. Die Einführungsveranstaltung in BWL sei vom Audimax auf eine Leinwand in einen zweiten Hörsaal übertragen worden. „Trotzdem saßen die Studenten in beiden Hörsälen auf den Gängen. Wir verstoßen damit gegen Brandschutzbestimmungen“, kritisiert Lucas. Überfüllte Hörsäle seien in gewissen Studiengängen zum Semesterstart keine Seltenheit, das werde sich im Laufe des Semesters legen, entgegnet Beate Kostka.

Probleme sieht Asta-Referent Lucas auch bei der Bearbeitung von Bafög-Anträgen: „Normalerweise wird ein Antrag innerhalb von drei Monaten bearbeitet, nun rechnen wir mit bis zu einem halben Jahr.“ Der Wohnungsmarkt bereitet dem Asta dagegen weniger Sorge. Generell sei der Wohnungsmarkt in Duisburg und Essen entspannt, so Lucas.

Insgesamt beobachtet Uni-Sprecherin Beate Kostka bislang einen „normalen Semesterstart mit den üblichen organisatorischen Schwierigkeiten“ an der Uni Duisburg-Essen. Auch hier dürfte sich erst im Laufe des Semesters zeigen, ob sich die Uni ausreichend auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereitet hat.

Panne an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf

Eine unangenehme Situation ereignete sich an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. wo rund 3000 Erstsemester diese Woche ihr Studium beginnen. Etwa 1000 Studienanfänger konnten am Montag nicht an der Einführungsveranstaltung teilnehmen. Die 700 Plätze im neuen Hörsaal 3 A waren nach wenigen Minuten besetzt. Diejenigen, die zu spät kamen, wurden von Türstehern an den Eingängen abgewiesen.