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Schulen in NRW – Spitze bei Abitur-Quote, aber undurchlässig

Schulen in NRW – Spitze bei Abitur-Quote, aber undurchlässig

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Lehrerverbände wollen weg vom Turbo-Abitur Foto: dpa
NRW bringt im Vergleich überdurchschnittlich viele Abiturienten hervor. Aber laut neuem „Chancenspiegel“ ist das Schulsystem nicht durchlässig genug.

Gütersloh/Essen. 

In Nordrhein-Westfalen machen überdurchschnittlich viele Schülerinnen und Schüler Abitur. Bei der Abiturientenquote behielt NRW im Jahr 2012 seinen Platz in der Spitzengruppe. Das geht aus dem neuen „Chancenspiegel“ der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung hervor.

Demnach erreichten 64,5 Prozent der jungen Erwachsenen die Hochschulreife. Im Bundesdurchschnitt waren es dagegen 54,9 Prozent. Damit, dass das Abitur in NRW leichter zu erlangen sei als in anderen Bundesländern, könne die hohe Quote nichts zu tun habe, sagte ein Sprecher des NRW-Schulministeriums: „Es gibt für das Abitur klare Standards, an denen sich die Bundesländer und damit auch NRW orientieren.“

Schüler machen Abitur nicht nur am Gymnasium

Vielmehr sei ein Grund für die hohe Zahl der Abiturienten wohl die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler in NRW das Abitur nicht nur an Gymnasien, sondern zum Beispiel auch an Gesamtschulen und beruflichen Gymnasien machen können. So könnten auch solche Schülerinnen und Schüler zum Abitur geführt werden, die in der Grundschule keine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen hätten.

Die gute Quote sei ein positives Signal, sagt Ilse Führer-Lehner, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW Referentin für Bildungspolitik. „Wir haben international noch einiges aufzuholen. In der heutigen Zeit brauchen wir qualifizierte Fachkräfte“, so Führer-Lehner – je mehr junge Menschen die Möglichkeit hätten, an Unis zu gehen, desto besser.

Mangelndes Schulangebot im ländlichen Raum

Bei der Zahl der Abiturienten gibt es allerdings ein Stadt-Land-Gefälle: „Die Chance, an die Hochschulreife zu kommen, ist abhängig von der Region“, sagt Wilfried Bos, Professor am Institut für Schulentwicklungs-Forschung (IFS) an der TU Dortmund, das mit Wissenschaftlern vom Institut für Erziehungswissenschaft (IfE) der Friedrich-Schiller-Universität Jena den „Chancenspiegel“ für die Bertelsmann-Stiftung erstellt hat.

[kein Linktext vorhanden]So liegt laut Erhebung die Abiturquote an den allgemeinbildenden Schulen in Münster bei 45,5 Prozent, in Borken dagegen bei 30,7 Prozent – nicht zuletzt, weil es in ländlichen Räumen am Angebot entsprechender Schulen mangelt. Bos‘ Forderung: „Allgemein ist eine stärkere Unterstützung der regionalen Schulentwicklung durch die Länder ratsam. So kann der Entstehung von Ungleichheit begegnet werden, unabhängig von den kommunalen Finanzlagen.“

Ursachen haben die Wissenschaftler nicht untersucht

Eher schlecht schneidet Nordrhein-Westfalen bei der „Durchlässigkeit“ der Schulen ab. „Da liegt NRW im roten Bereich“, erklärt Wilfried Bos, Von der Haupt- auf die Realschule oder von der Realschule aufs Gymnasium zu wechseln sei schwierig für Schüler in NRW: „In diesem Bereich sind viele andere Bundesländer besser.“

Woran das liegt, können die Wissenschaftler anhand ihrer Erhebungen nicht erklären: „Das sind Momentaufnahmen“, sagt Bos, „sie zeigen: So ist es – aber wir können keine Kausalzusammenhänge herstellen.“

Leistungen der Schüler in NRW schlechter als in vielen anderen Ländern

Auch bei der Kompetenzförderung schneide NRW schlecht ab, fasst Bos zusammen; das heißt, dass Schüler und Schülerinnen hier im untersuchten Fach schlechtere Leistungen erbringen als in vielen anderen Bundesländern. „Gut sind wir in der Zertifikatsvergabe: Wir lassen relativ wenige Schüler ohne Abschluss.“

Die Methode des „Chancenspiegel“, das jeweilige Schulsystem der 16 Länder auf Gerechtigkeit und Leistungsstärke zu prüfen, ist nicht unumstritten. Der Deutsche Philologenverband hält die Erhebung für ungeeignet, Qualitätsaussagen zu den Bildungssystemen zu treffen. Dazu sei der Bewertungsmaßstab nicht objektiv genug, hieß es. Gute Abiturquoten sagten nichts darüber aus, wie gut die Schüler tatsächlich auf die Uni vorbereitet sind. (moi/mit dpa)