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ZDF-Film „Kein Entkommen“ – Gewalt mitten in der Idylle

ZDF-Film „Kein Entkommen“ – Gewalt mitten in der Idylle

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«Kein Entkommen» Foto: dpa
In „Kein Entkommen“ (ZDF, Montag, 20.15 Uhr) wird Anna Lehmann-Bartels (Anja Kling) brutal überfallen. Annas Leben war bis dahin die Idylle schlechthin. Doch nach dem Überfall wird alles anders. Denn auch wenn die körperlichen Wunden alsbald verheilen, so bleiben die seelischen.

Essen. 

Die Meldungen über brutal prügelnde Jugendliche an S-Bahnhöfen oder dunklen Unterführungen sind verstörend. Wie kommt es nur zu solchen Exzessen? Diese Frage beantwortet der Film der Woche des ZDF nicht: Denn das Psychodrama „Kein Entkommen“ (Montag, 20.15 Uhr) erzählt die Geschichte einer jugendlichen Gewalttat konsequent aus der Sicht des Opfers – und das polarisiert.

Anna Lehmann-Bartels (Anja Kling) führt ein Leben, wie es sich ein Werbefilmer für Waschmittel, Schokobonbons oder Joghurt nicht idealer wünschen würde: Sie ist erfolgreich, hat ein schönes Haus mit großem Garten, zwei wohl erzogene Kinder, einen prächtigen Mann, tolle Freunde und es scheint offenbar immer die Sonne. In diese leicht behäbige Idylle der gehobenen Mittelschicht bricht aber eines Tages etwas Dunkles und zutiefst Böses ein: Anna wird auf dem Heimweg von drei Jugendlichen grundlos überfallen und grauenhaft zusammengeschlagen. Nur knapp überlebt sie die Attacke. Und wenn auch ihre körperlichen Wunden alsbald verheilen, so bleiben die seelischen.

Regisseur Senn schafft eine permanente irrationale Bedrohung

Über ihr Trauma mag sie nicht sprechen und ihre erkrankte Seele erfährt auch durch das Urteil gegen die rasch gefassten jugendlichen Straftäter keine Linderung: Marco (Julius Nitschkoff), der Kopf der Gang, wird bloß zu Sozialstunden verdonnert. Doch Anna nimmt die Fährte auf und freundet sich mit Crissie (stark: Ruby O. Fee), der Freundin des Schlägers an. Ein furchtbarer Fehler. . .

Regisseur Andreas Senn beobachtet sehr aufmerksam, wie Gewalt neue Gewalt erzeugt und das Leben einer Wohlstandsfamilie Stück für Stück zerlegt. Schonungslos schildert er in geschickten Rückblenden die ungemeine Brutalität des Verbrechens und das Leiden des Opfers. Zugleich lastet über dem Film mit seiner nervös-pumpenden Musik die irrationale Bedrohung, die Gewaltausbrüche könnten jederzeit unvermittelt wieder ausbrechen. Das alles ist dank leichter Thriller-Anklänge erstaunlich gut gemacht, zumal auch die Schauspieler bestens geführt werden. Die viel beschäftigte Anja Kling spielt das traumatisierte Opfer, das zu seinem eigenen Seelenheil nach Sühne verlangt, ungemein präzise und nie klischeehaft. Gemeinsam mit dem ebenfalls überzeugenden Benno Fürmann als Ehemann Micha trägt sie den Film locker über die Ziellinie.

Stereotypen als Schwachpunkt

Doch „Kein Entkommen“ hat auch eine große Schwäche: Der Blick auf die unterschiedlichen Milieus ist zu scherenschnittartig, zu voreingenommen: Hier die brave Vorzeige-Familie, dort die tumben Jugendlichen aus der Unterschicht, die sich permanent in einer übersexualisierten Vulgärsprache verständigen und nur an Alkohol und Gewalt interessiert sind.