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Wie Udo Jürgens gegen Twitter und Facebook wettert

Wie Udo Jürgens gegen Twitter und Facebook wettert

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Udo Jürgens (77) und die sozialen Netzwerke werden wohl keine Freunde: Bei seinem umjubelten Konzert vor 9000 Fans in der König-Pilsener-Arena in Oberhausen teilte die Schlager-Legende ordentlich gegen den zwanghaften Mitteilungswahn in der Netzwelt aus – natürlich auch im Bademantel.

Oberhausen. 

Auf ihn warten sie gerne: Ein Fan auf den Rängen der König-Pilsener-Arena in Oberhausen hat sich am Dienstagabend trotz Bibberkälte in einen Bademantel gehüllt. Völlig unnötig eigentlich, denn so lange müssen die 9000 Fans in der gut gefüllten Halle gar nicht ausharren.

Schon wenige Minuten nach 20 Uhr erklingt die Stimme des Mannes aus Klagenfurt. Der Vorhang fällt. Ganz klassisch. Ganz stilvoll. Ganz groß. Den Anhängern wird bei den ersten Melodien schnell warm ums Herz. Ihr Idol zeigte sich dagegen wenige Tage zuvor noch äußerst verschnupft. Eine Grippe hatte den 77-Jährigen aus dem Verkehr gezogen. Vier Konzerte mussten ausfallen. Erst am Sonntag feierte die „Der ganz normale Wahnsinn“-Tour von Udo Jürgens in Köln Premiere.

Breitseite gegen Facebook und Dschungel-Camp

Dabei ist der Titel der Tour nicht falsch zu verstehen. Der Österreicher ist nicht „Onkel Jürgen(s)“. Auch mit Kollegen wie Michael Wendler und Mickie Krause hat die Schlager-Ikone nichts gemein. Udo Jürgens haut mit seinen neueren Songs, die den ersten Teil des Konzertes dominieren, vor allem gesellschaftlichen Trends auf die Finger. Kritik soll schließlich erlaubt sein – und ein bisschen Wartezeit dann doch noch. Jürgens neckt am Klavier: „Wenn ich die alten Songs schon jetzt spiele, hauen Sie in der Pause doch schon ab!“ Die Lacher gehören ihm.

Eine musikalische Breitseite gibt es mit dem Song „Du bist durchschaut“ gegen Daten-CDs, Google, Facebook und Twitter. „Privates, das ist out“, singt er da. Aber auch eine Variante schärfer: „Ganz offenherzig twitterst du. Gibst alles von dir preis. Den größten Mist – den kleinsten Scheiß!“ Überhaupt zeigt sich Jürgens angriffslustig: Auch „Dschungel-Camp“, „Deutschland sucht den Superstars“ und „Big Brother“ bekommen satirische Töne ab. „Superstars, die tun mir leid. Nackte Deppen im Container, weggezappt – schad‘ um die Zeit.“ Eine Schlager-Legende darf das offensichtlich. Applaus in der Halle.

Rotes Kavaliertuch für einen weiblichen Fan

Doch es geht auch gewohnt charmant: Mit dem roten Kavaliertuch aus seiner Jacketttasche beschenkt der Sänger einen weiblichen Fan. Bindet das Orchester von Pepe Lienhard bestens ein. Und überzeugt als klassischer Entertainer. Bei Aufnahmen zum ARD-Zweiteiler „Der Mann mit dem Fagott“, der Udo Jürgens Leben zeigt, spielen Künstler und Orchester passend zu den Bildern, die auf der Videoleinwand erscheinen. Im Ansatz beeindruckend, auf Dauer etwas ermüdend. Durch die Länge der Suite geht dem Konzert kurzzeitig die Puste aus. Doch das ist schnell vergessen. „17 Jahr, blondes Haar“, „Ein ehrenwertes Haus“, „Aber bitte mit Sahne“, „Ich war noch niemals in New York“. Keine weiteren Fragen.

Und am Ende: Kommt der Bademantel

Es ist ein knapp dreistündiger Reigen inklusive Pause. Minuten vor dem Ende des Konzertes erlebt auch der Fan im Bademantel seinen großen Augenblick: Udo Jürgens hat die Kult-Bekleidung ebenfalls angezogen. Es ist der umjubelte Konzert-Moment, der unter keinen Umständen fehlen darf.

Udo Jürgens zeigt sich in Oberhausen nach überstandener Grippe in bester Spiellaune und gut aufgelegt – so sehr, dass man die Fans während der stillen Momente scheinbar summen hört: „Mit 77 Jahren, da fängt das Leben an…“