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Was tun, wenn das Halbjahres-Zeugnis zum Giftblatt wird?

Was tun, wenn das Halbjahres-Zeugnis zum Giftblatt wird?

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Foto: Arne Dedert /dpa
Etwa 2,7 Millionen Schüler in NRW werden sie Ende kommender Woche in Händen halten: Halbjahreszeugnisse. Wir erklären, was Eltern und Schüler tun können, um mangelhafte Leistungen bis zum Schulabschluss oder bis zur Versetzung im Sommer auszumerzen.

Essen/Düsseldorf. 

Giftblatt – das Wort als Synonym für Zeugnis hat sich im Volksmund durchgesetzt. Und das sagt einiges aus über den Grad von Beliebtheit. Vielen Schülern und Eltern machen Zeugnisse keinen Spaß, weil sie irgendwie immer zu schlecht ausfallen. Ende kommender Woche werden sie in Nordrhein-Westfalen wieder ausgeteilt – Halbjahres-Giftblätter. Fragen und Antworten.

Welche Bedeutung haben die Halbjahres-Zeugnisse?

„Dieses Zeugnis hat mehrere Funktionen“, sagt Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes NRW. Es treffe Aussagen über den Leistungsstand von Schülerinnen und Schülern unter Berücksichtigung von Entwicklungen. „Das Zeugnis kann auf Defizite hinweisen, aber auch Bestätigung oder Ermunterung sein“, sagt Silbernagel. Es sei dabei aber immer eine Momentaufnahme. Silbernagel: „Eltern sollten niemals der Versuchung erliegen, zu glauben, das Zeugnis treffe Aussagen über die Gesamtpersönlichkeit ihrer Kinder. Schule kann davon nur ein bestimmtes Spektrum erfassen.“

Was geschieht, wenn das Zeugnis mehrere mangelhafte Leistungen ausweist?

„Ich sage immer: Es ist noch ein halbes Jahr Zeit, um den Stoff aufzuholen“, erklärt Dorothea Schäfer, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW. Und die Schule hilft Schülern und Eltern ab der Sekundarstufe eins mit einer individuellen Lern- und Förderempfehlung, die immer dann vorgeschrieben ist, wenn die Versetzung oder der angestrebte Abschluss gefährdet sind. Darüber hinaus lade die Schule in diesen Fällen zu einem Gespräch ein, um Wege aufzuzeigen, wie die so genannten fachlichen Minderleistungen ausgemerzt werden können.

Welches Vorgehen empfehlen Philologenverband und GEW im Fall eines schlechten Halbjahres-Zeugnisses?

„Ich würde das Gesprächsangebot der Schule unbedingt annehmen. Lehrer, Eltern, Kinder oder Jugendliche sollten das weitere Vorgehen gemeinsam beraten“, sagt Dorothea Schäfer. Peter Silbernagel empfiehlt die Aufstellung eines Arbeitsplanes. Dabei sollte mehr Zeit in die Beseitigung echter Schwächen investiert werden. Meist müsse vor allem gezielter als zuvor gelernt werden.

Was sagen die Experten zum Thema Nachhilfe?

Die blanke Theorie sagt, und darin sind sich GEW und Philologenverband durchaus einig: Eigentlich muss Schule ohne Nachhilfe auskommen. In der Praxis aber lässt sich dies nicht durchhalten. Gegen einen gezielten, meist zeitlich begrenzten Nachhilfeunterricht haben weder Dorothea Schäfer noch Peter Silbernagel etwas einzuwenden. Aber: „Eltern sollten mit der Schule besprechen, welche Art der Nachhilfe sinnvoll ist: Können das auch Mit- oder Oberstufenschüler leisten oder muss es professionell sein?“, sagt Silbernagel.

Die Noten auf dem Halbjahres-Zeugnis meines Sohnes oder meiner Tochter sind schlecht. Wie sollte meine Ansprache als Mutter oder Vater sein?

„Eltern sollten Druck vermeiden. Damit erreichen sie das Gegenteil von dem, was sie wollen. Sie sollten auch nicht die Wertschätzung ihrer Kinder an die Noten koppeln“, sagt Dorothea Schäfer. Peter Silbernagel hält wenig von Moralansprachen à la „Du lernst für Dich und für Dein Leben“. „Zu glauben, dass Schüler – mit Ausnahme vielleicht der etwas älteren – das Verständnis dafür aufbringen, ist illusorisch“, sagt der Pädagoge. GEW und Philologenverband plädieren beide dafür, den Stellenwert des Zeugnisses nicht zu überhöhen. „Das Gespräch darüber darf in den Familien natürlich eine Rolle spielen und Eltern sollten die Kinder auch fragen, wie sie sich fühlen, ob sie sich womöglich ungerecht behandelt sehen“, sagt Silbernagel. Die Schule aber müsse regelmäßig ein Thema sein und nicht nur an den besonderen Zeugnis-Tagen. Dorothea Schäfer sagt: „Es gibt keine Kinder, die ein schlechtes Zeugnis nicht auch traurig macht. Eltern sollten das ernst nehmen und auch dann Mut machen, wenn mal vier Fünfen dabei sind.“ Sie sollten darauf hinweisen, dass ihre Söhne und Töchter selbst einen Teil zur Verbesserung der Noten beitragen müssten, „sie sollten aber auch klarmachen, dass sie sie dabei unterstützen.“

Was denken Experten über Belohnungen und Strafen?

Drei Euro für eine Eins, zwei für eine Zwei, Computerverbot für ein Mangelhaft: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie der Philologenverband halten wenig von Geldanreizen für gute Noten und gar nichts von Strafen für schlechte. „Natürlich können Eltern sagen, das erste Halbjahr ist um, ich bin zufrieden und lasse mal etwas springen“, sagt Dorothea Schäfer. Sie plädiert aber eher für ein gemeinsames Wochenende oder einen Kinobesuch als Belohnung. „Ich halte nicht viel davon, einzelne Noten zu bezahlen, diese Art von Anerkennung finde ich nicht besonders originell“, sagt Peter Silbernagel vom Philologenverband. Seine Meinung über Strafen für miese Noten: „Damit erreicht man in der Regel nichts.“

Neben den Sorgentelefonen von Städten und sozialen Einrichtungen bietet auch die Bezirksregierung Düsseldorf wieder die Nummer gegen Zeugniskummer an.

Dort können Eltern und Schüler vor allem rechtliche Fragen klären – etwa, wenn sie die Notengebung für ungerecht halten oder Fragen zur Schullaufbahn eines Schülers haben.

Das Zeugnistelefon zu Fragen aus den Schulformen Realschule, Gymnasium, Gesamtschule und Berufskolleg ist bei der Bezirksregierung Düsseldorf eingerichtet und an folgenden Tagen unter der Rufnummer 0211/475-4480 erreichbar:

Donnerstag, 31. Januar, sowie Freitag, 1. Februar, und Montag, 4. Februar jeweils in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 15.30 Uhr

Für Fragen aus den Schulformen Grundschule, Hauptschule und Förderschule ist das Zeugnistelefon bei den jeweiligen Schulämtern eingerichtet, die in den zehn kreisfreien Städten sowie den fünf Kreisen im Regierungsbezirk Düsseldorf bestehen.