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Was von John Lennon bleibt

Was von John Lennon bleibt

New York. 

John Lennon ist tot. Und zwar seit fast 35 Jahren. Anhänger von Verschwörungstheorien wollen das einfach nicht glauben, und so hat ein amerikanischer Autor einfach mal so getan, als ob der rätselhafteste aller Beatles das Attentat am 8. Dezember 1980 überlebt hat. Er habe John Lennon besucht, behauptete David Kamp schon vor Jahren – und mit einem Augenzwinkern – im Magazin „Vanity Fair“, und zwar auf einer Farm rund 200 Kilometer nördlich von New York, wo er Kühe züchte, Marke Holsteiner, und seine Zeit mit einer gewissen Katja Auermann verbringe, einer drallen Blondine aus Baden-Baden, die sich ursprünglich als Melkerin ums liebe Vieh kümmerte.

Alles erfunden natürlich, hübsch ausgedacht, und ein humorvoller Beitrag anlässlich des weltweiten Trubels um einen Mann, der am 9. Oktober 75 geworden wäre. Wenn es denn wirklich so wäre, dass Lennon einfach untergetaucht ist, würde das aber gut zu ihm passen. Schon vor seinem plötzlichen Tod war er eine Verkörperung von Gegensätzen, und heute ist er mehr denn je ein Rätsel, bei dem sich jeder bedienen darf, und in dessen mysteriösem Glanz sich alle ein wenig sonnen können.

Überall auf der Welt gefeiert

So fehlt es denn auch an Feiern nicht. Feiern sind gut, besonders an Gedenktagen. Eine kleine Auswahl? Bitteschön. Im Cavern Club, der Kultkneipe, in der die Beatles ihre Karriere begannen, spielen am 9. Oktober die Original Quarrymen, eine Band, mit der Lennon vor der Gründung der Beatles übte, Tickets 15 Pfund, ist aber längst ausverkauft. In der Kölner Philharmonie bringt der finnische Jazzpianist Iiro Rantala Klassiker wie „Imagine“ oder „Working Class Hero“ zu Gehör (Eintritt 30 Euro), und in der Heimatstadt Liverpool funktioniert ein gewisser Jackie Spencer einfach den 10. Oktober (ein Samstag, besser fürs Geschäft) zum Lennon Day um und zeigt uns Lennons Liverpool, ganztägig, 50 Pfund, aber inklusive eines Buffets.

Wie John Lennon selbst den 75. begehen würde, darüber kann nur spekuliert werden. Mal hat er es in seinem Leben richtig krachen lassen, der Meister, auch mal ein ganzes Jahr durchgetanzt, mal hat er sich völlig zurückgezogen, in der heimischen Küche Brot gebacken und zugeschaut, wie sich draußen „die Räder drehen“. Mit mildem Spott, so schildert David Kamp das in seiner Satire, würde Lennon sicher die Vermarktung des Beatles-Mythos kritisieren, die ewige Verwurstung desselben längst verdauten Materials: „Und hier die 47. Version von „From Me To You“, bei der ich Sologitarre spiele, weil George gerade auf dem Klo ist!“ Das würde ihm nicht gefallen, dem Vollblutmusiker, der Wiederholungen hasste und Experimente liebte.

Was wäre wenn…?

Laut David Kamp gab es ja eine Wiedervereinigung der größten Band der Welt, ein missglückter Auftritt bei einem „Live-Aid“-Konzert, gar ein neues Album mit dem Titel „Everest“, das fürchterlich zerrissen wurde, und das war’s dann auch. Das Zerwürfnis mit Paul McCartney („Ein Kontroll-Freak!“) ist angeblich höflicher Nettigkeit gewichen („Wir schreiben uns E-Mails, ab und zu“) und von Yoko Ono hat er sich der „Vanity Fair“-Legende nach 1983 scheiden lassen. Das heißt nicht, dass „Mama“ Yoko, wie der angebliche quicklebendige Lennon sie spöttisch nennt, nicht mehr aufpasst auf ihren Jungen und beim Marsch über die Felder Gummistiefel vorschreibt, wegen der Zeckengefahr.

Ja, so könnte es wirklich sein, das Leben des John Lennon mit 75, wenn das Chirurgenteam unter der Leitung von Dr. Stephan Lynn ihn nach dem Attentat wieder zusammengeflickt hätte. Aber weil die wundersame Rettung nur die Erfindung eines amerikanischen Autors ist, sind wir weiter auf der Suche nach dem wahren Lennon. John würde das übrigens gefallen.