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Warum Pfleger und Erzieher häufig an Depression erkranken

Warum Pfleger und Erzieher häufig an Depression erkranken

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Depressionswetter: Die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen hat 2014 einen Höchststand erreicht. Foto: Julian Stratenschulte/Archiv
Im Revier sind die Menschen überdurchschnittlich von der Krankheit betroffen. Ein hohes Risiko haben Altenpfleger und Mitarbeiter in Callcentern.

Berlin. 

Sind die Gelsenkirchener trauriger als die Menschen in Olpe? Die Revierbürger werden zumindest häufiger wegen einer Depression krank geschrieben: Der aktuelle „Depressionsatlas“ der Techniker Krankenkasse (TK) verzeichnet im Ruhrgebiet mehr depressionsbedingte Fehltage als im Sauerland und vielen anderen ländlichen Regionen von NRW. Bundesweit kamen zuletzt über 31 Millionen Fehltage zusammen – und die Zahlen steigen weiter.

Sie fühlen sich deprimiert und antriebslos, sind geplagt von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen, können schlecht schlafen und verlieren den Appetit: Längst sprechen Experten von der Volkskrankheit Depression – nicht, weil die Zahl der Fälle so überwältigend wäre wie etwa bei Rückenleiden, sondern weil die Zahl der Betroffenen seit Jahren stetig zunimmt und die beruflichen Fehlzeiten extrem lang sein können — im Durchschnitt rund zwei Monate. Den volkswirtschaftlichen Ausfall schätzt TK-Chef Jens Baas mittlerweile auf rund vier Milliarden Euro pro Jahr.

Fremdbestimmung im Job

Wer im Callcenter arbeitet oder in der Altenpflege, hat laut Depressionsatlas ein besonders hohes Krankheitsrisiko – auch Erzieher und Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten werden überdurchschnittlich oft krank geschrieben. Dagegen blieben Wissenschaftler, Software-Entwickler, Ärzte und Unternehmensleiter nur selten wegen einer Depression zu Hause. Ein möglicher Grund dafür: Wer sich im Job oft fremdbestimmt fühlt, ist schneller deprimiert. „Selbstbestimmung“, glaubt Baas, „spielt eine wichtige Rolle.“

Hinzu kommt: Viele Menschen hätten das Gefühl, ständig von außen unter Druck zu stehen – und die Balance zwischen Beruf, Familie und Freizeit nicht mehr hinzubekommen. „Sie kommen nicht mehr zu Ruhe.“ Besonders betroffen: Frauen. Sie werden nicht nur häufiger wegen Depressionen krank geschrieben, sondern bekommen auch deutlich öfter als Männer Antidepressiva verschrieben.

Doch nicht jeder, der sich überfordert fühlt, wird psychisch krank. Stress und Unzufriedenheit allein können die seit Jahren steigenden Fehlzeiten nicht erklären.

Zum persönlichen Leid kommt der Imagewandel der Krankheit: Experten gehen davon aus, dass die Depressionen durch prominente Schicksale – der Skispringer Sven Hannawald oder der Fußballspieler Robert Enke – heute viel eher angesprochen und akzeptiert werden: „Das ist keine Krankheit mehr, für die man sich schämen muss“, so Baas.

Körperliche Beschwerden

In vielen Fällen würde heute zudem eine Depression erkannt, wo früher nur auf körperliche Beschwerden geachtet worden sei. Gleichzeitig aber diagnostizierten Ärzte in manchen Fällen heute auch schon dort Depressionen, wo Patienten bloß unter einer vorübergehenden Traurigkeit oder Befindlichkeitsstörung litten. „Die Grenze zur Krankheit verschwindet“, sagt Baas.