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Warum Gérard Depardieu plötzlich zum Russen wurde

Depardieu ist plötzlich Russe

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Putin bietet Depardieu russischen Pass an Foto: Archiv/dpa
Frankreichs Nationalschauspieler sucht wegen Hollandes Reform-Plänen ein günstiges Steuer-Exil. Die Angebote überschlagen sich. Putin ist nun der Konkurrenz zuvorgekommen und hat ihm eine Staatsbürgerschaft per Dekret verliehen.

Paris. 

Die bekannteste Nase Frankreichs ist jetzt also russisch. Zumindest verfügt Gérard Depardieu nun über einen Putin-Pass – so muss man es wohl nennen, wenn der russische Präsident eine Staatsbürgerschaft per Dekret verleiht. Der Steuerrebell und der lupenreine Demokrat – ein Treppenwitz der Geschichte, der von Depardieu nun noch befeuert wurde.

Der zunehmend exzentrische Mime äußerte sich in einem im russischen Fernsehen verbreiteten Schreiben erfreut über den positiven Bescheid auf seine entsprechende Anfrage. Er erklärte seine Zuneigung für Putin und die „große Demokratie“ in Russland. Ein Putin-Sprecher wiederum betionte, die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Depardieu sei durch dessen „wichtigen Beitrag“ für die „nationale Kultur und das Kino“ Russlands motiviert.

In seinem Schreiben, dass im russischen Fernsehen auf Französisch veröffentlicht wurde, schrieb Depardieu, in Russland lasse es sich „gut leben“. Nicht unbedingt in der Riesenstadt Moskau, aber auf dem Land in Russland kenne er „wunderbare Orte“, zum Beispiel das „von meinem Freund Nikolai Borodaschew“ geleitete Filmarchiv Gosfilmofond in der Nähe von Moskau. Er werde auch Russisch lernen, hieß es in dem Brief, der mit „Russland sei Ruhm“ auf Russisch endete. Zudem wurde bekannt, dass sich Depardieu jüngst telefonisch an Frankreichs Präsident Hollande gewandt hat, weil er „angewidert sei“, wie die Regierung mit erfolgreichen Menschen umspringe.

Staatsaffäre um den Obelix-Darsteller

In der Tat hatte Depardieus Ankündigung von Anfang Dezember, der Heimat wegen der geplanten Reichensteuer den Rücken zu kehren, eine Staatsaffäre ausgelöst. „Ziemlich erbärmlich“, nannte Regierungschef Jean-Marc Ayrault das Ansinnen. Allerdings hatte der „Obelix“-Darsteller gedroht, sich in Belgien niederzulassen und prompt ein Haus im Dörfchen Néchin gekauft, kurz hinter der Grenze. Der Bürgermeister überbrachte seiner Gemeinde die Neujahrsgrüße just im „Asterix“-Kostüm.

Auch Montenegro brachte Depardieu damals ins Spiel. Und mindestens einseitig ernst gemeint war wohl die Einladung von Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow, nachdem Depardieu öffentlich auf sein Wohl getrunken hatte. Zu Russland scherzte er nur vor Freunden: „Putin hat mir schon einen Reisepass geschickt.“ Nur stimmte das zu diesem Zeitpunkt nicht – doch in Moskau versteht man neuerdings Humor.

Er hat den Rasputin gegeben

Wladimir Putin erklärte also schon vor zwei Wochen, Depardieus „Wunsch“ entsprechen zu wollen. Und sein Sprecher verkündete nun, Depardieu habe den Einbürgerungsantrag „vor nicht allzu langer Zeit über die Botschaft“ gestellt. „Gérard Depardieu kennt und liebt Russland, das immer auf ihn gewartet hat“, kommentierte Putin. Wie diebisch muss er sich über diese Ironie der Geschichte freuen? Das ehemals kommunistische Russland wirbt dem nun sozialistischen Frankreich einen Spitzenverdiener und ein Nationalsymbol ab. Offizielle Begründung Putins für sein Dekret: Depardieus „wichtiger Beitrag“ für die „nationale Kultur und das Kino“ Russlands! … Immerhin, er hat jüngst den Rasputin gegeben.

Inoffizielle Begründung: Sobald reiche Europäer mehr über das russische Steuersystem erführen, werde es eine „Massenmigration“ geben, twitterte Vizeregierungschef Dmitri Rogosin. Es locken 13 Prozent Einkommensteuer!

Verfassungsrat hat Reichensteuer gestoppt

In Frankreich dagegen hat der Verfassungsrat zwar jüngst die Reichensteuer von 75 Prozent gestoppt – doch die Zeiten für Millionäre werden härter. Drum erklärte Luxusunternehmer Bernard Arnault (Moët Hennessy – Louis Vuitton), der reichste Mann Europas, im September, nach Belgien umziehen zu wollen. Im Oktober setzte sich Schauspieler Christian Clavier („Asterix“) nach London ab.

Doch Steuerflucht ist kein Ding der jungen Ära Hollande allein. Alain Delon lebt schon lange in der Schweiz. Yannick Noah, Charles Aznavour, Zinédine Zidane und Alt-Rocker Johnny Hallyday – längst abgewandert. Und Depardieu, dessen Vermögen auf 90 Millionen Euro geschätzt wird, rechtfertigt sich nun: „Ich habe in 45 Jahren 145 Millionen Euro Steuern gezahlt. Ich beschäftige in meinen Unternehmen 80 Personen.“

Steuerflüchtlinge sind flexibel

Die Deutschen kennen diese Argumentation: Boris Becker und Michael Schumacher sind nur die bekanntesten Steuerflüchtlinge. Letzterer machte seine Einstellung jüngst in der Schweizer Zeitung „Sonntag“ deutlich: „Natürlich sind wir flexibel, und wenn aus irgendwelchen Gründen die Dinge sich verändern, gibt es auch andere Plätze in der Welt, wo ich mir einen Wohnsitz vorstellen könnte.“ Die steuerflüchtigen Millionäre sehen sich bedroht von einem Bürgerbegehren, das Steuervorteile in der Schweiz kappen könnte.

Dabei sind Schumi & Co. weiterhin Deutsche. Nur orientieren sich das deutsche wie das französische Steuerrecht am Wohnort, nicht an der Nationalität. US-Bürger im Ausland dagegen müssen, grob gesagt, die Differenz zum heimischen Satz abführen – wenn sie ihren Pass behalten wollen.

Nationalitäten sind nicht zum Sammeln da

Doch Depardieu scheint zu vielem entschlossen. So hat er auch einen belgischen Pass beantragt. Ob er den nun noch bekommt, lässt Georges Dallemagne, der Verantwortliche in Brüssel, offen: „Nationalitäten sind nicht zum Sammeln da.“