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Warum eine Garage, in die kein Auto passt, strafbar ist

Warum eine Garage, in die kein Auto passt, strafbar ist

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Foto: getty
  • Nahezu undurchschaubare Flut von Gesetzen in Deutschland
  • Verband Deutscher Städtestatistiker hat  ausgerechnet, es gebe hierzulande 55.555 Einzelvorschriften alleine beim Bund
  • NRW-Landesbauordnung verbietet den Gebrauch von Garagen als Abstell- oder Hobbyraum

Essen. 

In Miami dürfen sich Männer nicht in einem Morgenmantel ohne Gürtel zeigen. Und Hüte dürfen die Herren in Kentucky nur dann kaufen, wenn sie in Begleitung ihrer Frauen sind. Man kennt so was aus Amerika. Typisch verrückte Amis? Vorsicht! Eine undurchschaubare Flut von Gesetzen haben wir ja auch in Deutschland. Der Inhaber eines Insekten-Museums wurde hier schon mal verpflichtet, seine neugeborenen Fliegen zu zählen.

Der Verband Deutscher Städtestatistiker hat vor einigen Jahren ausgerechnet, es gebe hierzulande 55.555 Einzelvorschriften alleine beim Bund, die zu beachten seien. Tatsächlich: Der Bundestag verabschiedet in jeder Wahlperiode zwischen 300 und 600 neue Gesetze. Rund 2200 sind derzeit gültig. Und die Länder machen noch einmal so viele.

Sind denn diese Regeln alle sinnvoll? Können die Bürger bei der Fülle an Vorschriften überhaupt rechtstreu sein? Vor allem: Welcher Gesetzesbruch ist im Alltag besonders beliebt?

Sünde 1: Rotlicht-Spurt

Es ist der wohl am meisten begangene Alltags-Verstoß. Aber der Paragraph 37 der Straßenverkehrsordnung (Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen und Grünpfeil) gilt eben auch für Fußgänger. Mal eben schnell über die Straße, weil doch kein Auto kommt? Kann gefährlich sein und geht auch juristisch nicht. Guckt ein Ordnungshüter zufällig genau hin, sind fünf Euro Verwarnungsgeld fällig. Und wenn wegen Ihrer Forschheit ein Auto scharf bremsen muss und ein zweites hineinkracht, wird es noch teurer. Mindestens 10 Euro, wenn ein Fußgänger durch Rotlicht-Sünden einen Unfall verursacht hat.

Wie viele rote Ampeln werden jeden Tag schnöde durch Fußgänger missachtet? Die Zahl wird fünf oder sechs Nullen haben. Die Polizeibehörden registrieren dies nicht im Einzelnen. Doch vor vier Wochen haben die Krefelder Polizisten mal genauer geprüft. Bei der Sonderaktion erwischten sie an einem ganz normalen Mittwoch zwischen 10 und 18 Uhr 74 Fußgänger. Auch ihre Kollegen im Ruhrgebiet haben schon mal den Eindruck gehabt, dass die Verstöße dieser Art zunehmen.

Sünde 2: Garagen-Messi

Es ist der heimlichste Gesetzesbruch. Viele Garagenbesitzer stellen ihr Auto draußen ab. Ständig. In etlichen dieser Fälle liegt der Verdacht nahe, dass der Nachbar hinter den Garagenwänden raumgreifend Krempel stapelt. Das geht aber laut Paragraph 51, Absatz 8 der nordrhein-westfälischen Landesbauordnung gar nicht. Dort steht: „Notwendige Garagen, Stellplätze und Fahrradstellplätze dürfen nicht zweckentfremdet werden“.

Was Behörden, Gerichte und auch die Vermieter so auslegen, dass – egal was sonst gelagert ist – in Garagen noch immer ein Auto Platz haben muss. Die Hauseigentümer-Zeitschrift „Haus und Grund“ hat 2015 von einem Urteil aus dem Rheinland berichtet. Das Verwaltungsgericht verdonnerte hier einen Garageneigentümer zu 500 Euro Bußgeld, weil er in seiner Autoabstellkammer eine Hobbywerkstatt eingerichtet hatte. Er habe sofort für sein Auto Platz zu schaffen, ordnete das Gericht an: Sonst drohten weitere Zwangsmaßnahmen

Sünde 3: Kaugummi aufs Pflaster

Coffee to go-Fans sollten aufpassen, schwankende Nachtbummler und Kaugummi-Kauer erst recht: Deren Sünden gelten hinter Rathaus-Fassaden als berüchtigt. Die Städte gehen gerne mit Strenge vor, wenn sie ihr Bemühen um ein ordentliches Erscheinungsbild in Gefahr sehen. Zwanzig Paragraphen hat alleine die „Ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ in Dortmund.

Unter Punkt 5 heißt es dort: Auf Straßen und in Anlagen anfallende Abfälle, insbesondere solche, die dort nach dem Verzehr von Speisen und Getränken entstehen, sind unverzüglich Abfallbehältern zuzuführen“. Verboten ist es in Dortmund, sich in öffentlichen Anlagen „in einem erkennbaren Rauschzustand hervorgerufen durch Alkohol“ zu bewegen. Wer dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Auch das ist Stadt-Gesetz: „Tiere dürfen Straßen und Anlagen nicht verunreinigen“ – was selbstverständlich auch für Zweibeiner gilt: „Es ist untersagt, auf Straßen und in Anlagen außerhalb der hierfür vorgesehen Toiletteneinrichtungen die Notdurft zu verrichten“.

Immerhin geht Dortmund nicht so weit wie das Bundesland Sachsen-Anhalt. Das schrieb kurz nach der Wende für das „Darmentleeren in allen Aborten“ vor: Die Entsorgung sei nur im Sitzen zu entrichten, vorher seien jedoch „die Beinkleider bis zu den Knien“ hinunterzuziehen und danach allenfalls fünf Blättchen Papier zum Reinigen zu verwenden.

Die Umfrage einer großen Sonntagszeitung ergab, dass es Köln in anderer Hinsicht auf die Spitze treibt. Heute noch. Dort kassiert die Verwaltung 60 Euro bei allen, die beim Spucken auf die Straße erwischt werden – oder beim Ausspucken eines ausgelutschten Kaugummis. Verfolgt wird das anscheinend nicht.

Die Stadt Essen hat an dieser Stelle kapituliert. Sie säubert nicht mehr die Straßen von den klebrigen Resten. Ihr ist das zu teuer. Dabei könnte sie sich ein Beispiel an Liverpool nehmen. Dort gibt es die Kaugummi-Steuer. Oder an Singapur, der reinlichsten aller reinlichen Metropolen dieser Welt. Wer dort Kaugummi kauft, muss Name und Passnummer hinterlassen. Allerdings droht dort auch bei einigen Verstößen gegen die öffentliche Ordnung schnell mal die Prügelstrafe …