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Warum die Grippe-Schutzimpfung einen Dämpfer bekommen hat

Die Grippe-Schutzimpfung hilft in diesem Jahr oft nicht

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Foto: imago stock&people
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der aktuelle Grippe-Impfstoff auffallend schlecht wirkt. Dennoch sei er vor allem für Risikogruppen wichtig.

Essen. 

Gerd Antes und seine Forscher-Kollegen im „Deutschen Cochrane Zentrum“ in Freiburg sind versierte Sammler. Sie sichten und bewerten systematisch die weltweit neuesten medizinischen Erkenntnisse und stellen sie Wissenschaftlern und Patienten zur Verfügung.

Vor wenigen Tagen stieß der Professor auf eine beunruhigende Studie aus den USA. Die Gesundheitsbehörde CDC spricht in ihrem jüngsten Mitteilungsblatt davon, dass der diesjährige Grippe-Impfstoff auffallend schlecht wirkt. Die gesammelten Daten stammen von 2321 Kindern und Erwachsenen. Amerikaner bekommen den gleichen Impfstoff wie Europäer.

„Es wäre gut, wenn möglichst viele Bürger davon erführen“, sagte Antes unserer Redaktion. Denn für eine Impfentscheidung sei solches Wissen wichtig. Antes rät nicht vom Impfen ab, sagt aber: „Ein gesunder Mensch darf sich mit der Frage beschäftigen, ob er sich gegen Grippe impfen lassen sollte oder nicht.“

Grippe-Viren verändern ständig ihr Aussehen

Auch Wolfgang Becker-Brüser, Arzt, Apotheker und Herausgeber der unabhängigen Fachzeitschrift „Arznei-Telegramm“ sieht die Grippeschutz-Impfung kritisch, und nicht nur die aktuelle. „Üblicherweise wird der Nutzen der Grippeimpfung erheblich überschätzt.“

Die Grippeschutz-Impfung leidet unter dem Problem der fantasievollen Viren. Im Gegensatz zu den Viren bei Masern, Mumps und Röteln oder auch im Gegensatz zu denen, die Kinderlähmung auslösen, verändern Grippe-Viren ihr Aussehen.

Unerkannt von ihren Verfolgern – also den Antikörper des Impfstoffs – gelangen sie dann in den Organismus und treiben ihr Unwesen. Da der Impfstoff bereits im Sommer hergestellt wird – auf der Südhalbkugel, wo dann gerade Winter ist und die Grippeviren toben – haben die Viren Zeit, sich neue Verkleidungen auszudenken. „Sie ändern ihre Hülle ständig“, sagt Virologe Prof. Michael Roggendorf von der Uni Duisburg-Essen. Auch er hält die Wirksamkeit der Impfung für nicht überzeugend.

„Vor allem bei den Älteren wirkt er auch nicht so gut“

„Vor allem bei den Älteren wirkt er auch nicht so gut.“ Dabei sind es die Älteren – also Menschen ab sechzig – die gerade beworben werden, sich impfen zu lassen. Ihr Immunsystem sei schwächer als das junger Menschen.

Aber Roggendorf sagt: „Man muss gut abwägen. Wer wirklich eine Grippe entwickelt, ist dann auch sehr schwer krank.“ Roggendorf ist auf jeden Fall für eine Durch-Impfung des Klinik-Personals. „Wir hatten in der Essener Uniklinik einmal vier Todesfälle, und es kann gut sein, dass die Viren von nicht-geimpftem Personal eingeschleppt wurden.“

Die Grippe, die sich im Gegensatz zur Erkältung, ganz plötzlich wie aus heiterem Himmel mit Fieber entwickelt, ist vor allem für ältere Menschen und Menschen mit einer chronischen Krankheit gefährlich. An den Folgen einer „Influenza“ sterben in Deutschland jedes Jahr mehr Menschen als im Straßenverkehr. Zwischen 5000 und 10 000 Tote seien jährlich durch die Grippe zu beklagen, so die Statistik.

Nebenwirkungen harmlos

Thomas Preis vom Apothekerverband NRW rät zur Impfung: „Man schützt sich selbst – aber auch andere.“ Die beste Impfzeit sei Oktober bis November. Allerdings könne auch jetzt noch geimpft werden. „Die Grippewelle war ja offiziell noch nicht da.“ Karneval beispielsweise sei Hochzeit für Viren und Ansteckung.

Der Impfstoff gelte als empfehlenswert: Er könne auch keine Grippe auslösen. Nebenwirkungen treten bei etwa 13 Prozent der Geimpften auf. Diese beschränken sich allerdings auf Beschwerden wie Rötung, Schwellung oder Schmerzen an der Einstichstelle, die höchstens drei Tage anhielten. Nur in seltenen Fällen käme es zu Abgeschlagenheit.