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TV-Moderatorin Dickmann wollte sich das Sportstudio „nicht antun“

Moderatorin Dickmann wollte sich Sportstudio „nicht antun“

Die Journalistin Barbara Dickmann war 1979 die erste Frau, die die abendlichen Tagesthemen in der ARD moderieren durfte. 1982 war sie die erste deutsche Fernsehreporterin bei einer Fußball-WM. Hanns Joachim Friedrichs bot ihr sogar das Sportstudio an. Das lehnte sie ab. An diesem Donnerstag wird Dickmann 70.

Essen/München. 

Als Journalistin war sie in vielen Bereichen eine Pionierin. Als erste Moderatorin der abendlichen ARD-Tagesthemen hat Barbara Dickmann 1979 Fernseh-Geschichte geschrieben. 1982 erregte sie Aufsehen als einzige Frau im deutschen Fernseh-Reporterteam bei der Fußball-WM in Spanien. 1983 präsentierte sie eine TV-Dokumentation über den Fund der angeblichen Hitler-Tagebücher, der zum Skandal für das Magazin Stern werden sollte. Von 2003 bis 2008 war sie Leiterin der ZDF-Redaktion ML Mona Lisa, machte ein Magazin für Frauen – „aber auch für Männer“. Heute feiert Barbara Dickmann in ihrer Wahlheimat München ihren 70. Geburtstag. Ein Gespräch mit ihr über alte und neue Medien-Zeiten.

Als erste Frau bei den abendlichen ARD-Tagesthemen 1979 mussten Sie viel Gegenwind ertragen.

Barbara Dickmann: Ja. Ich bin in eine Männerdomäne eingebrochen. Dieter Gütt, der damalige Chef der ARD-Aktuell-Redaktion in Hamburg, zu der die Tagesschau und die Tagesthemen gehörten, war der festen Meinung, Frauen haben in den Nachrichten nichts verloren. Bei Dagmar Berghoff hat er vor dem Fernseher gesessen und ihre Versprecher notiert. Die Kollegen der Redaktion haben mich unterstützt. Der Widerstand kam von den Chefredakteuren der ARD. Die haben sehr kritisch hingeguckt. Auch, weil ich natürlich kein unbeschriebenes Blatt war. Ich bin als politisch links eingestufte Journalistin nach Hamburg gekommen.

Ich war mir der Verantwortung bewusst. Ich wusste, wenn ich an dieser Moderation scheitere, dann scheitert nicht nur Barbara D., sondern dann scheitert ein ganzes Programm, nämlich Frauen in die Nachrichten zu holen, ihnen redaktionelle Verantwortung zu geben. Das wäre um Jahre verschoben worden, wenn ich das nicht hinbekommen hätte.

Sie sind begeistert von der ZDF-Nachrichten-Frau Marietta Slomka.

Dickmann: Sie ist eine journalistische Persönlichkeit, die immer brillant vorbereitet ist, die man eigentlich überhaupt nicht auf das Glatteis führen kann.

1982, vor 30 Jahren, waren Sie die erste deutsche Fernsehreporterin bei einer Fußball-WM.

Dickmann: Da sollte eine Frau dabei sein. Ich war sehr sportlich, bin geschwommen, habe Tennis gespielt, bin gerudert. Man hat gesagt: Die holen wir ins Team. Aber: Ich durfte nicht mit nach Spanien! Das haben die Männer übernommen. Ich war in Frankfurt und habe Filme gemacht über Spielerfrauen und darüber, wie Fußball-Trikots gefertigt werden. Hanns Joachim Friedrichs hat mir später übrigens die Moderation des Sportstudios angeboten. Das wollte ich mir dann doch nicht antun. (Lacht) Das war mir zu gefährlich.

Sind Sie ein Fußball-Fan?

Dickmann: Ich gucke mir die großen Spiele an, da fiebere ich mit. Aber diese fast göttliche Verehrung, die Männer dem Fußball-Sport entgegenbringen, da stehe ich fassungslos davor.

Sie haben auch einmal Sport studiert, haben das Studium aber abgebrochen.

Dickmann: Ja, ich hatte eine Sportverletzung im dritten Semester. Beide Ellenbogen waren gebrochen. Da hat mich der Sportarzt gewarnt, mit den Brüchen könnte ich froh sein, später einmal den Kochlöffel halten zu können. Typisch Mann. Aber es war so, dass ich mir überlegte, will ich das, mit 40 oder 50 Jahren als Diplom-Sportlehrerin in irgendwelchen Turnhallen rumstehen. Das wollte ich nicht und habe das aufgegeben.

1983 haben Sie Aufsehen mit einer ZDF-Fernseh-Dokumentation über die – wie später klar war – gefälschten Hitler-Tagebücher erregt.

Dickmann: Mir wurde versichert, dass sie echt seien, seriös von Wissenschaftlern geprüft. Ich habe den damaligen Stern-Reporter Gerd Heidemann, der die Hitler-Tagebücher angeblich gefunden hatte, begleitet. Der hat mich zu seinen Kontaktleuten geführt. Da waren Nazi-Größen dabei, wie der ehemalige SS-General Karl Wolff, der damals mit seiner Tochter am Tegernsee lebte. Ich saß bei ihm, habe Pflaumenkuchen gegessen und dachte: Was machst Du hier eigentlich?

Meine Dokumentation ist im Konjunktiv entstanden. Ich habe nie gesagt, die Hitler-Tagebücher existieren. Ich habe gesagt, es soll so sein, oder Wissenschaftler meinen. Ich habe mir da nichts vorzuwerfen. Ich habe mich da sehr bedeckt gehalten. Wenn ich tief in mich hineinhöre, habe ich daran nie geglaubt. Die TV-Dokumentation lief im ZDF an dem Tag, an dem der Stern mit der Geschichte herauskam. Das war für mich hinterher, als sich das Ganze als eine Fälschung herausstellte, eine schreckliche Erfahrung. Das hat zehn Jahre meines journalistischen und auch privaten Lebens geprägt. Obwohl ich sauber gearbeitet habe.

„Mona Lisa war ein sehr politisches Magazin“ 

2003 bis 2008 waren Sie Leiterin der Sendung Mona Lisa im ZDF.

Dickmann: Ich habe schon ab 1990 für Mona Lisa gearbeitet. Wir haben in der Zeit, als das noch Maria von Welser machte, die Massenvergewaltigungen von Frauen in Bosnien aufgedeckt. Ich war mehrfach in Serbien und Kroatien, auch in den Lagern, wo die Frauen waren. Es war ein sehr politisches Magazin. Als ich Leiterin wurde, wollte ich wieder ein gesellschaftspolitisch relevantes Magazin daraus machen, das sich nicht nur an Frauen, sondern auch an Männer richtet. Denn es nützt gar nichts, wenn Männer und Frauen sich gegenseitig nicht verstehen, wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen. Dann werden wir niemals etwas bewegen.

Was halten Sie von der heutigen Medien-Welt, von Hunderten von TV-Kanälen?

Dickmann: Es geht nur noch um den schnellen Konsum. Diese ständigen Talkshows mit ihrem unreflektierten Gelaber, die Selbstdarsteller, die da moderieren – grauenhaft. Und jeder hat das Gleiche. Was mir fehlt, das sind die großen politischen Dokumentationen und gute Reportagen, die das ZDF noch vor Jahren hatte und auch die ARD. Die sind aufgrund des angeblichen Publikumsgeschmacks in die Sendezeiten um Mitternacht gerutscht.

Sie ärgert der Rein-Raus-Journalismus, wie Sie es nennen.

Dickmann:

Ja, es gibt viel platte Information und es wird wenig Analyse betrieben. Das muss den Leuten Angst machen, weil sie es nicht begreifen.

Sie werden 70. Fühlt sich das anders an als 60?

Dickmann:

Ja! Alle sagen, das ist schon scheintot. So ein Blödsinn, für jemanden, der so aktiv ist wie ich. Gott sei Dank bin ich gesund. Ich schreibe noch, drehe noch Dokumentationen. Und ich bin Dozentin, unter anderem an der Hochschule für Film und Fernsehen in München.