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Wolfgang Bosbach – Todkrank, aber lebensfroh

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach – Todkrank, aber lebensfroh

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Foto: imago/Metodi Popow
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach (61) leidet unter Prostatakrebs. Er hat viele Therapien hinter sich. Jetzt will er keine Tabletten mehr nehmen. Warum tut sich der Mann das an? Falsche Frage, ganz falsche Frage.

Berlin. 

Wolfgang Bosbach erreichen wir im Auto. Er ist in Köln auf der Fahrt zu einer Karnevalssitzung. Da ist der Rheinländer erstens in seinem Element, und zweitens genießt der CDU-Mann jeden Tag, als wäre es der letzte. Es ist eine Haltungsfrage, spätestens seitdem sich in seinem Leben die Frage aufgedrängt hat, „wie oft du das noch erleben kannst“.

Der Abgeordnete ist an Prostata-Krebs erkrankt. Mit der Diagnose geht er offensiv um, gerade wieder im aktuellen „Stern“, und nächste Woche erscheint eine Buchbiografie. Bosbach, wie man ihn kennt: auf allen Kanälen. Für die Journalisten ist er gern da und in seinem Metier – der Innenpolitik – ein Kenner, Profi durch und durch. Er wird nur sauer, wenn man das Gespräch mit ihm sucht, um ihn hinterher dafür in die Pfanne zu hauen, dass er die Medien bedient.

Operation, Akupunktur

Warum tut sich der Mann das an? Falsche Frage, ganz falsche Frage. „Die Arbeit macht mir Spaß, es gibt nichts, was ich lieber machen würde“, erzählt er uns. Die Arbeit lenkt ab, er lebt die Politik intensiv. Der breiten Öffentlichkeit wurde es klar, als er in der Unions-Fraktion ausscherte und die EU-Hilfspakete für Griechenland ablehnte. Da muss man Isolation ertragen, Anfeindungen, da hatte selbst ein Bosbach wenig zu lachen.

Es war die Ausnahme von der Regel: Politik ist für ihn ein Lebenselixier. Caroline, die älteste seiner drei Töchter, sagte dem „Stern“, er hätte versprochen, kürzer zu treten. Aber: „Er kann nicht anders.“ Als er vor der letzten Wahl seiner Frau eröffnete, dass er wieder für den Bundestag kandidiere, hat sie nur einen Satz gesagt: „Das musst Du selber wissen.“

Arbeit auf Krankenschein

Der Unverwüstliche arbeitet quasi auf Krankenschein. Sein Arzt riet ihm, „machen Sie das, was Sie am liebsten machen.“ Andere unternehmen noch eine Weltreise – „Wobo“, wie ihn Freunde nennen, geht in den Innenausschuss. Arbeit ist seine beste Therapie und das Rampenlicht die Bestrahlung, die bei Bosbach noch am ehesten anschlägt.

Im Juni wird Bosbach 62 Jahre alt. Nach dem ersten Befund hieß es, die durchschnittliche Lebenserwartung betrüge noch 23 Jahre. Er hat schnell hochgerechnet: Bis 81? Aber dann haben sich Metastasen gebildet, 23 Jahre waren nicht mehr realistisch.

Keine (falschen) Hoffnungen

Er hat sich in den letzten vier Jahren operieren und bestrahlen lassen, es mit Akupunktur versucht und ein Mittel aus Taiwan geschluckt, aber nun will er nach eigenen Worten nicht noch mehr Tabletten nehmen. Keine (falschen) Hoffnungen. Momentan macht der Abgeordnete aus dem Bergischen Land nach eigenen Worten eine Hormonentzugstherapie. Die bremst den Krebs. Er will Zeit gewinnen. Nur darum kann es noch gehen. „Ich will nur Frieden“, sagte Bosbach dem „Stern“, „ich frage mich, ob ich noch Großvater werde.“

Es ist ein Herz berührender Satz, aber gleichzeitig fragt man sich, warum redet er öffentlich darüber? „Eine solche Erkrankung muss niemandem peinlich sein“, stellt Bosbach erst mal klar, „dafür muss man sich nicht entschuldigen“. Er hat sich durchaus reiflich überlegt, ob er als Todkranker noch eine öffentliche Person sein will. „Wenn man so oft bei Ärzten und in Krankenhäusern sein muss, bleibt das nicht geheim. Dann wird man gefragt. Dann ist es wirklich klüger, wenn man offen ist und gar nicht erst versucht, drum herum zu reden“, sagte er uns.

Herzleistung von 40 Prozent

Es gibt keine Patentrezepte. Jeder Todkranke geht mit seiner Situation anders um. Bosbach ist sich selbst treu geblieben. Man kennt ihn ja nur als lebensfrohen Menschen, der nicht mit dem Schicksal hadert. Seit 1994 leidet der Politiker an einer schweren Herzkrankheit. Sein Herz hat eine Leistungskraft von etwa 40 Prozent. Bosbach hat einen Herzschrittmacher und einen eingebauten Defibrillator gegen den plötzlichen Herztod. Und hat einfach weitergemacht, auch dann noch, als die Krebsdiagnose hinzukam. „Der Arzt sagte, die Wahlperiode kann ich problemlos schaffen.“ Wäre doch gelacht.