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„Tapfere Knirpse“: Fotografen im Einsatz für kranke Kinder

„Tapfere Knirpse“: Fotografen im Einsatz für kranke Kinder

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2014-09-03tk_oskar-1024~a02ab56f-ca2a-4beb-a14d-f58f3631cd6d.jpg Foto: www.jensahner.com
Klinik, OPs, Therapien – die Fotomodelle haben schon viel erlebt. Die Fotografen von „Tapfere Knirpse“ wollen ihnen deshalb Mut machen.

Berlin. 

Oskar strahlt so hell wie die Sonne an diesem Tag. Das Fotoshooting macht ihm sichtlich Spaß. Fröhlich blickt er in die Kamera und steckt mit herzhaftem Lachen seine Eltern an. Frei. Glücklich. Gelassen. Unbeschwert. Den Moment hat der Fotograf Jens Ahner im September 2014 mit seiner Kamera festgehalten. Ein Moment voller Lebensfreude eines „Tapferen Knirpses“ und seiner Familie.

Denn Oskar, heute dreieinhalb Jahre alt, kennt auch andere Zeiten. Geboren ist er mit dem sogenannten Holt-Oram-Syndrom. Deshalb musste er bis heute schon sehr viel Zeit in Spezialkliniken, im Krankenhaus und bei Ärzten verbringen. Nach der Geburt lag er direkt auf der Intensivstation. Die erste Herz-Operation hatte er, da war er gerade zehn Tage alt.

Ohne Operation hätte Oskar nicht überlebt

Das Holt-Oram-Syndrom gehört zu den Herz-Hand-Syndromen, bei denen Fehlbildungen an Hand und Arm mit teils schweren Herzfehlern einhergehen. Bei Oskar fehlen im rechten Unterarm Speiche und Daumen. „Die Hand war nach innen abgeknickt“, erzählt Oskars Mutter Susann Voigt (32). Zudem sind bei ihm die großen Blutgefäße von der Krankheit betroffen. Sein Körper- und Lungenkreislauf liefen bei der Geburt getrennt voneinander. „Ohne die frühe OP hätte er nicht überlebt“, sagt Voigt.

Der Verein „Tapfere Knirpse“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern wie Oskar und ihren Familien kostenlose Fotoshootings zu ermöglichen. Denn für viele Familien ist schier unmöglich, mit ihrem kranken Kind zum Fotografen zu fahren oder ein Fotoshooting in ihren von Arztbesuchen und der Krankheit bestimmten Alltag einzubauen.

Das Fotografen-Netzwerk will deshalb schwer kranken oder behinderten Kindern sowie ihren Familien in schweren Zeiten mit „Herzensbildern“ Mut machen. Abgestimmt auf die Bedürfnisse der kranken Kinder besuchen die Fotografen sie zu Hause oder in der Klinik, ganz wie es den „Tapferen Knirpsen“ und ihren Familien möglich ist. „Wenn düstere Schatten die Familie bedrohen“, heißt es auf der Internetseite des Vereins, „möchten wir ihnen harmonische Momente fotografisch festhalten und ihnen Bilder voller Liebe und Zusammensein, voller Tapferkeit, Hoffnung und Kraft schenken.“ Viele dieser fotografisch festgehaltenen Momente sind im „Tapfere Knirpse“-Blog sowie auf der Facebook-Seite des Vereins zu sehen.

370 Fotografen sind deutschlandweit im Einsatz

Gegründet wurde das Netzwerk im Mai 2013, damals mit 30 Fotografen, die die „Tapferen Knirpse“ und ihre Familien besuchten und fotografierten. Anderthalb Jahre später wurde das Netzwerk zum eingetragenen Verein. Heute gehören ihm deutschlandweit rund 370 professionelle Fotografen an. Einer von ihnen ist Jens Ahner, der beruflich vor allem im Raum Berlin und Umgebung im Einsatz ist.

Der 36-Jährige ist seit April 2014 Mitglied bei den „Tapferen Knirpsen“. Als freiberuflicher Fotograf wird er vor allem für Hochzeiten gebucht, mehr und mehr widmet er sich aber auch der Kindergartenfotografie. Er selbst ist Vater von zwei gesunden Kindern, fünf und zwei Jahre alt. „Meine Motivation ist wohl die Dankbarkeit für das, was meine eigene Familie hat. Davon möchte ich einen klitzekleinen Teil abgeben“, sagt er.

Auf den Verein aufmerksam geworden ist Ahner über Umwege: Befreundete Fotografen sind in einem ähnlichen Netzwerk aktiv; die Idee, sich ebenfalls mit seinem Talent für einen guten Zweck zu engagieren, lag daher nahe. Unabhängig davon machten ihn schließlich zwei Freunde auf die „Tapferen Knirpse“ aufmerksam. „Sie fragten mich, ob das nicht was für mich wäre“, erinnert sich Ahner. Und das war es.

In manchen Regionen werden noch Fotografen gesucht

Bis zu seinem ersten Einsatz sollte es dann aber noch rund fünf Monate dauern. „Gerade im Raum Berlin und Brandenburg ist die Fotografendichte bei den ,Tapferen Knirpsen’ sehr hoch“, weiß Ahner. In anderen Regionen müssten die Fotografen schon mal 100 Kilometer zu einem Shooting fahren oder auch mal einen Termin absagen, weil sie fünf Mal im halben Jahr angefragt würden. Der Vereinsvorsitzende Günter Jagodzinska bestätigt, dass die Fotografendichte in Metropolregionen wie Berlin, Köln, München und dem Ruhrgebiet sehr gut sind. Schlechter sehe es etwa in Norddeutschland oder im äußersten Süden des Landes aus. „Um die Belastung für den einzelnen ,Tapfere-Knirpse’-Fotografen gering zu halten, wäre es schön, wenn wir dort noch Leute gewinnen würden“, sagt er.

Für Jens Ahner war das Shooting mit Oskar bisher der einzige Einsatz für die „Tapferen Knirpse“. Deshalb fällt es dem Fotografen schwer, die Besonderheiten eines solchen Shootings herauszustellen. „Welche Herausforderung das mit sich bringt, ist wahrscheinlich auch abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild und von der persönlichen Belastungsgrenze“, vermutet er.

Ganz unbefangen will er selbst mit den „Tapferen Knirpsen“ umgehen, nicht die Krankheit in den Fokus stellen. Eine Besonderheit sei vielleicht, dass ein Shooting mit einem der betroffenen Kinder dem Fotografen eine höhere Flexibilität abverlange. „Es kann immer mal sein, dass ein Termin kurzfristig platzt, weil es dem Kind nicht gut geht oder es plötzlich ins Krankenhaus muss“, erklärt er. „Aber im Grunde genommen sind das für mich ganz normale Familien, die alles für ihre Kinder tun und einfach schöne Erinnerungen, schöne Fotos haben wollen.“

Entschädigung für das, was Oskar schon erlebt hat

Über genau diese schönen Erinnerungen an einen Spätsommertag im September 2014 freuen sich Susanne und Jens Voigt (37) noch heute. „Herr Ahner hatte eine so tolle Art drauf, da war Oskar direkt offen, obwohl er in der Phase damals eher Probleme mit fremden Leuten hatte“, erinnert sich Oskars Mutter. „Es war eine so schöne Geste, eine so tolle Abwechslung im Alltag – und für Oskar sicher ein bisschen auch wie eine Entschädigung für das, was er schon alles erleben musste.“

Heute geht es Oskar gut. Er sei ein fröhlicher, aufgeschlossener Junge, sagt Susann Voigt. „Es ist zwar nicht so, als hätte er eine gesunde Hand, aber die Fehlstellungen sind korrigiert“, erzählt Oskars Mutter. „Wenn man ihn sieht, würde man nicht denken, dass er schon so viel durchgemacht hat.“

Dennoch hat Oskars Krankheit nach wie vor Auswirkungen auf den Alltag der Familie. Hoffen, Bangen, Kämpfen sind für die Voigts ständige Begleiter. Einmal in der Woche muss Oskar zur Ergotherapie, alle zwei Monate hat der tapfere Kerl einen Termin beim Kardiologen. Die Arzttermine werden Oskar wohl sein Leben lang begleiten. „Es bleibt immer ein Risiko, gerade was das Herz betrifft“, sagt seine Mutter. „Wir sind immer sehr angespannt und hoffen, dass nicht wieder ein operativer Eingriff nötig sein wird.“