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Kastelruther Spatzen verteidigen sich gegen Schummel-Vorwurf

Kastelruther Spatzen verteidigen sich gegen Schummel-Vorwurf

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Kastelruther Spatzen in Kirchhellen. Foto: Heinrich Jung/WAZ FotoPool
Auf der Bühne spielten die Kastelruther Spatzen ihre Instrumente immer selbst, im Studio holten sie sich dafür jedoch professionelle Musiker heran. Ein ehemaliger Wegbegleiter nennt das einen „Riesenschwindel“. Band und Plattenfirma können die Aufregung nicht verstehen – manch ein Fan auch nicht.

Kastelruth. 

Letzten Monat haben sie noch gefeiert. Haben vor 40.000 Fans „Die weiße Braut der Berge“ besungen oder „Das Geheimnis der drei Worte“ beschworen.

Beim alljährlichen Spatzenfest in Kastelruth. Wo sie herkommen, die Kastelruther Spatzen. Ganz Große ihrer Zunft und schon ewig im Geschäft. Quasi die Rolling Stones der Volksmusik. Nur zu siebt und ohne Skandale. Bis jetzt. Denn jetzt kommt heraus. Offenbar hat die Gruppe ihre CDs im Studio gar nicht selber eingespielt.

„Nur die Stimme von Sänger Nobert Rier ist echt. Sonst nichts“, sagte ihr Produzent Walter Widemair der „Bild“-Zeitung und spricht von einem „Riesenschwindel“. Band und Plattenfirma bestätigen den Einsatz von Studiomusikern, können die Aufregung aber nicht verstehen. Das sei in der Branche angeblich gang und gäbe.

„Alles erschwindelt“

Widemair ist kein Unbekannter in der Szene. Schon weil er als einer der ersten die Volksmusik mit Elementen des klassischen Schlagers anreicherte. Unter anderem als Produzent für die Kastelruther Spatzen. Die fuhren gut mit dieser Mischung, wie 61 goldene und 18 Platin-Schallplatten sowie 13 Echo-Musikpreise in den letzten 29 Jahren zeigen. Dabei können sie angeblich gar nicht spielen, behauptet Widemair. „Alles erschwindelt“, sagt er.

Auf allen Studio-CDs der Band hätten „hervorragende Studiomusiker“ zu den Instrumenten gegriffen und Sänger Norbert Rier begleitet. Er selbst habe Trompete geblasen, der Gitarrist von Howard Carpendale und der Schlagzeuger der ‚Söhne Mannheims‘ seien auch mal dabei gewesen. „Aber niemals einer von diesen Bierzeltmusikanten, die sich Spatzen nennen.“

Nur bei Live-Konzerten würden Valentin Silbernagl, Walter Mauroner, Albin Gross, Karl Heufler, Kurt Dasser und Rüdiger Hemmelmann selber spielen. Da zeige sich dann allerdings auch die „durchschnittliche Qualität“ der Musiker. „Ich habe mich oft für die unsägliche Schrammelei geschämt.“ Viele Jahre habe er geschwiegen, nun könne er nicht mehr mit der Lüge leben.

Werbung fürs eigene Buch

Sänger Norbert Rier beklagt nun eine „große menschliche Enttäuschung“, Keyboarder Albin Gross versichert, „wir hatten nie Streit mit Herrn Widemair“ und wundert sich über den Zeitpunkt der Enthüllung. Der 54-Jährige wolle offenbar für sein demnächst erscheinendes Buch über die „Kastelruther Spatzen“ („Wenn Berge nicht mehr schweigen“) werben.

In der Sache selbst aber sagt der Musikproduzent die Wahrheit. „Wie bei allen professionellen Produktionen wurden auch Studiomusiker eingesetzt“, versuchen sich Band und Plattenfirma in einem gemeinsamen Statement aus der Affäre zu ziehen. Das sei „weltweit und über alle musikalischen Genres üblich“. Zudem könne von Betrug schon deshalb nicht die Rede sein, weil man alle mitwirkenden Musiker immer im Beiheft der CD aufgeführt habe.

Fans bleiben treu

Erfahrungsgemäß allerdings liest kaum jemand solche Begleitheftchen. „Nein“, sagt Brigitte Alfs, die gemeinsam mit ihrem Mann Wilhelm vor Jahren in Haltern den Spatzen-Fanclub „Sythener Sandhasen“ gründete, „das wusste ich nicht. Das ist überraschend für mich.“ Aber es ist kein Grund, den Spatzen die Freundschaft zu kündigen. „Wichtig sind für uns die Live-Konzerte. Und da fanden wie die Gruppe immer toll.“

Ähnlich sieht es Ursula Waldow aus Dorsten, die bis vor einiger Zeit den Fanclub „Lippespatz“ leitete. Vom Ersatz im Studio habe ihr vor einiger Zeit schon mal Norbert Rier persönlich erzählt. „Damit kann ich leben.“ Mit einer Täuschung bei Konzerten nicht. „Aber da haben sie ja selbst gespielt.“