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Schnurren, Blinzeln, Kratzen – So deuten Sie das Verhalten Ihrer Katze

Schnurren, Blinzeln, Kratzen – Was Katzen damit sagen wollen

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Foto: Getty
In jedem sechsten Haushalt in Deutschland lebt eine Samtpfote. Doch immer wieder gibt es Missverständnisse zwischen Tier und Mensch. Wohl auch deswegen, weil der Besitzer gerne zur Vermenschlichung neigt. Eine Verhaltensforscherin klärt auf.

„Unberechenbar“, „eigenständig“ – jeder hat seine Meinung zu dem beliebtesten Haustier der Deutschen: der Katze. In jedem sechsten Haushalt soll eine „Samtpfote“ leben. Doch immer wieder gibt es Missverständnisse zwischen Tier und Mensch. Häufig, weil der Besitzer gerne zur Vermenschlichung neigt. Die Verhaltensforscherin Birgit Rödder beschäftigt sich seit Jahren mit dem Verhältnis der Katze zum Menschen.

Hundebesitzer schwärmen von der Treue ihres Vierbeiners und der engen Bindung. Wie sieht es bei Katzen aus? Reiner Dosenöffner, oder ist der Mensch doch mehr als das?

Birgit Rödder: Katzen sind deutlich flexibler als Hunde, die auf ihr Herrchen oder Frauchen angewiesen sind. Es gibt immer noch Katzen, die hängen mehr am Haus und der gewohnten Umgebung, als am Menschen.

Aber es gibt auch viele, die sehr anhänglich sind. Vor allem Handaufzuchten sind darin oft extrem. Jede Katze tickt anders, es sind und bleiben Individualisten.

Ist denn dieses augenscheinliche Beleidigtsein, wenn man im Urlaub war, eine Vermenschlichung oder nicht doch ein Beweis für Treue?

Rödder: Katzen sind sehr konservative Tiere. Sie lieben ihren geregelten Tagesablauf und fühlen sich gestört und unwohl, wenn der Dosenöffner nicht mehr da ist und alles anders abläuft. Deswegen ist auch eine häufige Reaktion, dass sie direkt rausläuft, wenn der Besitzer nachhause kommt. Das signalisiert: „So jetzt ist er wieder da, alles läuft wieder normal ab.“

Wie Katzen versuchen, uns zu hypnotisieren 

Was ist denn für Sie der größte Liebes- oder Vertrauensbeweise einer Katze?

Rödder: Wenn sie sich entspannt am Bauch streicheln lässt. Das ist die sensibelste, schutzloseste Zone – dazu gehört viel Vertrauen.

Ich habe gehört, dass das „Rücken zukehren“ auch ein Vertrauensbeweis ist, weil es zeigt, dass die Katze uns nicht im Blick hat, uns also blind vertraut.

Rödder: Es hat zweierlei Bedeutung. Einmal ist es eine Stressvermeidungstaktik, weil es zu keinem Blickkontakt kommt und damit ein Konflikt und potentieller Stress vermieden wird. Aber wenn man zum Beispiel mit der Katze zusammen im Garten sitzt und sie sich vor uns hinsetzt, ist das auch ein Zeichen von „ich fühl mich hier draußen sicher, weil Du neben mir sitzt, Du passt schon auf mich auf“.

Wie kann man das Anblinzeln denn deuten, es sieht so aus, als wolle die Katze uns geradezu Hypnotisieren …

Rödder: Das trifft es auch ganz gut. Das Blinzeln ist eine Beschwichtigung. Man nennt es auch „das Lächeln der Katze“. Das soll ihre Friedlichkeit demonstrieren und dem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen.

Es ist auch gut, und stärkt die Bindung, wenn wir zurückblinzeln. Die Katze registriert das und deutet es als Zeichen von „wir sind auf einer Wellenlänge, haben dieselbe friedliche Absicht“. Für die Katze ist das sehr entspannend.

Können Katzen unsere Gestik und Mimik denn wirklich deuten?

Rödder: Ja, das lernen sie. Viel läuft, wie gesagt, über den Augenkontakt. Und an die Stimmlage und die dazugehörige Stimmung beim Menschen gewöhnt sich eine Katze auch. Junge Katzen müssen erst mal lernen, dass lautes Lachen und Zeigen der Zähne positiv gemeint ist. Das können sie aber schnell zuordnen. Ich setze Lachen sogar als Beruhigungsmethode ein.

Wenn die Katze mit dem Schwanz hin- und herschlägt: Heißt das für mich sofortiger Rückzug?

Rödder:

Nicht unbedingt, das kommt auf den Zusammenhang und die restliche Körpersprache an. Erst mal bedeutet es Erregung, Aufregung und kann sogar positiv gemeint sein. Aber es kann auch eine Erregung sein, weil sie sich gerade nicht entscheiden kann.

…zum Beispiel vor der Terrassentür, wenn es wieder rein und raus geht…

Rödder:

Genau. Dann bewegt sich meist nur die Schwanzspitze. Daran kann man wirklich diese sprunghaften Gedanken ablesen. Aber wenn es heftig hin und her geht, geht es schon eher in Richtung Angriff, Anspannung – wenn auch manchmal nur spielerisch.

Wenn der Schwanz beim Kraulen zuckt?

Rödder: Dann weiß ich, dass ich gerade eher im suboptimalen Bereich streichle…am besten ich wechsle dann die Körperstelle, oder ändere Tempo oder Druck. Wenn ich einfach stoisch weitermache, könnte es passieren, dass ich bald die Krallen spüre. Also immer auf die Körpersprache achten. Die Katzen zeigen eigentlich immer, wenn ihnen etwas nicht mehr passt.

Vorsicht vor frustrierten Katzen! 

Es gibt aber Katzen, die beißen oder kratzen ohne Vorwarnung, was ist da schiefgelaufen?

Rödder:

Ich sage mal, das sind frustrierte Katzen, ohne dem Besitzer zu nahe zu treten, aber dann scheint schon lange ein falsches Verhalten eingefahren zu sein. Wenn Menschen die Anzeichen über einen längeren Zeitraum nicht deuten und einfach weitermachen, speichert die Katze ab: „Ich kann mich nur aus dieser Situation retten, wenn ich deutlicher werde, beiße oder zuschlage“. Der Mensch hat auch nicht das Recht dazu, die Katze auf Deubel komm raus zu streicheln, weil er es gerade möchte.

Komm ich aus diesem Teufelskreis wieder raus?

Rödder: Mit viel Geduld. Man vermeidet solche heftigen Reaktionen am besten, indem man vorher aufhört zu streicheln, und gibt ihr dadurch Sicherheit, die Situation unter Kontrolle zu haben, ohne „ausrasten“ zu müssen. Im Laufe der Zeit – und unter Berücksichtigung der Körpersprache der Katze – kann man dann die Streicheleinheiten langsam ausdehnen.

Ab und an aus der Hand Leckerchen geben, ist auch hilfreich, damit sie spürt, dass davon keine Gefahr ausgeht. Und übrigens, um Überraschungen zu vermeiden: Wenn die Katze sich auf dem Boden wälzt und den Bauch zeigt, heißt das nicht, dass sie dort gestreichelt werden möchte. Das ist eine Spielaufforderung und auch nicht wie beim Hund eine Unterwerfungsgeste.

Anderes Thema. Können Katzen eigentlich eifersüchtig sein?

Rödder: Eifersucht gibt es definitiv, die Angst, den wichtigen Sozialpartner an einen „Konkurrenten“ zu verlieren. Katzen können auf einen neuen Partner mit Eifersucht reagieren, aber auch, wenn sich der Mensch anderen Katzen zuwendet, und sie dabei sogar noch zusehen muss. Sie plagt dann vielleicht sogar Verlassensängste.

Also im Zweifel zu meiner Katze stehen und andere Katzen links liegen lassen?

Rödder: Man kann versuchen zu vermitteln, indem man abwechselnd die eigene Katze und dann die andere Katze streichelt. Das muss aber nicht klappen. Ein großes Problem ist es, wenn sich Leute eine zweite Katze ins Haus holen, womöglich eine junge und die alte ignoriert wird. Hier sollte ganz klar die Katze, die man schon länger hat, bevorzugt werden. Sie hat nämlich Erwartungen an den Menschen, die kleine Katze hat die noch nicht und fühlt sich auch nicht vernachlässigt.

Jetzt aber doch zum Abschluss eine Frage, mit hoffentlich bejahender Antwort, um die Katzenliebhaber zu beruhigen: Köpfchen geben, um die Beine streichen, zeigt die große Liebe, oder?

Rödder: Ich bin da realistisch. Also in erster Linie reiben sich Katzen, um ihren Menschen und ihr Revier zu markieren. Aber: Eine Katze markiert nicht jeden – also ist es doch auch ein Zeichen von, „du gehörst zu mir und ich mag dich“.

Es gibt auch Erfahrungen, dass Katzen besonders anhänglich sind, wenn es ihrem Menschen schlecht geht.

Rödder: Ich will nicht so pessimistisch sein, aber auch da wäre ich vorsichtig, dass man nicht zu sehr interpretiert. Es kann natürlich sein, dass so eine starke Bindung da ist, dass die Katze es spürt und Nähe sucht. Es kann aber auch sein, dass sie auf den Schoss springt, weil man ruhig auf der Couch liegt – oder ihr durch die eigenen Probleme nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt.