Veröffentlicht inPanorama

„Scheidung vom Kind“ – Wenn der eigene Vater ein Fremder ist

„Scheidung vom Kind“ – Wenn der eigene Vater ein Fremder ist

37-grad-zdf.jpg
37 Grad: Scheidung vom Kind Foto: Katrin Wegner/ZDF
Die aktuelle Ausgabe der Reihe „37 Grad“ erzählt die schwierige Annäherung von Eltern und Kindern, die sich über die Jahre voneinander entfernt haben.

Mainz/Bochum. 

Wenn eine Ehe in die Brüche geht, leidet oft auch die Beziehung zu den Kindern. Die ZDF-Reportage „37 Grad: Scheidung vom Kind“ portraitiert zwei zerrissene Familien. Die Väter hatten jahrelang keinen Kontakt zu ihrem Nachwuchs – bis sie das Versäumte nachholen und ihre Sprösslinge ein zweites Mal kennenlernen wollten. Auch die Kinder ließ der jäh aus ihrem Leben verschwundene Vater nicht los. Eine schwierige Annäherung.

Filmemacherin Katrin Wegner zeigt zwei sehr unterschiedliche Vätertypen, in denen sich viele Zuschauer wiedererkennen können. Ihre Reportage erzählt von Wut und Mut, Angst und Hoffnung – bei den Vätern wie bei den Kindern.

Den ersten Vatertyp verkörpert Sebastian Arnold, viel beschäftigter Immobilienmakler, der schon vor der Trennung selten bei seiner Familie war. Danach erwarteten er und seine Tochter Laura gegenseitig, die Initiative zu ergreifen. Ergebnis: Beide blieben passiv.

Zwischen Fotoalbum und Facebook

Der zweite Vatertyp ist Michael Janus. Der Theaterrequisiteur zog sich zurück, als seine Ehe scheiterte. Er baute sich eine zweite Familie auf. Inzwischen will er an Sohn Laron gutmachen, was er zehn Jahre lang verpasste.

Zwei Väter, zwei Kinder, ein Problem: die verlorene Beziehung. In den Interviews ringen sie lange um Worte, dann sprudeln sie nur so aus ihnen heraus. Melancholie liegt in diesen Szenen, die leise Klaviermusik betont sie sogar noch.

Alle Beteiligten scheuen das Vorpreschen, wollen den anderen nicht in die Ecke drängen und ersehnen es irgendwie doch. Immer wieder wälzen die Väter verlegen Fotoalben, klicken sich durch Facebook-Profilbilder, um Zeit zu gewinnen. Filmemacherin Wegner hält sich mit Kommentaren klugerweise zurück; das Publikum soll sich selbst ein Bild machen.

Wut und Enttäuschung im nebligen Bochum

Wichtig ist für beide Väter und ihre Kinder die Ortswahl des ersten Treffens; sie hat Einfluss auf den Verlauf der Gespräche. Sebastian Arnold trifft sich mit seiner Tochter am Fuß einer Burgruine, gemeinsames Ausflugsziel von einst. Wie Gegner stehen sich Vater und Tochter in einem zögerlichen Gespräch gegenüber.

Unausgesprochene Botschaft des Films: So fremd können sich Vater und Tochter werden. Die trutzige Kulisse wirkt wie ein Sinnbild der ruinierten Beziehung. „Ich fühle mich wie ein Projekt, dass grade in seinen Zeitplan passt“, sagt die 25-Jährige. Sie wartet weiter auf die Aussprache, die nicht kommt.

Michael Janus hingegen spürt eine „unsichtbare Brücke“ zu seinem Sohn, die er wieder betreten müsste. Warum er es nicht tut, weiß er nicht. Er ist ein Getriebener, auch von Sohn Laron.

Der junge Mann ergreift die Initiative, lädt seinen Vater kurzerhand zu sich ein und verlangt ein Gespräch. Dann das erste Treffen seit zehn Jahren: Der Bochumer Student geht zum Angriff über, redet sich im Morgennebel Wut und Enttäuschung von der Seele.

Wie wird der Vater reagieren?

Fazit: 30 emotionale Film-Minuten, wie man sie von der ZDF-Reihe erwartet. Bedrückend, aber auch Mut machend: Für eine Aussprache ist es nie zu spät.

Dienstag, 9. Juni, ZDF, 22.15 Uhr