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Sarah Kuttner löst mit „Negerpuppe“ Debatte um politisch korrekte Wortwahl aus

Sarah Kuttner löst mit „Negerpuppe“ Debatte aus

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"Ich bin ja eigentlich ein kleiner Meckerkopp" (dapd)
Darf Sarah Kuttner von einer „Negerpuppe“ mit „hässlichen Schlauchbootlippen“ sprechen? Nachdem ein Zuhörer ihrer Lesung in Hamburg die Moderatorin wegen Beleidigung angezeigt hat, läuft auf der Facebook-Seite der Autorin eine hitzige Debatte über die politische korrekte Bezeichnung.

Hamburg/Essen. 

Ihre Äußerungen über eine „Negerpuppe“, die sie als Kind besessen habe, haben Moderatorin Sarah Kuttner nicht nur eine Anzeige wegen Beleidigung eingebracht, sie lösten auf Facebook auch eine politische Debatte aus. Darf man Begriffe wie „Negerpuppe“ heute noch verwenden? Hätte Sarah Kuttner besser von einer „maximal pigmentierten Puppe“ sprechen sollen? Auf der Facebook-Seite der Moderatorin läuft eine lebhafte Diskussion darüber.

Hintergrund ist die Lesung der 33-jährigen Autorin am 18. Mai in Hamburg. Nach einem Bericht der „Hamburger Morgenpost“ zeigte ein Zuhörer mit äthiopischen Wurzeln Kuttner wegen Beleidigung an. Die Moderatorin soll bei einer Lesung aus ihrem Roman „Wachstumsschmerz“ von einer „Negerpuppe“ gesprochen haben, die sie als Kind von ihren Eltern geschenkt bekommen habe. Diese habe „Schlauchbootlippen“ gehabt, die sie so ekelhaft gefunden habe, dass sie die Puppe nicht behalten wollte. „Das war einfach nur rassistisch“, sagte Benjamin Bäuml, der in Hamburg lebt, aber äthiopische Wurzeln hat, gegenüber der „Hamburger Morgenpost“.

Bücher spiegeln ihre Zeit wider

Astrid Lindgren gab ihrer Heldin Pippi Langstrumpf einen „Negerkönig“ als Vater, Enid Blytons „Fünf Freunde“ sind „Zigeunern“ auf der Spur und die beliebtesten Karnevalsverkleidungen in Ottfried Preußlers „Die kleine Hexe“ sind „Neger“, „Zigeuner“ und „Eskimos“. „Die Bücher sind ein Spiegel ihrer Zeit, „erklärt Bettina Müller von der Stiftung Lesen, „sie arbeiten mit alten Begriffen, die heute als nicht politisch korrekt wahrgenommen werden.“

Astrid Lindgren schrieb ihre Pippi Langstrumpf-Geschichten in den 1940er-Jahren, eine Zeit, in der der Begriff „Neger“ üblich für Menschen mit schwarzer Hautfarbe war. Auch Nutzerin „Fräulein Wunder“ sieht nichts Schlimmes in der Verwendung des Begriffs in diesem Zusammenhang: „Ich hatte früher als Kind auch eine „Negerpuppe“ und wenn ich heute darüber spreche, dann sage ich dies auch noch, genauso wie ich Negerkuss sage.“ Die Frage nach der politisch korrekten Anpassung heikler Begriffe lässt sich nicht so einfach lösen, weiß Bettina Müller: „Man wird heute in einem Kinderbuch sicherlich nicht von einem „Menschen mit afro-amerikanischen Wurzeln‘ sprechen.“

Neuflagen von „Pippi Langstrumpf“ ohne den „Negerkönig“

Der Oetinger Verlag, in dessen Haus die „Pippi Langstrumpf“-Bände erscheinen, hat sich dennoch im Jahr 2009 für eine Anpassung entschieden. In allen Neuauflagen und Neuaufnahmen ab 2009 sind die Worte „Neger“ und „Zigeuner“ nicht mehr zu finden. „Eine Zeitlang haben wir Fußnoten in den Ausgaben dazu gestellt, welche die Begriffe erklärt haben,“, berichtet Judith Kaiser von der Verlagsgruppe Oetinger, „aber wir sind dazu übergegangen, die Begriffe zu ersetzen oder zu streichen, weil sie nicht mehr dem heutigen Menschenbild entsprechen.“

So wird beispielweise Pippi Langstrumpfs Papa jetzt als „Südseekönig“ bezeichnet, der die „Taka-Tuka-Sprache“ spricht. Oft sind es Eltern, die beim Vorlesen über die alten Formulierungen stolpern, daher beantwortet der Verlag diese Frage an prominenter Stelle auf seiner Homepage.

Moderne Anpassung ist abhängig von jeweiliger Geschichte

„Die eine, allgemein gültige politisch korrekte Neuwortwahl für den Begriff ‚Neger‘ gibt es bei uns nicht, „erklärt Kaiser, „die einzelne Wortwahl ist abhängig von der jeweiligen Geschichte. Das Wort ‚Neger‘ kommt aber definitiv in keinem der neuen Kinderbücher vor.“ Nicht nur Pippi Langstrumpf wurde in dieser Hinsicht dem modernen Sprachgebrauch angepasst: „Unser Lektorat hat vor einiger Zeit sämtliche Werke auf diese Begriffe untersucht und sie angepasst.“

Im Fall von „Lotta aus der Krachmacherstraße“ wurde aus dem kleinen „Neger-Sklaven“, als der Lotta sich verkleidet, ein „Sklave aus Afrika“. Gänzlich gestrichen wurde jegliche Assoziation mit dem Begriff „Neger“ aus einem Band der „Bullerbü“-Serie: Protagonist Lasse malt ein komplett schwarzes Bild, das in der Fassung aus den 1950er-Jahren sieben „schwarze Negerlein“ zeigen soll. Heute malt Lasse stattdessen sieben schwarze Katzen.

Kuttner reagierte am Donnerstag auf die Vorwürfe auf ihrer Facebook-Seite. „Ich bin kein Rassist. Ich habe mich auf keiner meiner Lesungen rassistisch geäußert, ganz im Gegenteil: Ich habe mich über ein rassistisches Spielzeug echauffiert“, schrieb die 33-Jährige. Die gut 800 Facebook-Kommentare auf Kuttners Seite, die sich in teils hitzige Debatten entwickelten, wurden inzwischen gelöscht. Auf die Stellungnahme Kuttners folgten bislang 1 300 Kommentar als Reaktion.

Ihr ehemaliger Kollege bei Viva, der Moderator Mola Adebisi, heizte die Debatte weiter an. Der „Hamburger Morgenpost“ sagte er, dass Kuttner bei Viva häufiger rassistische Witze gemacht habe, die sich auch gegen ihn gerichtet hätten.