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Rudi Carrell war der Perfektionist unter den Comedians

Rudi Carrell war der Perfektionist unter den Comedians

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Rudi Carrell, ARD-Show 'Am laufenden Band', Bremen, 01.05.1974, Foto: Getty Images
Er gilt als einer der größten Showmaster der TV-Geschichte. An diesem Freitag wäre der 2006 verstorbene Entertainer Rudi Carrell 80 Jahre geworden.

Bremen. 

An diesem Freitag wäre er 80 Jahre alt geworden. Was ihn wahrscheinlich selber am meisten überrascht hätte. Gerne tief ins Glas geguckt, bis zu 80 Zigaretten am Tag geraucht, „so wie ich gelebt habe“, hat Rudi Carrell mal gesagt, nachdem die Ärzte 2005 unheilbaren Lungenkrebs bei ihm diagnostiziert hatten, „hätte es mich eigentlich schon viel früher erwischen müssen.“ Nicht nur für ihn, auch für die Deutschen wäre das schade gewesen. Sie hat er fast fünf Jahrzehnte unterhalten.

Mitte der 1960er-Jahre taucht er mit seinem rollenden R in der Stimme zum ersten Mal auf deutschen Bildschirmen auf. Der legendäre TV-Produzent Mike Leckebusch hat ihn beim Fernsehfestival in Montreux entdeckt, wo der Niederländer eine Silberne Rose gewinnt. Schnell holt Leckebusch die in Holland schon länger laufende Rudi-Carrell-Show über die Grenze und bietet den Deutschen damit einen Humor, den sie – zumindest im TV – nicht kennen.

Kein Scherz zu dumm, keine Situation zu peinlich

Denn Carrell ist nie ein Mann der leisen Töne. Kein Scherz ist ihm zu dumm, kaum etwas peinlich. Und er kann auch über sich selber lachen. Zustimmung des Feuilletons ist ihm gleich, er will den Applaus der Masse, will „dass die Leute lachen und weinen“. Der Sohn eines Alleinunterhalters hat es nicht anders gelernt. Gerade 14 ist er, da moderiert er einen Schulabend in seiner Heimatstadt Alkmaar so gekonnt, dass das Publikum vor Lachen aus den Klompen fällt. Ein Jahr später nimmt ihn der Papa mit auf Tournee, mit 17 bricht er die Schule ab, springt ein, wenn der Vater verhindert ist. „Ich kannte ja alle seine Witze.“

So ähnlich wird es bleiben in all den Jahren, die folgen. Rudi Carrell ist kein Meister der Improvisation, kein Freund von Spontaneität. Pedantisch bereitet er sich auf jede Show, jede Nummer darin vor. Und er versucht gar nicht erst, zu verheimlichen, dass die meisten seiner Witze andere für ihn erdacht haben. Wichtig ist, dass er sie besser erzählt als die meisten Kollegen. „Einen Besessenen“ hat ihn Thomas Woitkewitsch genannt, der viele Jahre als Redakteur für die Shows von Carrell verantwortlich war. „Er kannte nur seine Arbeit.“

Carrells Zorn war legendär

Die hat er „unglaublich präzise“ verrichtet, wie sich Kabarettist Jochen Busse später mal erinnert. Dabei seien die Ansprüche des Holländers extrem hoch gewesen. „Aus dem, was Rudi an Ideen weggeworfen hat, hätten andere ganze Serien gemacht“, sagt Busse. Carrell will der Beste sein. Und wehe es stört ihn jemand dabei. Seine Wutausbrüche sind gefürchtet, sein Zorn ist legendär.

Das Publikum ahnt nichts davon. Vor der Kamera strahlt Carrell mit den Scheinwerfern um die Wette. Er holt internationale Stars wie Muhammad Ali oder Telly Savalas ins Deutsche Fernsehen und überrascht seine Zuschauer jahrzehntelang mit immer neuen Ideen. Carrell nimmt sie mit auf „Das laufende Band“ und zur „Tagesshow“, lässt sie mit ihrem „Herzblatt“ träumen oder lädt sie ein „Lass dich überraschen“. So viele Erfolge hat er, dass die Flops, die es auch gab, bald so vergessen sind, wie die schrecklichen Kinofilme, die er gedreht hat. Und so beliebt ist er, dass sein chaotisches Privat- und Liebesleben ihm ebenso wenig schadet, wie der eine oder andere geschmacklose Witz, den er vor laufender Kamera reißt.

Letzter Auftritt bei derVerleihung der Goldenen Kamera

Carrell hat stets geglaubt, er sei „für das Fernsehen geboren“. Da braucht es schon mehr, als einen Tumor in der Lunge, um ihn von einem letzten Auftritt abzuhalten. Körperlich nur noch ein Strich in der Landschaft, nimmt er im Februar 2006 unter tosendem Applaus die Goldene Kamera für sein Lebenswerk entgegen. „Es war mir eine Ehre in diesem Land Fernsehen machen zu dürfen“, bedankt er sich mit durch die Chemo heiser und hoch gewordener Stimme, um sich wenig später über genau diese Stimme lustig zu machen. „Der Bohlen spricht immer so.“

Am 7. Juli 2006 stirbt Carrell in Bremen. Ein öffentliches Begräbnis hat er sich verbeten, aus Angst, die Jacob Sisters könnten mit ihren Pudeln kommen. „Damit zerstören sie doch jede Atmosphäre.“ Selbst auf einen Gedenkstein hat er wenig Wert gelegt. Nicht nötig, hat er geglaubt. „Was von mir bleiben wird“, hat der Entertainer, in einem seiner letzten Interviews gesagt, „sind die Wiederholungen im Fernsehen.“