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Psycho-Thriller mit Julia Koschitz in bester Hitchcock-Manier

Thriller mit Julia Koschitz in bester Hitchcock-Manier

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Foto: SWR/Markus Fenchel
Ein schillernder Macho wird in einem Vergewaltigungsprozess freigesprochen. Anschließend baggert er seine Anwältin an. Sie befindet sich plötzlich „In gefährlicher Nähe“zu ihrem Ex-Mandanten. Kann das gut gehen? Der ARD-Film spielt in bester Hitchcock-Manier mit Ängsten und Zweifeln, Skepsis und Vertrauen.

Stuttgart. 

Am Ende hält der Film nicht, was er am Anfang verspricht. Lange spielt Regisseur Johannes Griesers Psycho-Thriller „In gefährlicher Nähe“ (Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr) mit Zweifeln und Ängsten der Anwältin Lea Jung (Julia Koschitz), bei denen aus düsteren Erinnerungen dunkele Vorahnungen zu werden scheinen. Doch schließlich fügt sich alles zu eindeutigen Gewissheiten zusammen, als sei die Geschichte von Holger Joos eine Rechenaufgabe, bei der kein Rest übrig bleiben darf. Geschenkt. Bei diesem Film ist der Weg wichtiger als das Ziel.

Was als Psycho-Thriller endet, beginnt als Justiz-Drama. Lea Jung paukt einen schillernden Mandanten aus einem Vergewaltigungsprozess heraus: Nick Storm (Matthias Koeberlin). Das mutmaßliche Opfer, Storms Ex Yvonne Schubert (Johanna Klante), steht schließlich als krankhafte Lügnerin da; ein Gutachter hat es ihr bescheinigt. Doch Zweifel bleiben. Was war Prozess Geschick, was sind bestellte Wahrheiten, was ist wirklich passiert? Genau halten Regisseur und Drehbuch-Autor in bester Hitchcock-Manier in der Schwebe. Dass ihnen das gelingt, liegt an den Rollenprofilen der tragenden Figuren, allen voran eine Anwältin. Sie ist ein weitgehend mutterlos aufgewachsenenes Papa-Kind. Wenig Selbstbewusstsein stehen logischerweise viele Selbstzweifel gegenüber. Sie arbeitet in der Kanzlei ihres Vaters (Michael Mendl), als Angestellte, gleichberechtigte Partnerin ist sie nicht.

Sie hat einen Sprachfehler – sie kann nicht Nein sagen

Als genauso dominant wie ihr Vater erweist sich ihr Mandant, der sie unmittelbar nach dem Prozess anbaggert. Dabei ist Nick Storm fast übergriffig. Die Anwältin hat offenkundig einen Sprachfehler; sie kann nicht Nein sagen.

Zugleich wird sie von Storms Ex in Stalker-Manier bedrängt. Yvonne Schubert gelingt es, Zweifel bei ihrer Juristin zu säen.

Julia Koschitz erweist sich als mädchenhafte Juristin mit Bindungsangst als perfekte Besetzung. Nicht nur wegen ihres Gesichts mit den großen, ausdrucksstarken Augen und ihrer zierlichen Figuren. Die 39-jährige Schauspielerin verkörpert auch Misstrauen, Scheu, Ängstlichkeit mit einer Glaubwürdigkeit wie nur wenige Kolleginnen sonst. Und Johanna Klante wirkt wie Koschitz’ Alter Ego in Blond. Dazwischen steht Matthias Koeberlin, dessen offensiver Draufgänger-Charme seiner Figur entsprechend eine lauernd aggressive Note besitzt.

Regisseur Grieser weiß um die Strahlkraft seines Ensembles. Er inszeniert den Psycho-Grusel kammerspielartig an nur wenigen Schauplätzen. Im Zentrum steht das Sommerhaus des Anwalts mit einem froschgrünen Tümpel, der eine symbolische Rolle spielt. Er bebildert eine Redensart augenfällig: Stille Wasser sind oft tief.