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Pfarrer aus Gevelsberg fährt zu Olympia 2012 nach London

Pfarrer aus Gevelsberg fährt zu Olympia 2012 nach London

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Foto: fapd
Thomas Weber begleitet die deutsche Olympia-Mannschaft nach London. Der 52-jährige ist nicht Trainer oder Koch – er ist Pfarrer. Der Gevelsberger, der aussieht, als wäre er Basketballer, soll der Mannschaft den nötigen Glauben vermitteln. An den eigenen Erfolg genauso wie an Gott.

Gevelsberg. 

670 Sportler und Betreuer ist die deutsche Olympia-Mannschaft in London stark. Einer aber ist unter ihnen, der glaubt nicht an das Höher-Schneller-Weiter. Er glaubt auch nicht an ewigen Ruhm. Er glaubt an Gott. Thomas Weber aus Gevelsberg ist der evangelische Pfarrer im Team. Ein sportlicher Kerl.

Wenn man ihn so sieht, er könnte Basketballer sein. Thomas Weber ist so groß wie Mannschaftskameraden hoch springen, „zweimetereins?“, er weiß es selbst nicht genau. Es gibt dieses Foto, vier Orgelpfeifen in Peking, alle im Olympia-Dress: Weber, die Fechterin Britta Heidemann, sein katholischer Kollege Hans-Gerd Schütt und Turner Fabian Hambüchen, 1,63 Meter. Aber der Pastor fällt auch so auf: „Ich bin hier der Unbedeutendste“, sagt er zwar bescheiden, zugleich aber „der Exot“ – dabei zieht er den schwarzen Talar gar nicht an.

Seelsorge ist auch bei Olympia nicht messbar

Vielleicht ist er der Einzige, dessen Arbeit keiner messen oder stoppen kann, der einzige echte Ruhepol, der Einzige, der bei Olympia Zeit hat. Zeit zum Zuhören und zum Reden. Nicht, dass die Sportler ihn kurz vor dem Wettkampf noch wahrnehmen aus ihrem Tunnelblick – aber dann sitzt der zweifache Familienvater auf der Tribüne und kommt mit den Eltern ins Gespräch, mit den Partnern. Kann beruhigen und Trost spenden. Und, wie mit dem Biathleten Michael Greis in Vancouver, spontan Medaillen mitfeiern.

Auch ein Pastor kann diese nicht herbei beten. Da lacht Thomas Weber, er ist ein gewinnender Mensch, aber „ich bete nicht für den Erfolg der deutschen Sportler“. Für einen wie ihn, der Handballer war, Tennis spielt, Rad fährt und Ski, ist der Sport zwar „so wichtig, dass man dafür die Hände falten kann“. Aber allenfalls betet er, „dass alle an diesem Tag ihre Leistung abrufen können“. Denn wenn nun der Österreicher gewinnt – „hat dessen Pfarrer dann besser gebetet“? Ohnehin schätzt Weber in der kirchlichen Olympia-Broschüre „Mittendrin“ das Verhältnis von Bitten und Danken auf ungesunde 9:1. „Man darf das nicht missbrauchen.“

Der Pfarrer betet gemeinsam mit den Olympia-Athleten

Wohl betet der 52-Jährige mit den Sportlern gemeinsam. In sonntäglichen Gottesdiensten im Olympischen Dorf, in spontanen Andachten. Vor vier Jahren in China hielt er eine in der Wohnung einer Schwimmerin, es gab etwas zu feiern, aber auch viel Frust. Namen will Weber nicht nennen, Vertrauen ist sein Pfund: „Wir führen Gespräche unter ganz normalen Leuten, ohne Angst, dass am nächsten Tag alles in der Zeitung steht.“

So vertraute ein Eishockey-Spieler ihm in Kanada den Schmerz über einen toten Mannschaftskollegen an. Zwei junge Männer musste er in Peking zum Flughafen bringen, denen zu Hause der Vater gestorben war. Eine Mutter trösten, deren Söhne am Wettkampftag krank im Bett lagen. Aber er hat bei bislang drei Spielen auch dies erlebt: dass ein Kampfrichter ihn um die Taufe seines Kindes bat. Und ein Sportler um seine Trauung.

Sein, wo die Menschen sind

Seit 1972 schicken die Kirchen Seelsorger zu Olympia, „wir wollen sein, wo die Menschen sind“, erklärt Thomas Weber. Und er mag einen Draht zum Himmel haben, noch mehr steht er mit beiden Beinen auf der Erde. Ständig neue Höchstleistungen? Er hat zu oft erlebt, wie Sportler unsanft auf das zurückgeworfen wurden, „was im Leben wirklich zählt“. Lebenslanger Ruhm? Da zeigt er seinen Konfirmanden Fotos von Franziska von Almsick, und die kennen die Schwimmerin nicht mehr. „Das ist wie bei Popstars, es gibt heute ein Verfallsdatum.“

Außerdem mag der Pastor das Menschenbild nicht, Sportler nur an ihren Leistungen zu messen: „Da wird einer Dritter, und dann heißt es ,nur’. Das tut denen richtig weh.“ Thomas Weber glaubt, „dass wir mehr sind als das, was wir leisten“. Es geht ihm um die Menschenwürde. Aber auch das glaubt er: „Gott hat Humor.“ Und der hat deshalb bestimmt Verständnis, dass sein Vertreter die Einladung der deutschen evangelischen Gemeinde am Rande Londons dankend ausgeschlagen hat. Weber übernachtet lieber beim katholischen Kollegen: Der wohnt direkt an der Towerbridge.