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Neue Führerschein-Regel soll Freizeitskipper anlocken

Neue Führerschein-Regel soll Freizeitskipper anlocken

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Foto: Hans Blossey
Seit Oktober gilt auf allen Bundeswasserstraßen (binnen- und seewärts) mit Ausnahme des Rheins eine neue Regel: Hobbykapitäne dürfen Motorboote bis 15 ohne Führerschein fahren. Bisher lag die Grenze bei fünf PS. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund ums Thema.

Essen. 

Die Wassersportwirtschaft frohlockt und erwartet mehr Schwung für die lahmenden Geschäfte: Seit Oktober gilt auf allen Bundeswasserstraßen (binnen- und seewärts) mit Ausnahme des Rheins eine neue Regel. Diese erlaubt es, Motorboote bis 15 statt bisher 5 PS ohne Führerschein zu fahren. Für Verbraucher ergeben sich völlig neue Möglichkeiten in Sachen Freizeit und Tourismus. Auch die morgen startende weltgrößte Wassersportmesse „boot“ in Düsseldorf widmet sich des Themas.

Was bedeutet die neue Regel?

Skipper ab 16 Jahren dürfen Sportboote bis 15 PS ohne Lizenz führen, sofern das Boot weniger als 15 Meter lang ist. Das gilt auf Nord- oder Ostsee sowie auf Kanälen und Flüssen mit Ausnahme des Rheins. Dieser ist ein internationales Gewässer mit internationaler Gesetzgebung. Für das Bootfahren auf Seen hat die Neuerung keine Auswirkungen, erklärt Jürgen Tracht vom Bundesverband Wassersportwirtschaft. Tracht: „Seen sind in der Regel Landesgewässer, kleinere sogar kommunale Gewässer. Das Bundesgesetz greift hier nicht.“

Welche Ziele verfolgt die Neuerung?

„Der Einstieg in diese Freizeitaktivität wird erheblich erleichtert und das Spaß- und Erlebnispotenzial des Bootssports bereits von Beginn an spürbar“, sagt Jürgen Tracht. Menschen, die noch nicht genau wüssten, ob ihnen das Hobby liege, seien bisher von der Führerscheinpflicht abgeschreckt worden. Die 5-PS-Beschränkung habe dazu geführt, dass Skipper ohne Führerschein auf vielen Gewässern wegen Strömung oder Wellengang Probleme beim Fahren mit Mini-Motoren bekommen hätten.

Was ist mit einem 15-PS-Motor möglich?

„Ein Schlauchboot mit 15-PS-Motor können Sie mit maximal 35 Stundenkilometern fahren. Sie können aber auch Yachten und Boote bis zu neun Metern mit etwa zwölf Kilometern pro Stunde bewegen“, sagt Jürgen Tracht. Das reiche zum Wasserwandern – und auf einem Neun-Meter-Boot könne eine vierköpfige Familie Platz finden. Tracht: „Sie können als Familie Urlaub auf dem Wasser machen oder mit dem Boot Kurztrips unternehmen.“ Vor allem in Nordrhein-Westfalen mit dem dichten Kanalnetz ergäben sich ganz neue Möglichkeiten. „Sie können zum Centro nach Oberhausen fahren oder mal nach Duisburg. Wenn sie möchten, können Sie auch durch ganz Deutschland fahren.“ Bisher gab es die Chance nur in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und im Saarland, wo der so genannte Charterschein seit 2004 geltendes Recht ist. Der erlaubte auf vorher festgelegten Routen das Mieten eines bis zu 15 Meter langen Bootes für maximal zwölf Personen ohne Führerschein.

Welche Folgen erwartet die Wassersportwirtschaft?

Die ersten Vermieter werden wohl bereits in dieser Saison reagieren und neue Angebote machen, vor allem in den Urlaubsdomizilen an der Küste. „Es wird wahrscheinlich zwei bis drei Jahre dauern, bis wir die Angebote tatsächlich beurteilen können, aber wir gehen davon aus, dass viel passieren wird“, sagt Tracht. Boote halbtage- oder tageweise für 40 bis 80 Euro zu buchen, könne für Familien oder Heranwachsende sehr attraktiv sein.

Also, einsteigen und losfahren?

Laut Bundesverband Wassersportwirtschaft haben sich die Charterunternehmen auf eine obligatorische Einweisung geeinigt, die in Theorie und Praxis durchaus drei Stunden umfassen kann. „Ganz ohne Einweisung sollte keiner aufs Wasser, auch wenn das Handling der Boote nicht so schwer ist“, sagt Jürgen Tracht. Bei der Schulung werden Verkehrszeichen oder das Schleusen, aber auch die Besonderheiten bestimmter Gewässer erklärt.

Die neue Regel ist nicht unumstritten. Was sagen Kritiker?

Die Motoryacht-Vereinigung Schleswig-Holstein bezeichnete die Neuregelung im Norddeutschen Rundfunk als „hammerharten Wahnsinn“. Mit der Führerscheinfreiheit kämen „15-PS-Geschosse aufs Wasser, ohne dass der Fahrer weiß, wer eigentlich Vorfahrt hat“. Der Verband der Wassersportwirtschaft bestreitet, dass es künftig vermehrt zu Unfällen kommen könnte. Nach Jahren Charterschein-Erfahrung unter anderem in Ostdeutschland stehe fest: Es sei noch zu keinem Unfall mit Personenschaden gekommen.

Infos zur „boot“ 2013:
  • 44. internationale Bootsausstellung „boot“, Messegelände Düsseldorf; 19. bis 27. Januar; tägl. 10-18 Uhr, 1650 Aussteller.
  • Preise: e-Tickets auf www.boot.de: Erw. 14 Euro, erm. 10 Euro; Mo – Fr ab 15 Uhr 9 Euro; Tageskasse: Erw. 18 Euro, erm. 11 Euro, Mo – Fr ab 15 Uhr 10 Euro; Familien: eTickets: Erw. 13 Euro, Kind (7 – 14 Jahre) 6 Euro; Tageskasse: Erw. 14 Euro, Kind (7 – 14 Jahre) 6 Euro.
  • Adresse fürs Auto-Navi: D-40474 Düsseldorf, Am Staad.