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Nach 60-Meter-Sturz mit dem Auto unverletzt ausgestiegen

Nach 60-Meter-Sturz mit dem Auto unverletzt ausgestiegen

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Foto: MDR / Dirk Ebert
Bianca Göhl zählt wohl zu den Menschen, die 2014 besonders viel Glück hatten. Mit ihrem Auto stürzte die 40-Jährige 60 Meter in die Tiefe ohne sich ernsthaft zu verletzen. Nur die – eigentlich unnötige – Suchaktion nach ihr muss sie wohl selber bezahlen, weil sie sich nach ihrem Unfall nicht zeitnah bei der Polizei gemeldet hatte.

Bad Staffelstein. 

Der 8. Juli 2014. Für die meisten Deutschen ist es der Abend, an dem die eigene Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft mit 7:1 gegen Brasilien gewinnt. Für Bianca Göhl aber ist es der Abend, an dem sie vielleicht zum größten Glückspilz des Jahres 2014 wird. 60 Meter stürzt sie an diesem Abend mit ihrem Auto in die Tiefe, steigt nahezu unverletzt aus und geht nach Hause. „Erst in den letzten Tagen habe ich gemerkt, wie viel Glück ich gehabt habe“, sagt sie.

Natürlich wollen sie damals auch Fußball gucken in Bad Staffelstein. Bianca, ihr Mann und auch ihr Sohn. Doch der 16-Jährige ist kurz vor Spielbeginn noch nicht von einem Ausflug zum Staffelberg zurückgekehrt. „Berg der Franken“ nennen sie in der Region die knapp 540 Meter hohe Erhebung auf deren Hochplateau einst die Kelten siedelten.

Das Wetter ist schlecht. „Gegossen wie aus Kübeln hat es“, erinnert sich Göhl, „und nebelig war es auch.“ Sie macht sich Sorgen, setzt sich in ihr Auto, fährt hoch auf das Plateau. Das Wetter wird immer schlimmer, die Sicht geht gegen null. Göhl will zurück, sie wendet und übersieht die Kante des steilen Abhangs. Sie spürt „ein Rumpeln“, spürt, dass der Wagen fällt, wird im Cockpit ihres Autos hin und her geworden, hört „eine Art Knall“, und erinnert sich noch wie sie aufprallt. Dann herrscht Stille. Absolute Stille. „Da hast du einen Abflug gemacht“, denkt sie und krabbelt aus dem völlig demolierten Fahrzeug. Nicht ohne vorher den Zündschlüssel ab- und die Handbremse anzuziehen.

Der Sicherheitsgurt hat ihr etwas in den Hals geschnitten, die Polizei wird später von „leichten Prellungen“ sprechen, aber ansonsten hat Bianca Göhl den Absturz von dem jetzt 60 Meter über ihr liegendem Plateau unverletzt überlebt. Zu verdanken hat sie das wohl der Krone einer mächtigen Kiefer, die sich unter der schweren Last fast bis zum Boden biegt und den Aufprall so abfedert.

An die Stunden unmittelbar nach dem Unfall kann sich Göhl nur noch bruchstückhaft erinnern. Sie weiß noch, dass sie versucht hat, den Berg wieder hochzuklettern. „Aber das war wohl zu steil“. So läuft sie um den Berg herum läuft im strömenden Regen kilometerweit nach Hause, wo Ehemann und der zur zweiten Halbzeit heimgekehrte Sohn „viel aufgeregter waren als ich“. Ein paar Stunden später geht sie wieder arbeiten in ihrem Floßbräuhaus, einem urigen Restaurant am Main. „Es ist ja immer etwas zu tun.“ Warum sie nicht erst einmal zur Polizei gegangen ist, kann sie bis heute nicht sagen. „Ich stand wohl völlig unter Schock“, glaubt sie.

Das Versäumnis kommt sie nun wahrscheinlich teuer zu stehen. Denn während die Gastronomin am Tag nach dem Unglück ihren Gästen Essen und Trinken serviert, finden Wanderer ihr demoliertes Auto und alarmieren die Rettungsdienste. Die setzen sofort eine groß angelegte Suchaktion in Gang. Bereitschaftspolizei rückt an, Hubschrauber steigen auf, bevor jemand auf die Idee kommt, das Kennzeichen des Wracks zu notieren und bei der Halterin nachzufragen. Eine Rechnung über 5000 Euro dafür ist den Göhls mittlerweile ins Haus geflattert. „Die werde ich wohl zahlen müssen.“

Drohende Anzeige ist vom Tisch

Eine drohende Anzeige der Polizei ist dagegen vom Tisch. Die hatte zunächst wegen „Fahrerflucht“ ermittelt. Es sei ja „Fremdschaden“ entstanden argumentierte ein Sprecher damals unter Verweis auf die „beschädigte Kiefer“. Inzwischen aber gehen auch die Ermittler davon aus, dass Göhl unter Schock stand.

Nachwirkungen hat der spektakuläre Unfall keine. „Alpträume kenne ich nicht“, sagt Bianca Göhl. Und auch ans Steuer eines Autos hat sie sich schnell wieder gesetzt. „Nur bei Nebel fahre ich nicht mehr so gerne.“ Ganz spurlos aber ist das Geschehen dann doch nicht an ihr vorüber gegangen.

Es ist ein Gefühl, dass Bianca Göhl schwer beschreiben kann, irgendwo zwischen Dankbarkeit und neuem Optimismus. „Ich war schon immer ein Glückspilz“, sagt sie. „Aber wenn du so etwas überstehst, dann fühlst du dich schon besonders.“