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Mordanklage in USA gegen Hochstapler aus Köln

Mordanklage in USA gegen Hochstapler aus Köln

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Ein ungewöhnliches Paar: Albrecht Gero Muth und Viola Herms Drath im Juni 2001. Foto: rtr
Eine bizarre Beziehung: Ein gebürtiger Kölner heiratete eine ehemalige USA-Korrespondentin des „Handelsblatts“ – 44 Jahren Altersunterschied zum Trotz. Albrecht Gero Muth erwies sich als hochstaplerischer Dampfplauderer. Jetzt steht der 47-Jährige vor Gericht. Er soll seine Gattin ermordet haben.

Washington. 

Als sich das bizarre Ende einer bizarren deutsch-deutschen Ehe in Georgetown herumgesprochen hatte, hielt sich das Erstaunen in der von Politik, Kultur, Wissenschaft und viel Geld getriebenen Herzkammer Washingtons in Grenzen. Albrecht Gero Muth und Viola Herms Drath. 44 Jahre Altersunterschied. Konnte doch nicht gutgehen.

Er, ein damals 47-jähriger Sonderling, der in irakischer Generalsuniform durch die Gegend stolzierte und Selbstgespräche führte. Sie, eine 91 Jahre alte, hellwache Korrespondentin, Buchautorin und Gesellschaftsdame, die US-Präsidenten und Minister beriet. Mehr als einmal hatte es in der aus „Zweckmäßigkeit“ geschlossenen Ehe (Muth) gescheppert. Mehr als einmal musste sich der aufbrausende Dampfplauderer vor der Polizei verantworten. Wegen häuslicher Gewalt.

Es wird kein leichtes Verfahren

Als die 1920 geborene Düsseldorferin im August 2011 im Badezimmer ihres schmucken Hauses tot aufgefunden wurde, erzählte Muth der Polizei, die Frau Gemahlin sei gestürzt. Die Obduktion wies auf Erwürgen und Schläge hin. Seit Dienstag muss sich der aus Köln stammende Muth wegen Mordes vor Gericht verantworten.

Es wird kein leichtes Verfahren. Weder Augenzeugen noch DNA-Spuren beglaubigen die Täterschaft. Und dann hat sich Albrecht Gero Muth auch noch vor einem Jahr spirituellem Fasten unterzogen. „Auf Geheiß des Erzengels Gabriel.“ Er wiegt knapp 40 Kilo und kann das Verfahren nur per Video-Link vom Krankenbett aus verfolgen. Die Geschworenen dürfen ihn nur hören, nicht sehen. Seine jammervolle Gestalt soll kein Mitleid auslösen. Richter Russell Canan hat es so angeordnet. Damit der Prozess nicht verschleppt wird. Raffiniert genug dazu wäre Muth.

Mit Schampus und schönen Worten

Kurz nach dem Abitur 1982 in Bergisch Gladbach suchte er das Weite, landete in Amerika. Weil die Geheimdienste hinter ihm her waren, behauptet Muth. Weil er schwer verschuldet war, sagt die Justiz.

Mitte der 80er kreuzten sich die Wege von Muth und Herms Drath in Washington. Die Korrespondentin, die über ein Vierteljahrhundert fürs „Handelsblatt“ ebenso kunstfertig und lesenswert über Weltpolitik wie über die neuen Ausstellungen in der National Gallery zu berichten wusste und 1975 eine umstrittene Willy-Brandt-Biografie schrieb, hatte just ihren ersten Mann verloren. Laut ihrer Töchter Fran und Conny spürte sie eine „große Einsamkeit“. Colonel Francis Drath war nach dem Zweiten Weltkrieg Militär-Gouverneur in Bayern. Herms übersetzte für ihn. Bald auch das Wort Liebe. Als Deutschland Wiederaufbau übte, zog das Paar in die Ödnis von Nebraska, später nach Washington.

Albrecht Gero Muth beeindruckte die Dame durch Rhetorik und Charme. Eines Tages stand er mit Schampus vor ihrer Tür und hielt um die Hand der Frau an, die seine Großmutter hätte sein können. Viola Herms Drath willigte ein. Was dann geschah, beschreiben Familie und Freunde der Autorin so: Muth hat seine in höchsten Washingtoner Kreisen bis hin zu Carter, Kissinger und Bush senior vernetzte Gattin benutzt, um sich auf den berühmten Drath‘schen Dinner-Partys auf der Society-Leiter nach oben zu lügen. Dort war der Hochstapler als „Count Albi“ bekannt. Den Grafen-Titel will er von einem Adligen bekommen haben, der nach einem Sturz vom Elefanten in Bombay einen Nachfolger für seine Dynastie suchte.

Berater von Kanzlerund Präsidenten

Regelmäßig machte sich der zwischen Genie und Schizophrenie pendelnde Muth anheischig, an der Lösung von Weltkonflikten mitgewirkt zu haben. Pakistan und der Streit um Kaschmir, der Irak-Krieg und Gerhard Schröders militärische Enthaltsamkeit – Muth will stets dabei gewesen sein. Als Überbringer geheimer Botschaften, Berater von Kanzlern und Präsidenten und Schlüsselfigur für Geheimdienste. Alles Kokolores.

Dass der smarte Rheinländer bei seinen Auftritten Polit-Prominenz von deutschen Botschaftern bis hin zum früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan hinter die Fichte führte, löst in Washington immer noch Kopfschütteln aus. Im Prozess um den Tod von Viola Herms Drath wird in zwei Wochen das Urteil erwartet. Es könnte die letzte Scharade Albrecht Gero Muths werden.