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Millionär kippt Eisenstaub ins Meer, um die Welt zu retten

Millionär kippt Eisenstaub ins Meer, um die Welt zu retten

Russ George aus Kalifornien kippt 100 Tonnen Eisenstaub ins Meer, um die Treibhausgase zu reduzieren. Wissenschaftler verurteilen das Vorgehen und sprechen von unberechenbaren, vielleicht sogar katastrophalen Folgen. Doch den Millionär ficht das nicht an.

Washington/ Kiel. 

Ein Indianer-Volk an der unwirtlichen Küste Kanadas, dem die Lachse ausgegangen sind und damit die Haupt-Nahrungs-und Einnahmequelle. Ein findiger Öko-Unternehmer, der auf eigene Faust die Welt retten und nebenbei den Indianern ihre Fische wiederbringen will. Und 100 Tonnen Eisenstaub. Das sind die Zutaten zu einem Umweltkrimi der dritten Art, der es aus den Spalten der Fachmagazine in Amerika gerade in die Hauptnachrichten geschafft hat.

Glaubt man Russ George, dann lief die Sache so ab. Im Juli charterte der Unternehmer aus Kalifornien ein Boot, fuhr vor Old Massett an der kanadischen Westküste 350 Meilen weit raus aufs Meer und öffnete die Ladeluken. Alles musste raus. Nein, keine schmierigen Öl-Gemische. Sondern 100 Tonnen Eisenpartikel. Umweltsünder, denkt man unweigerlich. Russ George würde einem den Vogel zeigen und rufen: Umgekehrt! Umweltretter! Wie dem auch sei. Das Ergebnis der seltsamen Metall-Saat ist inzwischen per Satellitenbild gut zu erkennen: ein 10 000 Quadratkilometer großer Plankton-Teppich, an dem sich die Geister scheiden. Die vereinfachte Gleichung dahinter: Eisen macht Algen. Lachse lieben Algen. Algen „saufen“ Kohlendioxid. Tote Algen nehmen ihr CO2-Päckchen mit ins nasse Grab; auf den Meeresboden.

Wissenschaftlern wurde Verklappung 2009 verboten

„Wir reduzieren die Treibhausgase. Und die Indianer vom Volk der Haida haben wieder was zu fangen“, sagte George jetzt voller Stolz dem Reporter des Magazins „Scientific American“. Zwei Fliegen mit einer Verklappung sozusagen. Sallie Chisholm und Eugene Stoermer, zwei Meeres-Wissenschaftler aus Michigan und Boston, werden bei der Vorstellung seekrank. Mit der Erde dürfe man nicht herumspielen, sagen sie. Russ George gilt nicht nur ihnen als Inbegriff von menschlicher Hybris, für die Wahnvorstellung, die vom Menschen angezettelte Klimakatastrophe sei mittels fix gezüchteten „Meereswäldern“ in den Griff zu bekommen.

2007 bereits wollte er mit seiner Firma Planktos das Meer vor den Galapagos-Inseln mit Riesenladungen Eisen düngen und im Rahmen des internationalen Handels mit CO2-Zertifikaten tüchtig Geld verdienen. Erst fehlten dem Amerikaner die Genehmigungen. Später auch das Geld. Planktos ging baden.

Zur Erneuerung der Lachsbestände

George blieb an Deck und fand die Haida. Indianische Ureinwohner an der kanadischen Westküste, denen die Aktion zwecks Erneuerung ihrer Lachbestände laut New York Times 2,5 Millionen Dollar wert war. Problem dabei: Die kanadische Umweltbehörde hat’s nicht genehmigt. Ein Sprecher bestätigte, dass George unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auch noch 20 Spezialbojen abgegriffen habe. Inzwischen läuft eine Groß-Untersuchung gegen den Mann, der dem kanadischen Blatt „Globe and Mail“ in den Block diktierte: „Wenn niemand damit beginnt, die Ozeane zu retten, ist es zu spät.“

Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven verurteilen das Vorgehen von Russ George aufs heftigste. 2004 hatte ein Team um Victor Smetacek sieben Tonnen Eisensulfat im Südpolarmeer versenkt. 2009 wurde das Vorhaben, den Südatlantik mit sechs Tonnen zu düngen, gestoppt. „Man sollte diese Experimente weiter verfolgen“, sagt Smetacek heute. Und dann kommt das große Aber.

Da man nicht wisse, wie sich das Ökosystem Meer verändere, welche Konsequenzen das Einbringen von Eisensulfat konkret habe, müssten Experimente in der Hand von Wissenschaftlern bleiben. Eine Kommerzialisierung dürfe nicht zugelassen werden. Die von George als Klimarettung propagierte Aktion könnte allerdings Schule machen: „Die amerikanische Firma Climos versucht durch Geo-Engineering den CO2-Ausstoß zu bremsen“, sagt Smetacek. Laut Smetacek treffen sich hier vor allem die unbelehrbaren Klimawandel-Verneiner. Und künden von dem Irrglauben, dass die Katastrophe zu beheben sei.

Greenpeace ist entsetzt

Für katastrophal hält Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace, Georges Alleingang. „In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass die Natur auf andere Art reagiert, als der Mensch es sich erhofft hat.“ Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass durch Eisensulfat CO2 gebunden werden könnte, „doktert man an Symptomen, arbeitet aber nicht an der Lösung des Problems.“ Energiesparen sei angesagt. Maack fordert Schutzzonen in den Weltmeeren. „Eine unabhängige Institution, die bei den Vereinten Nationen verankert ist, muss alle menschlichen Aktivitäten in diesen Bereichen einer Risikobewertung unterziehen.“ Bisher seien diese verantwortungslosen Einzelaktionen kaum zu verhindern. Es gebe zwar internationale Abkommen, die die Verklappung von Müll in den Ozeanen verbieten. Kontrollierbar seien sie aber nicht. „Die Meere sind zu groß, um flächendeckend überwacht zu werden.“