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Ludwig II. enttäuscht in der Kino-Neuauflage

Ludwig II. enttäuscht in der Kino-Neuauflage

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Themendienst Kino: Ludwig II. Foto: Warner Bros
Nach 40 Jahren kommt der Märchenkönig zurück auf die Kinoleinwand. Doch die mit Starbesetzung gedrehte Neuverfilmung des Regie-Duos Peter Sehr und Marie Noëlle enttäuscht: Die Ästhetik ist verkitscht, mancher Regie-Einfall sogar furchtbar.

Essen. 

Leider bekommt der normale Kinobesucher fast nie das Presseheft zu sehen, mit dem die Kritiker auf einen Film eingestimmt werden sollen. Im Falle von „Ludwig II.“ spricht dieses Heft wirklich Bände. Eingehüllt in blutrote Samt-Imitation erwartet einen da ein in hellen Farben gehaltenes Bilderbuch, in dem bekannte Schauspielergesichter in prachtvollen Gewändern paradieren, in dem jede Seite das Versprechen von wahrer Größe abgeben will. Wer aber auch nur ein wenig Gespür für die Aussagekraft von Bildern besitzt, dem erzählen all diese sorgfältig ausgeleuchteten Fotos vor allem etwas von kitschiger Fernseh-Ästhetik.

Das Regie-Duo Peter Sehr und Marie Noelle jedenfalls ist angetreten, nach Luchino Viscontis vierstündigem Kino-Monolithen „Ludwig“ (1972) den bayerischen Märchenkönig wieder ein wenig strahlender erscheinen zu lassen. So wie Helmut Berger ihn da am Ende aussehen ließ, wirr an Verstand und immer noch besessen von den schönen Körpern seiner Lakaien, so soll man diesen Mythos Ludwig künftig nicht mehr in Erinnerung haben. Der Bühnenschauspieler Sabin Tambrea ist in seiner ersten Kinorolle davon erfüllt, Ludwig zartgliedrig und feinfühlig von jedem Makel reinzuwaschen.

Ludwig, das ist hier ein missverstandener und von Intrigen umgebener Herrscher, der Kultur und Schönheit predigt, während die Schatten des nächsten Krieges sich bereits nähern. Der Richard Wagner förmlich mit Geld überschüttet, um dem Meister und seiner Musik nahe zu sein. Dass Edgar Selge in dieser Rolle gelegentlich wie ein fluchender Derwisch erscheint, mag man noch angehen lassen.

Dass jedoch Wagners beharrliches Bedrängen Ludwigs, endlich ein paar missliebige Minister seiner Regierung zu entlassen, vor allem auf seinem offenen Antisemitismus fußt, das wird hier vorsätzlich unterschlagen. Auch Ludwigs deutliche Homosexualität, die er vor allem in späteren Jahren ziemlich offen ausgelebt haben soll, wird von Sehr und Noelle kanalisiert.

Auf der Roseninsel im Starnberger See kommt es zwar zu einem intimen Moment zwischen Ludwig und seinem Stallmeister Hornig (Friedrich Mücke), doch der Herrscher ohrfeigt sich für diesen Fauxpas anschließend selbst. Nie wieder, schwört er gleich darauf, werde er dieser Neigung noch einmal nachkommen.

Geistesverwandtschaft

Wer will, kann in der erfundenen Absage an alle Homoerotik eine Geistesverwandtschaft mit Wagner erblicken. Der verbietet bei einer Probe von „Tristan und Isolde“ den Liebenden, sich anzusehen, auf dass ihre Blicke sich erst in der Unendlichkeit treffen. Aber das hieße, dem Drehbuch einen Willen zu Untertönen zu unterstellen.

Tatsächlich ist dies ein Film völlig ohne Leidenschaft für seinen Protagonisten. Tabin Sambrea muss nur oft genug sein „Schwerter zu Instrumenten“-Credo proklamieren, das reicht schon als Rechtfertigung für die geplante Schauspieler-Parade. Bekannte Namen sagen Sätze auf, nur wenigen (Tom Schilling, Samuel Finzi) aber gelingt so etwas wie eine Charakterisierung.

Der schlimmste Einfall der Regie ist es jedoch, den fragilen Tambrea nach einem Alterungsprozess von nur 14 Jahren ausgerechnet durch Sebastian Schipper zu ersetzen. Der müsste nun eigentlich einen inzwischen aus der Realität Entflohenen geben, ganz in seiner eigenen Welt versunken. Statt Wahnsinn aber begegnet uns ein bäriger Kerl, von finsteren Ärzten auf Betreiben böser Politiker festgesetzt. Der mysteriöse Tod nachts im Starnberger See, er muss hier einfach zu einem klaren Selbstmord bei Tageslicht werden.

Wertung Zwei von fünf Sternen