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Lengede-Überlebender erinnert sich ans Wunder

Lengede-Überlebender erinnert sich ans Wunder

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Foto: REUTERS

Copiapo/Hannover. 

Vor 47 Jahren wurde der Elektriker Adolf Herbst aus der Tiefe gerettet, es war „das Wunder von Lengede“. In diesen Tagen denkt er oft an die Bergleute in Chile, die in 700 Metern Tiefe eingeschlossen sind.

Endlich geht’s los. Seit Dienstag frisst sich der Bohrer durchs Gestein, um die in 700 Metern Tiefe eingeschlossenen 33 chilenischen Bergleute zu befreien. „Ich muss jetzt oft an die Kumpel denken“, sagt Adolf Herbst. Der 67-Jährige wurde selbst mal in einem Bergwerk verschüttet. Das war am 24. Oktober 1963 im Schacht Mathilde unweit von Salzgitter. Die Rettung nach zwei Wochen wurde in ganz Deutschland bejubelt. Es war „das Wunder von Lengede“.

Herbst war kein Bergmann, sondern Elektriker. Und eigentlich hatte er schon Feierabend, als das Wasser des Klärteichs durch einen Erdbruch in die Grube stürzte. „Ich hab damals eine Doppelschicht gemacht, weil ich einen freien Tag für meine Verlobung brauchte.“ Mit 21 anderen Männer rettete er sich in einen ausgeräumten Stollen.

„Das war anders als jetzt in Chile“, weiß Adolf Herbst. Es war nicht so tief. Knapp 60 Meter. Das machte später die Bergung leichter. „Aber bei uns war es eng. Und zappenduster.“ Und ständig lösten sich Steine. Elf Kumpel wurden erschlagen, während sie auf die Helfer warteten.

Auch damals fing es mit einem kleinen Loch an

„Das Schlimmste war die Ungewissheit, ob sie uns finden“, erinnert sich der 67-Jährige noch genau. Über Tage hatten sie die Suche schon eingestellt. Nur eine erneuter letzter Versuch brachte den Zufallserfolg. Der Bohrer stieß in die kleine Höhle. Fieberhaft suchten die Bergleute nach einer Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. „Es dauerte fast fünf Minuten, bis der Bernhard sein Messer aus dem Stiefel gekramt hatte und zum Bohrgestänge gekrochen war.“ Der Bohrer wurde schon herausgezogen, als er mit dem Messer endlich dagegen klopfte. Das Signal wurde gehört.

Auch damals wurde erst ein kleines Loch gebohrt, Suppe, Medikamente und ein Mikrofon herunter gelassen. „Als ich endlich mit meiner Freundin Dagmar sprechen konnte, habe ich neuen Lebensmut gefasst.“ Es sei überlebenswichtig, den Kumpeln in Chile den Kontakt zu den Angehörigen oft zu ermöglichen. „Die sind ja bis Weihnachten da unten. Das wird noch richtig schwer“, ahnt Herbst.

Man müsse Strategien entwickeln, sich zu beschäftigen. Und jeder müsse auf den anderen aufpassen. „Ich wurde im Schlaf von einer großen Steinplatte eingeklemmt. Man sah nicht die Hand vor Augen. ‘Lebst du noch’, haben die Kollegen gefragt. Dann sind sie zu mir gekrochen und haben mich befreit.“

Und es sei wichtig, dass jemand im Chaos die Führung übernehme. „Bei uns war das der Kräftigste: der Bernhard Wolter.“ Trotz der Lebensgefahr hat er sich auf den Weg gemacht, um Wasser zu suchen. Mit einem ganzen Helm davon kam er später zurück. „Das hat uns damals gerettet“, sagt Adolf Herbst dankbar. „Das – und der Glaube an Gott.“