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Lebkuchen im Sommer – Kunden schimpfen und kaufen trotzdem

Lebkuchen im Sommer – Kunden schimpfen und kaufen trotzdem

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RND Symbolbild - für Kreisseite RND - Mitte September gibt es schon Süßes für Weihnachten Foto: Guido Raith
Und keiner will’s gewesen sein: Im Alltag und im Internet schimpft derzeit jeder über die Supermärkte, die schon im Spätsommer Lebkuchen, Spekulatius und Co. anbieten. Der Handel widerspricht gelassen: Würde niemand schon jetzt das weihnachtliche Gebäck kaufen, gäbe es auch das Angebot nicht.

Essen. 

Wir befinden uns im Spätsommer des Jahres 2012 nach Christus. Ganze Supermarktregale quellen über vor Weihnachtsartikeln und versetzen alle Käufer in einen Rausch … alle Käufer? Nein! Von unbeugsamen Geistern bevölkerte Facebook-Gruppen hören nicht auf, dem Konsum Widerstand zu leisten.

„Kein Lebkuchen vor dem 1. Advent“ heißt eine solche Facebook-Gruppe. Auf die WAZ-Frage, was die User zu Lebkuchen im September sagen, gab es gemischte Antworten: „leider geil“, schrieb ein Nutzer, viele fanden das frühe Angebot eher „fehl am Platz“, „pervers“ oder „wider die Natur“. Auch die Kritik, dass der Verkauf von Jahr zu Jahr früher starte, ist in den Sozialen Medien häufig zu lesen.

Alle Jahre wieder: Aufschrei über frühen Weihnachtsverkauf

Dem widerspricht der deutsche Handelsverband (HDE). „Das ist nur ein gefühlter Eindruck“, erläutert Sprecher Stefan Hertel. Tatsächlich startet der Verkauf von Herbstgebäck – so die Handels-Fachbezeichnung für Spekulatius und Lebkuchen – immer Anfang September, genauer: in der 35. Kalenderwoche des Jahres. „Und es gibt jedes Jahr denselben Aufschrei“, ergänzt Hertel schmunzelnd.

[kein Linktext vorhanden]Dabei ist die Nachfrage laut Anbietern bereits im Spätsommer groß. Rewe-Sprecher Raimund Esser schränkt ein, in den ersten Wochen sei der Verkauf abhängig von der Wetterlage. Deshalb verkaufen viele Märkte die schokolierte Ware, also Nikoläuse und Adventskalender, erst ab Mitte Oktober.

Allerdings: „Sobald es herbstlich wird, die Abende länger und kühler sind, steigen die Verkäufe sprunghaft an“, sagt Esser. Viele Kunden, ja, ganze Familien, seien dann „regelrecht ausgehungert“ nach Dominosteinen, Zimtsternen und Co.

Christliches Hilfswerk: „Alles hat seine Zeit“ 

„Ausgehungert“ nennen es die einen, die anderen warnen vor Übersättigung. „Wir nehmen uns selbst etwas, wenn wir schon im Spätsommer Weihnachtsgebäck essen“, sagt Alfred Hermann. Er ist Sprecher des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken. Für das Hilfswerk wäre der erste Advent der ideale Zeitpunkt, um Weihnachtsverkäufe zu starten.

Hermann kann die Einzelhändler verstehen: „Letztlich kommt es ja auf uns an, auf die Konsumenten. Nur uns zuliebe verkaufen die Händler diese Ware schon jetzt.“ Bei Weihnachten gehe es jedoch um mehr, nämlich um selbstloses Schenken und Nächstenliebe. „Zudem ist es Teil unserer Kultur, dass Feste zu einer bestimmten Zeit gehören. Alles hat seine Zeit, wir feiern ja auch nicht jeden Tag Geburtstag“, erklärt Hermann.

Weihnachtliche Gewohnheiten haben sich verändert

Der Vorwurf, dass Kommerz und Konsum den eigentlichen Sinn von Weihnachten aushöhlen, ist dem Handel nicht neu. Rewe-Sprecher Esser gibt sich diplomatisch: „Man sollte zwischen der Idee von Weihnachten und Verzehrgewohnheiten differenzieren.“

Diese Gewohnheiten hätten sich in den vergangenen Jahren stetig verändert, ohne dass die Menschen das Weihnachtsfest selbst in Frage stellen würden: „Vielmehr möchten viele Verbraucher schon ab Spätsommer oder Herbst an kalten Nachmittagen oder Abenden gerne Spekulatius oder ein Stück Lebkuchen genießen.“