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Jutta Winkelmann kämpft mit einem Comic gegen die Wut

Jutta Winkelmann kämpft mit einem Comic gegen die Wut

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imago55028484h~f07e1ba6-886a-4a3a-9e9c-6f018760f27c.jpg Foto: imago stock&people
In grellen Bildern und mit radikalen Texten kämpft Hippie-Ikone Jutta Winkelmann, die an Krebs leidet, gegen Schmerzen und Ohnmacht.

Berlin. 

Mit ihrer Zwillingsschwester Gisela Getty wurde Jutta Winkelmann zur Ikone der 68er. In den Siebzigern gründete sie mit Hippie Rainer Langhans und einigen Frauen eine legendäre Kommune, genannt „Harem“. Das Private war bei ihr schon immer politisch und öffentlich. Auch mit ihrer Krebserkrankung geht sie in die Öffentlichkeit: Sie verarbeitet den Kampf gegen die Krankheit in einem Comic.

„Mein Leben ohne mich“ ist bunt, grell und laut. Sie zeigt sich leidend, kämpfend, hoffend, verzweifelnd, hadert mit dem Leben, mit Rainer Langhans und mit schlimmen Schmerzen, die der Knochenkrebs ihr bereitet.

Getty wurde von der Mafia entführt

Jutta Winkelmann (67) hat so viel erlebt, dass es scheint, als könnte es für mehrere Leben reichen. Sie war mit ihrer Schwester Postergirl und Muse der 68er-Bewegung, traf im Jetset Bob Dylan, Mick Jagger, Robert De Niro. Im Jahr 1973 lernte ihre Schwester Gisela in Italien dann den jungen amerikanischen Multimillionär John Paul Getty III kennen.

Getty wurde Mitte 1973 in Rom von der Mafia entführt, das Schwesternpaar über Nacht weltberühmt. Jutta Winkelmann zog von Berlin nach San Francisco, dann nach München, wo sie dann die legendäre Kommune gründete.

Jutta Winkelmann gründet Kasseler Filmkollektiv

Sie besuchte die Schauspielschule und die Hochschule für Fernsehen und Film in München. Gemeinsam mit ihrem damaligen Mann, Adolf Winkelmann, gründete sie das Kasseler Filmkollektiv. „Ein besonders schönes Leben hat auch besonders viele Schattenseiten“, sagt sie dieser Zeitung. Doch dann kam die Krankheit, der Schock für Jutta Winkelmann und damit auch die leisen, sehr dunklen Töne.

2014 bekam die Künstlerin Brustkrebs. Eine Brust wurde ihr abgenommen, die Chemo lehnte sie ab. Sie galt als geheilt. Doch der Krebs kehrte zurück. Er hatte metastasiert, das Skelettsystem war befallen. Knochenkrebs – das bedeutet unfassbare Schmerzen. Die Prognose war schlecht. Worte wie „unheilbar“ fielen. Angst und Wut brechen aus ihr heraus. Sie will nur noch schreien – und beginnt zu schreiben. „Es ist eine Art Tagebuch, Splitter aus meinem Krebs-Leben“, sagt sie.

Szenen von der Krebsstation im Krankenhaus

Jutta Winkelmann verarbeitet ihre Krankheit in einer Art „Real life“-Comic, zusammengesetzt aus Fotos und Selfies. Fotos, auf denen sie mit Freunden wie Helge Schneider und Rainer Langhans zu sehen ist. Und plötzlich ist sie darin die Heldin, die ihr Schicksal von außen betrachten kann. Sie nimmt den Leser mit Worten und Bildern mit auf ihre letzte Reise nach Indien, ihr Partner Rainer Langhans begleitet sie.

In einer ihrer Erzählungen liegt sie mit Langhans händehaltend auf einem Hotelbett. Sie hatten Streit, danach fühlt sie sich frei und erlöst. Keine Hoffnung, keine Furcht, schreibt sie. Es gibt diese Bilder eines Paares, vor allem aber Bilder aus dem Leben der Kranken. Alltagsszenen, aber auch Szenen von der Krebsstation im Krankenhaus; immer wieder zeigt sie ihren von den Operationen geschundenen Körper.

Kaum noch Hoffnung

Tagelang bringen sie die Schmerzen fast um den Verstand. „Diese ganze Scheiße reicht mir jetzt so, ich möchte den Körper runterstrippen und aus mir rausspringen, das ganze Elend wie einen verschwitzten Schlafanzug ablegen, duschen und wieder ins Leben treten“, schreibt sie. Und wie geht es ihr jetzt? „Momentan nicht gut. Ich bin austherapiert, wie man so schön sagt, jetzt brauche ich ein Wunder. Aber ich bin realistisch. Ich habe seit zwei Wochen nichts mehr gegessen, ich befinde mich auf der letzten Strecke.“

Im Inneren scheint Jutta Winkelmann ihren Frieden mit sich selbst gefunden zu haben: „Letztlich geht es doch nur um die Liebe.“