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Wieso der Abschied von Cindy zwar schade, aber richtig ist

Wieso der Abschied von Cindy zwar schade, aber richtig ist

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1491C2000E921464.jpg Foto: dpa
Nach elf Jahren will Schauspielerin Ilka Bessin Schluss machen mit Cindy aus Marzahn. Für ihre Zukunft hat sie bereits genaue Pläne.

Berlin. 

Nie wieder Pink: kein pinker Jogginganzug, keine pinke Blume im Haar, kein pinker Lippenstift. Cindy aus Marzahn hört auf. Viele wird der Abschied freuen. Denn die Begeisterung für die Frau im Jogginganzug hielt sich in letzter Zeit in Grenzen. Cindy nervte. Dabei war es doch genau das, was sich die Entertainerin Ilka Bessin (44) zur Aufgabe gemacht hatte: Den Leuten auf den Keks zu gehen. Dass sie scheiterte, weil ihr genau das gelang, hat zumindest eine tragikomische Note.

Ihr Abschied nach 16 Jahren zeigt, wie gut ihr Gespür für die eigene Wirkung war. Sinkende Einschaltquoten, Teile der Hallen waren dezent abgehängt, wenn sie auftrat, damit die leeren Stühle nicht auffielen. Die Zeiten, als die Fans ihr noch die Bude einrannten, um sich von Cindy aus Marzahn die Welt erklären zu lassen, sind vorbei. So ist die Branche, knallhart. Das hätte sie anfangs nicht gedacht, erzählt sie jetzt in Interviews. Auf Facebook sei sie teilweise so wüst beschimpft worden, dass sie zu Hause gesessen hat und einfach losheulen musste. Cindy hat sich überlebt. Schluss mit lustig also. Eine kluge Entscheidung. Aber klug war die Frau ja immer schon.

Cindy war authentisch

Allein die Erfindung ihrer Figur zeugte von Durchblick: Dicke müssen lustig sein, jedenfalls, wenn sie im Entertainment etwas reißen wollen. Dicke müssen peinlich sein. Immerhin eine Nische im Geschäft, in dem Frauen wie Sylvie Meis zu den topbezahlten Kräften zählen. Cindy, die arbeitslose berlinernde Dicke aus der Plattenbausiedlung, hatte dem künstlichen Geplapper all der schönen Mäuschen etwas entgegenzusetzen: eine echte Klappe. Sie war rotzig, geschmacklos, prollig. Eine Kunstfigur. Ja, aber Cindy war mehr als das. Cindy war authentisch, ganz nah dran an Ilka Bessin. Und deshalb bei aller Übertreibung in der Rolle als Komikerin glaubwürdig. Denn Bessin kannte es aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, kein Geld mehr zu haben. Sie ist zu 80 Prozent Cindy, sagte sie einmal der „New York Times“. Diese Frau, die aus ihrem Elend Kunst machte, hatte das, wonach sogar Amerika gierte: Originalität. Die Marke Cindy machte Schlagzeilen bis in die USA.

Groß geworden ist sie in der DDR. Im VEB Wälzlagerwerk Luckenwalde lernte sie Köchin. Sie hatte keine Probleme damit, Eintöpfe für 750 Arbeiter auf den Tisch zu bringen. Aber als die Wende kam, war der Job weg. Schnell eine Ausbildung zur Hotelfachfrau obendrauf. Sie kellnerte, bespaßte die Leute als Schiffsanimateurin, ging nach Berlin und bekam kein Bein auf die Erde. Vier Jahre lang arbeitslos. Hartz IV, 200 Bewerbungen. Nichts passierte. Bis sie 2004 den Talentwettbewerb beim Quatsch Comedy Club gewann. Was danach kam, ist bekannt. TV Total, Schillerstraße, Auszeichnungen, eigene Tourneen.

Respektloser Gegenentwurf

Sie polarisierte. Sie hatte Fans und immer schon reichlich viele Gegner, denen genau das, was sie ausmachte, auf den Geist ging: Cindy unterschied sich von anderen Comedians, weil es bei denen immer eine Distanz gibt, zwischen dem, was sie spielen, und dem, was sie sind. Nicht bei ihr. Und Cindy unterschied sich darin, dass sie wie kaum jemand anderes respektlos behandelt wurde. Als sie bei „Wetten, dass..?“ die zugegeben fehlbesetzte Assistentin von Lanz wurde, spielte sich folgende Szene ab:

Lanz : „Herr Lagerfeld, wenn Sie die Wette verlieren, dann müssen sie tanzen.“

Lagerfeld: „Es kommt drauf an, mit wem.“

Lanz: „Mit Cindy?“

Lagerfeld: „Meine ideale Tanzpartnerin wäre die junge Dame da drüben“ und zeigt auf eine blonde Schöne.

Lanz: „Na ja, es soll ja auch ’ne Strafe sein.“

Bitter ist das schon. Aber Dicke weinen nicht.

Dass Cindy immer näher an sie herangerückt war, hat Ilka Bessin bemerkt. Sie wollte das nicht mehr. Sie hat jetzt 26 Kilo abgenommen. Cindy ist also wieder weiter von ihr weg. Und von uns.

Manchen wird sie fehlen. Denn Cindy funktionierte als Gegenentwurf für all die, die keine Lust mehr auf aufgespritzte Lippen und Diätmodels hatten. Cindy war Unterschicht mit Herz. Eine Hoffnung für all die, die nicht in die Chefetagen kamen, und trotzdem lachen wollten.