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Helmut Schmidt gesteht Affäre – und ist damit nicht allein

Helmut Schmidt gesteht Affäre – und ist damit nicht allein

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Foto: picture alliance / dpa
Viele Politiker machten Schlagzeilen durch ihre Affären: Willy Brandt, Helmut Kohl, Horst Seehofer. Nicht allen hat die Liebelei nachhaltig geschadet.

Essen. 

Willy Brandt tat es und Horst Seehofer. Vielleicht auch Helmut Kohl. Jetzt bekennt sich Helmut Schmidt dazu. Die großen Männer der deutschen Politik standen fast immer treu zur Verfassung. Treu zur Ehefrau waren sie seltener.

96 ist „Schmidt Bergedorf“ heute. Zum letzten Mal schickt der sozialdemokratische Altkanzler ein Buch in die Regale der Republik. „Was ich noch sagen wollte“, heißt es. Es ist sein Schlusswort. Darin erklärt er fünf Jahre nach dem Tod seiner Schülerliebe und lebenslangen Begleiterin Loki: „Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau.“

Schmidt lehnte Trennung von Loki ab

Die Veröffentlichung des „Stern“ schockiert viele Bundesbürger. Auch die Offenheit, mit der Helmut Schmidt die Details der Ehekrise schildert, die ihm der offenbar längerjährige Seitensprung „Ende der sechziger oder Anfang der siebziger Jahre“ – hier bleibt er unbestimmt – bescherte. Loki habe ihm die Trennung angeboten. Er habe das als „ganz und gar abwegige Idee“ abgelehnt.

Dabei tut sich Schmidt bekanntermaßen schwer, Privates auszuplaudern. Erst weit nach seiner Kanzlerschaft 1974 bis 1982 haben die Deutschen erfahren, dass sein erstes Kind im Alter von acht Monaten den Kriegswinter 1945 nicht überlebt hat, dass er halbjüdischer Herkunft ist, dass er in seinem Büro im Kanzleramt „wahrscheinlich hundert Mal besinnungslos aufgefunden wurde“. Es kann also sein, dass er zur Ehe-Beichte, die das Magazin als Sensation bezeichnet, halb gedrängt wurde. Denn erstmals über eine „sensible“ Hamburger Geliebte des mächtigen Mannes berichtet hat 2014 Klaus Harpprecht, der Freund Willy Brandts. Und Harpprecht und Schmidt – das ist heute noch wie Feuer und Wasser.

Auch Kohl unter Untreue-Verdacht

An dieser Stelle ist wichtig zu wissen, dass Privatleben von Politikern in Bonn eher kein Gesprächsgegenstand waren. In den Hinter- und Vorzimmern von Regierung und Parlament und auch in den Redaktionen gab es Gemunkel. Von Kohl und seiner Referentin, von Brandts „Amouren“ und liegengelassenen Colliers auf Hotel-Nachttischen. Der Wahrheitsgehalt blieb oft zweifelhaft. Politisch spielten sie nur bei Brandts Sturz eine Rolle. Mit einer halbgaren Liste seiner vermeintlichen Liebschaften ist der „Kanzler der Ostpolitik“ wahrscheinlich zum Rücktritt gepresst worden.

Was richtig war, kam nach dem Tod des Friedensnobelpreisträgers heraus und in einer Zeit, in der Privates längst gerne öffentlich wurde: Die 22 Jahre jüngere Journalistin Heli Ihlefeld, übrigens „Stern“-Reporterin, war über Jahre die ernst zu nehmende Rivalin von Brandts Ehefrau Ruth. Und auch die Gattin des „Kanzlers der Einheit“ könnte betrogen worden sein, wenn der Bericht von Kohl-Sohn Peter stimmt. Er habe erfahren, dass das Verhältnis des Vaters zu seiner jetzigen Ehefrau Maike Richter „in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre“ begonnen habe, schreibt er 2013. Da lebte Hannelore Kohl noch. Vielleicht war Helmut Kohl sogar noch Kanzler.

Ein Theo Waigel und sein Verhältnis zur Skiläuferin und späteren Ehefrau Irene Epple, ein Horst Seehofer, der Anette Fröhlich schwängerte, die Mitarbeiterin eines Unionskollegen: Sie hatten in jüngerer Zeit schon weniger Probleme mit der öffentlichen Wahrnehmung ihrer privaten Verhältnisse. Viele solcher Bekenntnisse sind heute „normal“.

Sie war Sozialdemokratin

Helmut Schmidt hat seine namentlich unbekannte Geliebte Ende der 60er-Jahre wohl über die Partei oder die Bundestagsfraktion kennengelernt. Jedenfalls war sie Sozialdemokratin. Auch die Trennung von ihr, um die Ehe mit Loki zu retten, scheint ihm schwer gefallen zu sein. Man blieb in gegenseitigem Kontakt, berichtet der „Stern“. Vor zwei Jahren ging der Altkanzler, nach dem Tod von Loki Schmidt mit der anderen alten Freundin Ruth Loah in einer Lebensgemeinschaft, zu ihrer Beerdigung.

So gefühlvoll ist Schmidts Vorgänger im Staatsamt, Willy Brandt, mit Heli Ihlefeld übrigens nicht umgegangen. Den Schlussstrich unter die Beziehung machte er am Tag des Rücktritts als Kanzler. Tausende zogen mit Fackeln durch Bonn, um gegen den Sturz zu protestieren. Ihlefeld war unter ihnen. Wie die anderen ist sie an „Willy“ nicht mehr herangekommen.